Handwerk stellt sich dem wirtschaftlichen Umbruch
Für Kreishandwerksmeister Stoll erfordert dies neue Aktivitäten, doch seien die Meisterbetriebe bereit, sie erfolgreich anzugehen
Weißenhorn/Krumbach „Dem Handwerk geht es sehr gut.“Zu diesem Fazit kommt Geschäftsführerin Ulrike Ufken von der Kreishandwerkerschaft Günzburg/NeuUlm mit Sitz im Weißenhorner Wirtschafts- und Bildungszentrum (Wi-BiZ). Kreishandwerksmeister Michael Stoll (Neu-Ulm) hat die gleiche Erkenntnis parat, verheimlicht aber nicht, dass es in vielen Handwerksbetrieben auch Sorgen gibt: „Wir sind auftragsmäßig voll beschäftigt, uns fehlen aber, trotz steigender Ausbildungsplätze, die Fachkräfte, um die oft hochtechnischen Kundenwünsche termingerecht abwickeln zu können.“Die Folge sei, dass Privatkunden lange auf den gewünschten Handwerker warten müssen. Für Stoll ist gegenwärtig im gesamten Handwerksbereich ein „wahnsinniger Umbruch“im Gange. Er ist sich aber sicher, dass die Meisterbetriebe die veränderte Situation erkannt haben, zeige sich doch ein kräftiger Trend zum Gegensteuern, wobei er die Politik in die Verantwortung einbezieht, die diesen Weg mittragen müsse. Das gelte im Besonderen für die Ausbildung junger Menschen, werden doch künftig in erster Linie Fachkräfte gebraucht. Sie zu gewinnen und im Betrieb zu halten, ist für den Kreishandwerksmeister eine der wichtigsten Aufgaben in der nahen Zukunft. Ihm ist bewusst, dass dazu höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gehören und ebenso die Berücksichtigung der jeweiligen menschlichen und familiären Bedürfnisse.„Und hier kann das Handwerk viel Positives bieten“, so Stoll. Er zählt auf: „Die Löhne für Lehrlinge müssen steigen. Doch auch der Auszubildende sollte bedenken, dass er nach der Gehilfenprüfung einen sicheren Arbeitsplatz hat, ihn kaum Schicht- oder Wochenenddienst erwartet und er stets nah beim Kunden arbeitet.“Das könne durchaus interessant und spannend sein. Aber auch die jungen Geschäftsinhaber müssten ihren Beitrag leisten. Zum Meisterbrief gehört für ihn eine mehrjährige Berufspraxis und eine ansprechende Außendarstellung des Betriebs. Deshalb ist er vom Wert der „Novellierung der Handwerkerordnung“, die im Jahre 2006 Rechtskraft erhielt, nicht mehr überzeugt. In ihr wurde festgelegt, dass für zahlreiche Berufe die Meisterprüfung zur Führung eines eigenen Geschäfts nicht mehr Voraussetzung ist, beispielsweise Fliesenleger. Stoll dazu: „Damals mag dies richtig gewesen sein. Wenn sich aber heute einer unmittelbar nach der Gehilfenprüfung selbstständig macht und damit vielleicht die Theorie, aber kaum Berufserfahrung besitzt, sind oft Mängel und Ärger beim Kunden nicht zu vermeiden.“Sein Erfahrungswert: mindestens fünf Jahre Gehilfenpraxis im erlernten Beruf. Dem Handwerkersprecher geht es um „gute Arbeit“, verrichtet von Fachkräften mit entsprechender Ausbildung und Können. Stoll: „Sie zeichnen den Meisterbetrieb aus.“Geschäftsführerin Ufken verweist auf „neue Wege in der Ausbildung“, die sie zusammen mit der Regionalmarketing Günzburg in Grundschulen und gleichzeitig auch mit Lehrkräften eingeleitet hat. Den Schü- lern und Pädagogen soll verstärkt und schon früh durch Betriebsbesichtigungen Einblick in das Berufsgeschehen gegeben und die spätere Berufswahl erleichtert werden. Sie ist sich einig mit dem schwäbischen HWK-Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner: „Das Handwerk kann nur mit hoher Qualität überzeugen. Dafür brauchen wir bestens ausgebildeten Nachwuchs.“Die Kreishandwerkerschaft Günzburg/Neu-Ulm sieht sich also auf einem guten Weg. In den beiden Landkreisen mit ihren 4300 Handwerksbetrieben hat sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit 2012 um fast 5000 auf heute über 51000 erhöht. Fast die Hälfte von ihnen ist in diesem Zeitraum zugewandert, vor allem aus dem Balkan und den osteuropäischen Ländern sowie in jüngster Zeit aus nicht europäischen Asylherkunftsländern wie Afghanistan, Syrien, Eritrea, Irak, Iran, Pakistan und Somalia. Trotzdem ist Kreishandwerksmeister Stoll zuversichtlich: „Wir kennen die Lage und setzen auf Bildung, Bildung und nochmals Bildung.“Allerdings meint er damit weniger das Weiterstudium an Hochschulen, vielmehr „die Berufsausbildung in unseren teilweise hochtechnischen handwerklichen Fachbereichen“.
„Neue Wege in der Ausbildung“