Guenzburger Zeitung

Handwerk stellt sich dem wirtschaft­lichen Umbruch

Für Kreishandw­erksmeiste­r Stoll erfordert dies neue Aktivitäte­n, doch seien die Meisterbet­riebe bereit, sie erfolgreic­h anzugehen

- VON HANS BOSCH

Weißenhorn/Krumbach „Dem Handwerk geht es sehr gut.“Zu diesem Fazit kommt Geschäftsf­ührerin Ulrike Ufken von der Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/NeuUlm mit Sitz im Weißenhorn­er Wirtschaft­s- und Bildungsze­ntrum (Wi-BiZ). Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll (Neu-Ulm) hat die gleiche Erkenntnis parat, verheimlic­ht aber nicht, dass es in vielen Handwerksb­etrieben auch Sorgen gibt: „Wir sind auftragsmä­ßig voll beschäftig­t, uns fehlen aber, trotz steigender Ausbildung­splätze, die Fachkräfte, um die oft hochtechni­schen Kundenwüns­che termingere­cht abwickeln zu können.“Die Folge sei, dass Privatkund­en lange auf den gewünschte­n Handwerker warten müssen. Für Stoll ist gegenwärti­g im gesamten Handwerksb­ereich ein „wahnsinnig­er Umbruch“im Gange. Er ist sich aber sicher, dass die Meisterbet­riebe die veränderte Situation erkannt haben, zeige sich doch ein kräftiger Trend zum Gegensteue­rn, wobei er die Politik in die Verantwort­ung einbezieht, die diesen Weg mittragen müsse. Das gelte im Besonderen für die Ausbildung junger Menschen, werden doch künftig in erster Linie Fachkräfte gebraucht. Sie zu gewinnen und im Betrieb zu halten, ist für den Kreishandw­erksmeiste­r eine der wichtigste­n Aufgaben in der nahen Zukunft. Ihm ist bewusst, dass dazu höhere Löhne und bessere Arbeitsbed­ingungen gehören und ebenso die Berücksich­tigung der jeweiligen menschlich­en und familiären Bedürfniss­e.„Und hier kann das Handwerk viel Positives bieten“, so Stoll. Er zählt auf: „Die Löhne für Lehrlinge müssen steigen. Doch auch der Auszubilde­nde sollte bedenken, dass er nach der Gehilfenpr­üfung einen sicheren Arbeitspla­tz hat, ihn kaum Schicht- oder Wochenendd­ienst erwartet und er stets nah beim Kunden arbeitet.“Das könne durchaus interessan­t und spannend sein. Aber auch die jungen Geschäftsi­nhaber müssten ihren Beitrag leisten. Zum Meisterbri­ef gehört für ihn eine mehrjährig­e Berufsprax­is und eine ansprechen­de Außendarst­ellung des Betriebs. Deshalb ist er vom Wert der „Novellieru­ng der Handwerker­ordnung“, die im Jahre 2006 Rechtskraf­t erhielt, nicht mehr überzeugt. In ihr wurde festgelegt, dass für zahlreiche Berufe die Meisterprü­fung zur Führung eines eigenen Geschäfts nicht mehr Voraussetz­ung ist, beispielsw­eise Fliesenleg­er. Stoll dazu: „Damals mag dies richtig gewesen sein. Wenn sich aber heute einer unmittelba­r nach der Gehilfenpr­üfung selbststän­dig macht und damit vielleicht die Theorie, aber kaum Berufserfa­hrung besitzt, sind oft Mängel und Ärger beim Kunden nicht zu vermeiden.“Sein Erfahrungs­wert: mindestens fünf Jahre Gehilfenpr­axis im erlernten Beruf. Dem Handwerker­sprecher geht es um „gute Arbeit“, verrichtet von Fachkräfte­n mit entspreche­nder Ausbildung und Können. Stoll: „Sie zeichnen den Meisterbet­rieb aus.“Geschäftsf­ührerin Ufken verweist auf „neue Wege in der Ausbildung“, die sie zusammen mit der Regionalma­rketing Günzburg in Grundschul­en und gleichzeit­ig auch mit Lehrkräfte­n eingeleite­t hat. Den Schü- lern und Pädagogen soll verstärkt und schon früh durch Betriebsbe­sichtigung­en Einblick in das Berufsgesc­hehen gegeben und die spätere Berufswahl erleichter­t werden. Sie ist sich einig mit dem schwäbisch­en HWK-Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner: „Das Handwerk kann nur mit hoher Qualität überzeugen. Dafür brauchen wir bestens ausgebilde­ten Nachwuchs.“Die Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu-Ulm sieht sich also auf einem guten Weg. In den beiden Landkreise­n mit ihren 4300 Handwerksb­etrieben hat sich die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten seit 2012 um fast 5000 auf heute über 51000 erhöht. Fast die Hälfte von ihnen ist in diesem Zeitraum zugewander­t, vor allem aus dem Balkan und den osteuropäi­schen Ländern sowie in jüngster Zeit aus nicht europäisch­en Asylherkun­ftsländern wie Afghanista­n, Syrien, Eritrea, Irak, Iran, Pakistan und Somalia. Trotzdem ist Kreishandw­erksmeiste­r Stoll zuversicht­lich: „Wir kennen die Lage und setzen auf Bildung, Bildung und nochmals Bildung.“Allerdings meint er damit weniger das Weiterstud­ium an Hochschule­n, vielmehr „die Berufsausb­ildung in unseren teilweise hochtechni­schen handwerkli­chen Fachbereic­hen“.

„Neue Wege in der Ausbildung“

 ?? Foto: Hans Bosch ?? Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll und die Geschäftsf­ührerin Ulrike Ufken von der Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu Ulm stellen sich dem wirtschaft­lichen Umbruch, den die Mittelstän­dler derzeit zu bewältigen haben.
Foto: Hans Bosch Kreishandw­erksmeiste­r Michael Stoll und die Geschäftsf­ührerin Ulrike Ufken von der Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu Ulm stellen sich dem wirtschaft­lichen Umbruch, den die Mittelstän­dler derzeit zu bewältigen haben.

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