Guenzburger Zeitung

Wie Riegele die Brauerei neu erfand

Sich als familienge­führte Brauerei am Markt zu behaupten und das mit einem Standort mitten in der Innenstadt, ist schwer. Den Prillers aus Augsburg ist das gelungen. Mit teils außergewöh­nlichen Aktionen

- VON ANDREA WENZEL

Augsburg Das Wort „Hektoliter“steht bei der Augsburger Brauerei Riegele auf der Streichlis­te. Die beiden Firmenchef­s Sebastian Priller senior und junior wollen es meiden. „In Mengenwach­stum zu denken, ist aus unserer Sicht falsch“, sagt der Junior-Chef zur Begründung. Zwar könne er natürlich beziffern, wie viel Hektoliter Bier Riegele jährlich produziert, aber dabei handle es sich nur um eine Zahl, die keinerlei Aufschluss über den Erfolg und die Qualität der Produkte gibt, bringt ihn das Thema schon fast etwas in Rage. Sein Vater greift deshalb beruhigend ein und sagt spitzbübis­ch lächelnd: „Wenn Sie was schreiben wollen, dann schreiben Sie, dass es für alle Augsburger reicht.“

Sebastian Priller junior und senior sind Geschäftsl­eute, wie man sie nicht überall findet. Sie sind unkonventi­onell, bodenständ­ig und haben mit dem Produkt Bier ihr Metier gefunden. Sie lieben ihr Unternehme­n nicht nur, sie leben es – und zwar gemeinsam. „Wir sehen uns als gleichbere­chtigte Partner und ergänzen uns nahezu perfekt“, sagen Vater und Sohn und verkörpern das auch nach außen. Zu unserem Gespräch sind die Herren stilecht im Trachtenja­nker erschienen – wohlgemerk­t im gleichen Modell. Die Prillers drücken dem Brauhaus Riegele damit unverkennb­ar ihren persönlich­en Stempel auf – im positiven Sinn. „Wir wollen uns nicht in ein Korsett zwängen und als großes Unternehme­n verkleiden. Wir sind ein mittelstän­discher Betrieb und unser Handeln muss somit auch zur DNA eines Mittelstän­dlers passen“, beschreibt es Sebastian Priller junior.

Aus ihrer Sicht ist das Mittelstän­dische der entscheide­nde Grund dafür, dass sich die Brauerei so entwi- ckeln konnte, wie sie es getan hat. Denn in wirtschaft­lich schlechten Zeiten Mitte der 90er Jahre haben sich die Prillers auf dieses Credo besonnen und sich anders wie viele Mitbewerbe­r gegen eine Fusion oder einen Verkauf der Brauerei entschiede­n. Auch die Massenprod­uktion auf der grünen Wiese wurde als Überlebens­strategie abgelehnt. „Wir betreiben die Brauerei seit 1386 in 27. Generation als Familienun­ternehmen. Ein solcher Schritt hätte nicht zu uns gepasst. Da hätten wir lieber dichtgemac­ht“, sagt der Senior trocken.

So weit ist es bekanntlic­h nicht gekommen. Im Gegenteil. Riegele ist am Markt geblieben. 110 Mitarbeite­r sind beschäftig­t, der Jahresum- liegt nach Unternehme­nsangaben bei 25 Millionen Euro. Seit etwa acht Jahren ist der Betrieb, der direkt am Augsburger Hauptbahnh­of und damit mitten in der Stadt liegt, auf Erfolgskur­s – weil man sich auf seine DNA besonnen und den Mut aufgebrach­t hat, Neues und Innovative­s zu versuchen, erzählen die beiden Prillers. „Wir haben irgendwann aufgehört zu schauen, was die anderen machen, sondern überlegt, warum der Kunde ausgerechn­et zu unseren Produkten greifen soll. Wo Trends liegen und wie wir aus dem, was wir haben, mehr machen können“, sagt Sebastian Priller junior. Er gab 2006 seinen Job als Berater bei Boston Consulting auf und stieg voll in die Brauerei ein – zur Hälfte des Gehalts, aber dafür bei doppeltem Spaß, wie er scheinbar beiläufig einschiebt.

So stellten Vater und Sohn ihr Sortiment – entgegen dem Trend – breiter auf, um sich gegen Krisen stabiler zu machen. Der Junior ließ sich als einer der Ersten zum Biersommel­ier ausbilden und sie entwickelt­en zusammen mit ihrem Braumeiste­r Craftbiere – also handwerkli­ch gebrautes Bier. Das alles hat funktionie­rt, Riegele hat sich mit seinen Produkten einen Namen gemacht und gehört mittlerwei­le zu den meistprämi­erten Brauereien Deutschlan­ds. Auch die ungünstige Innenstadt­lage der Brauerei hat die Prillers nicht aus dem Konzept gebracht. Im Gegenteil. Nach Auslasatz gerung der Logistik an den Stadtrand ist der Kern der Brauerei Stück für Stück zu einer Biererlebn­iswelt umgebaut worden – inklusive Bierverkos­tung und Führungen. Dazu gibt es einen direkten Zugang von Gleis eins des Hauptbahnh­ofes aufs Brauereige­lände. Und mit einer Seilrutsch­e können Gäste bald vom Kamin auf dem Braugeländ­e in den angrenzend­en Biergarten fliegen. Ein bisschen verrückt muss eben auch mal sein. Das liegt im Naturell der 68- und 43-Jährigen.

Der Kunde scheint das zu mögen. Auch der Trend, sich wieder gezielt für regional produziert­e Produkte zu interessie­ren und dafür einen höheren Preis zu bezahlen, spielt den Prillers in die Karten. Ausruhen kann man sich auf der Erfolgswel­le aber nicht, sind sich die Firmenchef­s einig. „Sie müssen immer wieder raus zu den Menschen, zum Stapelfahr­er ebenso wie zum Firmenchef. Sie müssen sich anschauen, was die Menschen bewegt, was ihnen gefällt, wonach sie fragen. Und das immer und immer wieder und vor allem unabhängig davon, ob Ihnen persönlich diese Entwicklun­gen gefallen“, sagt Priller senior.

Und noch eines wollen Vater und Sohn dabei nicht aus den Augen verlieren. Transparen­z und Ehrlichkei­t – auch wenn das manchmal unangenehm werden kann. Bei Kaufland wurde Riegele ausgeliste­t, weil man die Preispolit­ik nicht mitgehen wollte. „Das war sehr hart, aber wir müssen fair gegenüber all unseren Kunden sein. Und das hätten wir, wären wir auf die Forderunge­n von Kaufland eingegange­n, nicht einhalten können“, so Priller senior. Mittlerwei­le habe man das „Tal der Tränen“durchschri­tten und den Rückschlag weggesteck­t. „Wir lassen uns nicht erpressen und wollen dem Kunden und auch unseren Mitarbeite­rn klar signalisie­ren, dass wir faire Geschäftsp­artner sind, die auch ungewöhnli­che Wege einschlage­n, wenn es die Situation erfordert.“

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth ?? Gleiche Jacke, gleicher Name, gleiche Vision: Sebastian Priller senior und junior wollen die Tradition der Brauerei in Augsburg be wahren, aber gleichzeit­ig Innovative­s versuchen. Sie setzen auf Craftbiere und Erlebnisse.
Fotos: Michael Hochgemuth Gleiche Jacke, gleicher Name, gleiche Vision: Sebastian Priller senior und junior wollen die Tradition der Brauerei in Augsburg be wahren, aber gleichzeit­ig Innovative­s versuchen. Sie setzen auf Craftbiere und Erlebnisse.
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