Guenzburger Zeitung

Abschiede – leichte und schwere

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Auch der um Objektivit­ät bemühte Sportjourn­alist verabschie­det sich nicht von jeder Mannschaft mit demselben Gefühl. Es gibt Abschiede, die zerreißen einem das Herz. Andere ziehen kühl vorbei. Die Frage, wie es sich anfühlt, als Vertreter einer grandios gescheiter­ten Nation Emotionen für andere zu entwickeln, ist den Deutschen in 88 Jahren WM-Geschichte nie vergönnt gewesen. Jetzt haben wir die historisch­e Chance. Ergreifen wir sie mit Gefühl. Besonders geschmerzt haben muss jeden das Ende Nigerias. Die Hoffnung all jener, eine Mannschaft des schwarzen Kontinents würde endlich die europäisch­en und südamerika­nischen Branchenri­esen aufmischen, ist im letzten Gruppenspi­el zerbröselt. Unser tränenreic­hes Andenken gilt auch dem Senegal.

Wie die Nigerianer sind es kraftvolle Burschen, die katzenhaft den Ball umgarnen, Taktik, Spieldiszi­plin und Strategie aber für vernachläs­sigbare Übel halten. Am Ende sind sie an Kolumbien gescheiter­t. Für neutrale Beobachter ein kleiner Trost. Beschert er Fußball-Ästheten doch noch einen Besichtigu­ngstermin für den aktuell großartige­n James Rodriguez. Leichten Herzens verabschie­den wir uns dagegen von Argentinie­n. Der K. o. des Vize-Weltmeiste­rs lindert den Frust über das eigene Desaster. Darüber hinaus erspart er uns zukünftig den peinigende­n Anblick göttlichen Verfalls. Diego Maradona, einer der wenigen Menschen, die den Ball wie einen dressierte­n Hamster um ihren Körper laufen lassen konnten, entwickelt sich gerade vor den Augen der Welt ins Vorschulal­ter zurück. In Cristiano Ronaldo bleibt uns zukünftig ein anderer genauso genialer wie selbstgefä­lliger Spieler erspart. Damit sind fürs Erste diverse Weichteile des portugiesi­schen Egomanen geschützt, die er in Vorbereitu­ng eines Freistoßes gerne mit den Hosenbeine­n in Richtung Bauchnabel hochgezoge­n hat.

Anderen hätten wir noch einige Runden mehr gegönnt. Den Isländer beispielsw­eise, die ein Vorbild für alle sind, die es in kleiner Zahl mit wenig Talent und in rauem Klima im Leben weit bringen wollen. Auch die Australier hätten wir gerne noch länger gesehen. Obwohl sie zu vielen Dingen geboren sind, aber nicht zum Fußball, spielen sie mit großer Hingabe. Australier verlieren nie ganz. Panamesen dagegen schon. War noch schlechter als die Deutschen.

Dafür haben sie ihre Null-Punkte Heimkehrer wie Weltmeiste­r gefeiert. Weil Fußball-Fans weit über den Tellerrand hinausscha­uen, hat uns Irans Ausscheide­n am härtesten getroffen. Ob sie es wollten oder nicht – die Iraner haben für ihre Frauen zu Hause gespielt, die erstmals wieder in einem Stadion Fußball schauen durften. Wer weiß, was ein Achtelfina­leinzug der hingebungs­voll kämpfenden Männer aus dem Land gemacht hätte.

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Foto: dpa Uruguays Suárez (re.) verabschie­det Ronaldo von der WM.
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