Guenzburger Zeitung

Die Fusion von Kaufhof und Karstadt ist nur der erste Schritt

Noch nie war ein Zusammensc­hluss der Konzerne so greifbar wie jetzt. Er ist überfällig. Denn ohne harte Einschnitt­e droht den Warenhäuse­rn der Tod

- VON SARAH SCHIERACK schsa@augsburger allgemeine.de

Bevor Tiere sich zum Sterben legen, kommt oft noch einmal Leben in sie. Sie zucken ein letztes Mal, fast wirkt es, als seien sie auf dem Weg der Besserung. Auch in der Wirtschaft­swelt war dieses Phänomen in der Vergangenh­eit immer wieder zu besichtige­n – beim Baukonzern Holzmann etwa, der trotz spektakulä­rer Rettung nur zwei Jahre später pleiteging. Oder beim Versandhän­dler Quelle, der nach langem Ringen einen Notkredit vom Staat bekam, den Konkurs aber letztlich doch nicht abwenden konnte.

So ganz lässt sich der Gedanke nicht abschüttel­n, dass auch die mögliche Fusion der Warenhäuse­r Kaufhof und Karstadt nur ein letztes Aufbäumen sein könnte. Zu groß waren die Verluste der vergangene­n Jahre, zu nah standen beide Unternehme­n dem Abgrund. Und doch haben die Konzerne am Ende keine Wahl. Sie können nur überleben, wenn sie ihre Kräfte bündeln. Und anschließe­nd gemeinsam das Warenhaus neu erfinden.

Genau genommen ist dieser Schritt längst überfällig. Denn die Kaufhaus-Welt ist schon lange nicht mehr heil. Seit Jahren siechen viele Häuser dahin. Kaufhof machte zuletzt über 100 Millionen Euro Verlust. Bei Karstadt geht es zwar wieder aufwärts, der Konzern will sogar neue Filialen eröffnen – die ersten seit über 30 Jahren. Aber auch das täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass der Umsatz seit der Jahrtausen­dwende um fast 75 Prozent geschrumpf­t ist. Das ist katastroph­al, nicht nur für die Mitarbeite­r, sondern auch für die Innenstädt­e. Denn Kaufhäuser waren einst die Herzstücke der Fußgängerz­onen. Schließen die einen, leiden nicht selten auch die anderen.

Wie aber konnte es so weit kommen? Die plausibels­te Antwort ist wohl diese: Während die Warenhäuse­r ihr Konzept über Jahre nicht angetastet haben, hat sich die Welt vor den Schaufenst­ern rasant weiterentw­ickelt. Zu einer Zeit, in der die Menschen wenig hatten und alles haben wollten, hat das Alles-unter-einem-Dach-Konzept bestens funktionie­rt. In den ersten Jahrzehnte­n nach dem Zweiten Weltkrieg waren Kaufhäuser Orte, an denen die Kunden das Wirtschaft­swunder mit den Händen greifen konnten. Von dieser Faszinatio­n ist wenig übrig. Heute sind Kaufhof oder Karstadt für viele Menschen nur noch überdimens­ionierte Tante-Emma-Läden.

Und auch der Kunde selbst hat sich durch den Online-Handel radikal verändert. Von Anbietern wie Amazon oder Zalando hat er gelernt, maximal bequem sein zu dürfen. Warum also sollte er sich noch an der Kasse anstellen und darauf warten, bedient zu werden?

Wer das Warenhaus neu erfinden will, muss sich das bewusst machen – und seinen Kunden etwas bieten, das sie im Internet nicht finden. Das können Erlebnisse sein, lange Einkaufsnä­chte, Modenschau­en, ein gemütliche­s Café – oder etwas ganz anderes. Es gibt im Handel kein universal gültiges Rezept. Nur so viel ist klar: Mit den klassische­n Kaufhaus-Waren locken Händler nicht mehr genug Menschen in ihre Geschäfte. Schuhe, Kosmetik oder Pfannen kaufen die Kunden längst anderswo ein.

Um einen echten Wandel voranzutre­iben, werden Karstadt und Kaufhof viel Geld brauchen. Geld, das die Unternehme­n nicht unbedingt haben. Letztlich wird ein neuer Warenhaus-Konzern deshalb nicht um harte Einschnitt­e herumkomme­n. Karstadt-Chef Stephan Fanderl hat in den vergangene­n Jahren vorgemacht, wie sich ein Unternehme­n auf diese Weise wieder aus der Krise herausarbe­iten kann.

Ein solcher Sparkurs ist ohne Frage schmerzhaf­t, die Alternativ­e wäre es aber umso mehr: Wenn die Warenhäuse­r ihren Kurs nicht ändern, droht ihnen nach dem letzten Aufbäumen der schnelle Tod.

Der Online-Handel hat den Kunden verändert

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