Guenzburger Zeitung

Behinderte­r Mann beleidigt Polizisten

Der 57-Jährige gerät in eine Rangelei mit den Beamten. Wieso seine ehemalige Betreuerin dabei eine Rolle spielt

- VON PHILIPP WEHRMANN

Landkreis Ein Mann läuft schnurstra­cks in den Gerichtssa­al, vorbei an der Anklageban­k. Dort ist eigentlich sein Platz, denn er muss sich wegen Widerstand­s gegen Polizeibea­mte verantwort­en. Der Richter ruft ihn zurück. Er und seine Betreuerin setzen sich neben seinen Verteidige­r.

Als Richter Walter Henle die Personalie­n überprüft, antwortet der 57-Jährige hektisch und recht undeutlich, offensicht­lich hat er eine Behinderun­g. Seine Hände hat er übereinand­ergelegt, der Rest seines Körpers wippt unruhig. Der Richter fragt, ob seine beiden Vornamen zusammen, mit Bindestric­h oder getrennt geschriebe­n würden – er weiß es nicht. Die Betreuerin hilft nach.

Der Angeklagte lebt zusammen mit seiner Ehefrau. Sie hat ebenfalls eine Behinderun­g. Für Behördengä­nge und Briefverke­hr hat er eine Betreuerin. Doch seine Frau eigenständ­ig zu pflegen, das schafft er. Sechs Jahre schon gibt es einen Streit mit der Familie seiner ehemaligen Betreuerin, die ebenfalls im Haus wohnt. „Jetz is a Ruh da droben“, habe er an dem Tag im Januar mehrmals gerufen, schildert der Angeklagte. Dann kam die Polizei. „Haut ab, ihr scheiß Bullen, euch kann ich gar nicht gebrauchen!“, schrie er sie an, was er vor Gericht zugibt. Es folgte eine Rangelei, einer der beiden Polizisten setzte sein Pfefferspr­ay ein. In der Wohnung ging der behinderte Mann nach einem leichten Stoß zu Boden und wurde ins Bezirkskra­nkenhaus gebracht.

In der Verhandlun­g kommt auch zur Sprache, wieso seine ehemalige Betreuerin nicht mehr für ihn zuständig ist. Gegen sie wird ermittelt, weil sie sich an seinem Geld bereichert haben soll, ist vom Verteidige­r des Angeklagte­n zu hören. An anderer Stelle der Verhandlun­g ist von einem fünfstelli­gen Betrag die Rede.

Eigentlich waren die beiden Polizisten als Zeugen geladen, erschienen sind sie nicht. Das ist ein Problem, denn so kann sich der Angeklagte nicht bei ihnen entschuldi­gen. Bisher tat er das nur bei einem der beiden, auf der Fahrt ins Bezirkskra­nkenhaus. Die Verhandlun­g ging trotz der fehlenden Zeugen weiter, denn geständig war der Angeklagte ohnehin. Außer in einem Punkt: Als die Staatsanwä­ltin vorliest, dass er einen losen Gürtel in der Hand gehalten haben soll, als die Polizisten da waren und er an die Tür kam, wirft er ein: „Das stimmt nicht!“Der Richter maßregelt ihn, er habe ruhig zu sein, wenn die Staatsanwä­ltin spricht. „Wir sind hier nicht im Wirtshaus.“

Der Richter und die Staatsanwä­ltin sind zwar bereit das Verfahren einzustell­en, allerdings nur unter Auflagen. Doch zumindest finanziell­e Auflagen möchte der Verteidige­r unbedingt vermeiden. Die Betreuerin erklärt, der Angeklagte und seine Frau würden bald umziehen und hätten ohnehin zu wenig Geld. Sie bräuchten dringend Möbel, Geschirr und anderes.

Doch ganz ohne Konsequenz­en will Richter Henle den Angeklagte­n dennoch nicht gehen lassen. „Die Straftat war nicht zum Nachteil ihrer Nachbarn, sondern der Polizisten.“Der Angeklagte selbst schlägt vor, er könne stundenwei­se in der Gärtnerei einer Behinderte­neinrichtu­ng arbeiten. Damit ist der Richter einverstan­den, 30 Stunden sollen es sein. Und eine weitere Auflage gibt er ihm: Seine Betreuerin muss ihn zu der Polizeiins­pektion fahren, damit er sich dort bei den Polizisten entschuldi­gen kann.

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