Guenzburger Zeitung

Jetzt geht die WM erst richtig los!

Rosi Wolf hat beim Quiz der Günzburger Zeitung gewonnen – einen Besuch der Redaktion samt Chips und Flüssignah­rung. Sie hat Freunde eingeladen. Die meisten schauen sich das Achtelfina­le an. Ein Gast ist noch immer traurig

- VON TILL HOFMANN Günzburger Zeitung

Günzburg Auch wenn sich am Samstagnac­hmittag im ersten Achtelfina­lspiel Frankreich und Argentinie­n gegenübers­tehen: Wir müssen noch einmal auf den schwarzen Mittwoch zurückblic­ken. Zumindest Ella Ellert macht das. Sie kommt zur WMParty von Rosi Wolf in SchwarzRot-Gold und scheint ob ihres Outfits ein wenig aus der Zeit gefallen zu sein. Die 72-Jährige, die um einiges jünger wirkt, hat sich ein Band in den Landesfarb­en um ihren Kopf gelegt. Einen Deutschlan­d-Schal trägt sie ebenfalls – die meiste Zeit über der Schulter. „Ich hab’ mich jetzt schon auch irgendwie beruhigt“, sagt die Frau, die im Alter von 50 Jahren mit ihrer Familie aus Sibirien nach Deutschlan­d gekommen ist, drei Tage nach dem historisch­en WM-Aus der DFB-Elf. Am Mittwoch selbst sei sie sofort nach dem Spiel ins Bett gegangen und habe auch keinen Telefonanr­uf mehr entgegenge­nommen, so bedient sei sie gewesen. Wer Weltmeiste­r werden soll? „Irgendjema­nd, das ist mir jetzt egal.“

Auch ohne deutsche Beteiligun­g hat sich Ellert das Achtelfina­le angesehen. Eine zu Beginn der K.o.Runde ordentlich­e Begegnung – mit Ergebniswe­nden, vielen Toren und einem am Schluss knappen Sieg für Frankreich, der besseren der beiden Mannschaft­en.

Rosi Wolf hat beim WM-Quiz der mitgemacht – und gewonnen. Statt des 20-LiterBierf­asses wählte sie lieber zwei Kisten mit gemischten Getränken. Und viel Knabbergeb­äck gab’s obendrein. Schulfreun­dinnen, gute Bekannte aus der Gymnastikg­ruppe und Verwandtsc­haft hat sie in ihr großes Wohnzimmer eingeladen.

Einer der Gäste ist Mario Sacco, 69, ein Italiener, der 17 Jahre lang (von Februar 1952 bis Mai 1969) in Argentinie­n gelebt hat. Seine Eltern wanderten aus, weil sie in Süditalien keine Perspektiv­en auf eine auskömmlic­he Zukunft gesehen haben. Die Rückkehr nach Italien währte für Sacco nur drei Monate, dann ging es für ihn nach Deutschlan­d. Vor 30 Jahren habe sein Schwager in Günzburg die Pizzeria Armando aufgemacht. Da helfe er bisweilen noch mit. Und wer soll gewinnen? Saccos Wunsch ist eindeutig: „Argentinie­n natürlich“, sagt er. Sein Realitätss­inn ist es ebenfalls: „Frankreich hat die bessere Mannschaft“, urteilt er vor dem Anpfiff.

Grace Beer, 46, aus Costa Rica und ihr Ehemann Thomas, 51, hat dasselbe Schicksal ereilt: Die Nationalte­ams beider Länder spielen bei dieser Fußball-WM keine Rolle mehr. Die Unterstütz­ung für Argentinie­n ist für die Costa Ricanerin aber Ehrensache.

„Aiaiaiaiai­ai“, schallt es aus ihrem Mund: Beim Ausgleich und dem zwischenze­itlichen 2:1 der Gauchos. Vom Wohnzimmer auf den Balkon sind es für Hannelore Wolf-Stutz, die Schwester der Gastgeberi­n, nur wenige Schritte. „2:1“, informiert sie vielleicht doch ein wenig zu knapp die zwei Personen, die es vorziehen, die Sonne anstelle der Fußballübe­rtragung zu genießen. Ihr Mann Ernst, der den Grillmeist­er spielen darf, gibt trocken zurück: „Das dachte ich mir, dass es 2:1 steht, wenn nach einem 1:1 noch ein Tor fällt.“

„Eigentlich“, sagt er, „interessie­re ich mich nicht für Fußball.“Deshalb fühlt er sich auf dem Balkon gut aufgehoben. Die Ansicht teilt er mit Fritz Joller, der eigens aus Zürich nach Günzburg gereist ist. „Sport mache ich für mich, aber Anderen beim Sport zuschauen? Nein“, sagt er und schüttelt so bedächtig und gleichzeit­ig auch so intensiv den Kopf, dass man meinen könnte, diese Art der passiven Freizeitge­staltung muss so ziemlich das Sinnlosest­e sein, was vorstellba­r ist.

Nach 90 Minuten plus Nachspielz­eit liegen sich die Franzosen in den Armen. Mit 4:3 schicken sie den Vizeweltme­ister nach Hause und stehen als erstes Viertelfin­al-Team fest. Der argentinis­che Italiener Sacco ist nicht enttäuscht. Er habe es ja nicht anders erwartet.

Überhaupt nähert sich jetzt die „dritte Halbzeit“, die dem Vernehmen nach am längsten gedauert haben soll. Salate stehen auf dem Balkon bereit, viel Weißbrot ist geschnitte­n und das Grillfleis­ch macht Appetit. Die Weltmeiste­rschaft hat Pause.

Von einem Wunsch und der Wirklichke­it

 ?? Fotos: Till Hofmann ?? So ein großes Wohnzimmer kann ganz schön praktisch sein: Mehr als ein Dutzend Personen haben Rosi Wolf in Günzburg am Samstag besucht, zum WM gucken. Es ist eine internatio­nale Truppe. Die Gäste haben Bezüge zu Russland, Tschechien, Costa Rica, Schweiz...
Fotos: Till Hofmann So ein großes Wohnzimmer kann ganz schön praktisch sein: Mehr als ein Dutzend Personen haben Rosi Wolf in Günzburg am Samstag besucht, zum WM gucken. Es ist eine internatio­nale Truppe. Die Gäste haben Bezüge zu Russland, Tschechien, Costa Rica, Schweiz...
 ??  ?? Freundinne­n an der Salatbar (von links): Marie Cemus, Rosi Wolf, Christa Fritz und Elisabeth Riefner.
Freundinne­n an der Salatbar (von links): Marie Cemus, Rosi Wolf, Christa Fritz und Elisabeth Riefner.

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