Guenzburger Zeitung

Aus dem Schatten des Vaters

Rick Zabel trägt einen Namen, der mit ganz besonderen Emotionen verbunden ist. Der 24-jährige Radprofi geht erstaunlic­h offen damit um

- WAZ Andreas Kornes

Es ist ein gigantisch­er Schatten, dem Erik Zabel entfliehen muss. Den Schatten wirft sein Vater Erik. Dieser hatte SportDeuts­chland einst euphorisie­rt, dann bitter enttäuscht. Sechsmal in Folge gewann Erik Zabel zwischen 1994 und 2001 das Grüne Trikot des besten Sprinters der Tour de France. Keinem gelang das bisher häufiger. Zu den Siegerehru­ngen nahm er gerne seinen Sohn mit auf das Podest. 2007 folgte erst ein kleines, 2013 dann ein großes DopingGest­ändnis. Seitdem ist Rick in den Augen der Öffentlich­keit nicht mehr nur der Sohn eines Radhelden, sondern auch der Sohn eines Betrügers.

Dass dem so ist, hat der 24-Jährige längst akzeptiert. Er geht offen damit um. „Warum auch nicht?“, fragt er in einem Interview mit der

kurz vor dem Start der Tour de France an diesem Wochenende. Und weiter: „Das kann man ja nicht verleugnen. Das ist so passiert.“Diese Einstellun­g ist vermutlich die einzige, die es einem erlaubt, trotz einer solch speziellen Vorgeschic­hte eine Karriere in dem Sport zu starten, der wie kein anderer unter der Geißel Doping litt und leidet. Früh habe er durch das Geständnis seines Vaters lernen müssen, was es bedeutet, „sowohl himmelhoch jauchzend als auch am Boden zu sein“, beschreibt Zabel jun. den tiefen Fall seines Vaters. „In so einer Situation will ich niemals sein.“

Im vergangene­n Jahr schaffte es Rick Zabel erstmals in die Mannschaft, die sein Arbeitgebe­r Katusha Alpecin zur Tour de France schickte. Als Debütant war seine Rolle als Wasserträg­er klar definiert. Schnell dürfte ihm aber auch klar gewesen sein, warum das berühmtest­e aller Radrennen die „Tour der Leiden“genannt wird. Gleich während des Zeitfahren­s zum Auftakt in Düsseldorf stürzte Zabel auf regennasse­r Fahrbahn und zog sich einen Bänderriss zu. Trotzdem machte er weiter – und stürzte auf der nächsten Etappe gleich noch einmal. Rick Zabel biss die Zähne zusammen und quälte sich durch die 3540 Kilometer. Das Ziel in Paris erreichte er auf Platz 145.

In diesem Jahr soll alles anders werden. Am heutigen Samstag starten die Radprofis auf der Insel Île de Noirmoutie­r zu einer 201 Kilometer langen Flachetapp­e (mehr dazu im Sport). Im Blickpunkt könnte dabei Zabels Teamkolleg­e Marcel Kittel stehen, einer der stärksten Sprinter im Feld.

Dass Zabel ihn auf dem Weg ins Ziel unterstütz­en kann, hing Ende Juni plötzlich an einem seidenen Faden. Während des Trainings war er mit einem Auto kollidiert. Zabel hatte Glück im Unglück, der Unfall endete mit zahlreiche­n Prellungen und einem gehörigen Schreck.

Schon früh hatte Zabel entschiede­n, dass Ereignisse dieser Art zu seinem Berufsrisi­ko gehören. 2011 verließ er das Gymnasium ohne Abitur. Er setzte alles auf den Radsport und unterschri­eb seinen ersten Profivertr­ag. Es war eine mutige Entscheidu­ng. Denn seitdem fährt er nicht nur um Siege, sondern auch aus dem langen Schatten seines Vaters.

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Foto: Imago

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