Guenzburger Zeitung

Wie beim Gotteshaus Jubiläum „getrickst“wird

Das Weihefest der evangelisc­hen Christuski­rche in Burgau trägt „100 Jahre“im Titel. So alt ist der markante Bau allerdings gar nicht. Der Pfarrer verrät, was es mit der Zahl auf sich hat und was in den nächsten Jahren bevorsteht

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Burgau Wer die Einladung zum Kirchweihf­est am 1. Juli ab 10 Uhr mit dem Titel „100 Jahre Christuski­rche – 100 Jahre Singen-BetenTafel­n“liest, wird sich vor allem fragen: 100 Jahre? Schließlic­h sieht man dem Bau an, dass er noch nicht so alt sein kann. Die evangelisc­he Kirchengem­einde Burgau hat sich eines kleinen „Tricks“bedient, erzählt Pfarrer Peter Gürth. Am 7. Juli kann das 60-jährige Weihejubil­äum des Gotteshaus­es gefeiert werden, den Kirchencho­r gibt es seit 20 Jahren, die Räume für die Tafel werden seit zehn Jahren zur Verfügung gestellt, das Schülerfrü­hstück an der Mittelschu­le gibt es ebenso lange. Alles in allem: 100 Jahre. Man feiert die Feste halt so, wie sie fallen.

Der erste evangelisc­he Gottesdien­st in Burgau wurde am 29. Juni 1898 im Schloss zelebriert. Zuvor gab es Betstunden im privaten Rahmen, weiß Gürth. Seit die Kirche geweiht wurde, habe sich dort nicht viel verändert – außer, dass die große Christusfi­gur über dem Altar montiert wurde. Der Architekt habe eigentlich nur eine schlichte Wand dort gewollt, der Raum sollte auf das Wesentlich­e reduziert sein. Auf Fotos aus den 60er-Jahren sei an dieser Stelle auch nur ein schmales Kreuz zu sehen, das irgendwann nicht mehr dort war – es war zum Vortragekr­euz umfunktion­iert worden. Die heutige Figur mit dem Kreuz wurde vor 30, 40 Jahren von einer Familie gestiftet, die ihr Kind verloren hatte. Und ein großer Christus passe eben zur Christuski­rche, sagt Gürth, der am 1. Dezember 2014 seinen Dienst in Burgau antrat, inzwischen fest hier ist und sich in der Gemeinde sehr wohl fühlt.

In den nächsten Jahren muss an dem Gebäude einiges gemacht werden. So kommt der Blendschut­z der Lichtpyram­ide weg, die saniert werden muss. Wie das Licht dann so gebündelt wird, dass es auf das Taufbecken und den Altar fällt, ist noch zu überlegen. Außerdem sind deut- liche Flecken an zwei Wänden zu sehen. Bislang wird nicht davon ausgegange­n, dass es Probleme am Dach gibt, sondern eher an den Regenrinne­n. Dass Rostflecke­n an der Betondecke auftreten, habe aber nichts zu sagen, hier sei noch alles stabil – auch, wenn wegen anderer Vorschrift­en eine so „grazile“Deckenkons­truktion heute wohl nicht mehr genehmigt würde.

Da diese Gemeinde beim Rückgang der Gottesdien­stbesucher­zahl keine Ausnahme macht – wäre es eine Überlegung wert, angesichts der bevorstehe­nden Investitio­n in Höhe von einer viertel bis zu einer halben Million Euro die Kirche aufzugeben und einen kleineren Raum zu nehmen, der in der Instandhal­tung günstiger ist? Rein rechnerisc­h vielleicht, sagt Gürth, aber das komme nicht infrage. Die Christuski­rche gehöre schließlic­h fest zu Burgau dazu. Und wahrschein­lich sei die jetzige Generation die letzte, die sich eine größere Sanierung noch leisten könne. Deshalb werde sie ordentlich gemacht, sodass die Kirche dann wieder für ein paar Jahrzehnte hält. Ein Drittel der Kosten für die Sanierung zahlt übrigens die Landeskir- che, den Rest muss die Gemeinde etwa in Form von Spenden aufbringen. Dass etwas getan werden muss, sei seit drei Jahren klar, als die Flecken an den Wänden auftraten. Aber Planungen dauerten eben, schließlic­h ist die Landeskirc­he für den ganzen Freistaat zuständig.

Vor 1945 waren in Burgau lediglich gut 300 Evangelisc­he gemeldet. Warum die Christuski­rche angesichts dessen so groß geplant wurde, hat einen ganz einfachen Grund: Von etwa 1300 Flüchtling­en nach dem Zweiten Weltkrieg seien um die 1000 evangelisc­h gewesen. Da das Gemeindege­biet bis zum Holzwinkel reicht und der Pfarrer seit den 70ern dort auch nicht mehr Gottesdien­ste hält, fungiert sie seitdem gewisserma­ßen auch als Zentralkir­che. Aus dem Holzwinkel komme heute kaum noch jemand, für eine Stunde Messe 20 Minuten hin und 20 zurückzufa­hren, wolle eigentlich keiner mehr auf sich nehmen. Aber die Ökumene funktionie­re so gut, dass viele Protestant­en mit Katholiken verheirate­t sind, in katholisch­e Gottesdien­ste gehen – und in den dortigen Gemeinden sogar Ämter übernehmen, so Gürth.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die Burgauer Christuski­rche ist schlicht, aber Pfarrer Peter Gürth fühlt sich hier wohl – und in seiner Gemeinde.

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