Kahn routiniert, Kramer überrascht
Die Öffentlich-Rechtlichen überzeugen mit geballtem Fachwissen von mehreren Ex-Spielern und Trainern. Manche ecken an, manche nicht. Welche Rolle der DFB spielt
Die 82 Millionen MöchtegernBundestrainer haben es in diesen WM-Tagen schwer – auch, weil die deutsche Nationalelf längst wieder daheim ist. Zwischen den Spielen und in den Halbzeitpausen kann der Couch-Experte gar nicht richtig loslegen mit seiner eigenen Einschätzung, da haben ihm Oliver Kahn, Stefan Kuntz oder Thomas Hitzlsperger schon sachlich alle Argumente genommen.
So schlagen sich die Experten der öffentlich-rechtlichen Sender:
Eingespielt, routiniert und inzwischen weniger verkrampft ist Oliver Kahn, der Titan und Ex-Nationaltorhüter. Neben Moderator Oliver Welke beim ist er der Experte schlechthin. Kahn überzeugt auch durch kritische Anmerkungen. Damit eckt er manchmal an. Ein ganz anderer Typ ist Neuling Christoph Kramer. Der Spieler von Borussia Mönchengladbach und Weltmeister von 2014 überraschte das Publikum. Er lieferte eine andere Sichtweise auf die Spiele. Immerhin ist er als aktiver Profifußballer näher am Geschehen als Kahn. Leider auch deswegen musste er inzwischen schon wieder zur BundesligaVorbereitung nach Hause fliegen. Oft bewertete Kramer auch Aussetzer anders wie den Fehlpass von Toni Kroos im Schweden-Spiel. „Ich bin kein Fan davon, nur eine Szene zu beurteilen“, sagte Kramer nach der Partie. Zum Ausscheiden von Jogis Jungs äußerte sich der Gladbacher diplomatisch, aber auch etwas brav. Diese Harmlosigkeit fiel bei anderen TV-Experten ebenfalls auf.
Kuntz, Hitzlsperger und Weltmeister Philipp Lahm, der im vom Tegernsee zugeschaltet worden ist, bleiben oft unkritisch. Harte Kritik gegen die deutsche Mannschaft oder das Trainerteam fehlen meist komplett. Ein Grund dafür könnte die Verbindung mit dem DFB sein. Lahm ist EM-Botschafter des Verbands – er soll die EM 2024 nach Deutschland holen, Hitzlsperger Botschafter für Vielfalt, Kuntz U21-Nationaltrainer beim DFB. Dem eigenen Arbeitgeber Fehler vorzuwerfen – wer macht das schon?
Ähnlich wie Kramer ist auch Hannes Wolf neu unter den TVExperten. In der wirkte der ehemalige Trainer des VfB Stuttgart anfangs etwas angespannt. Während der WM taute er immer mehr auf. Ein TV-Experten-Veteran ist Trainer Holger Stanislawski. Bei den vergangenen Europaund Weltmeisterschaften streikte oft die Technik, wenn er seine ausgezeichneten Analysen präsentierte. Diesmal funktioniert das besser. Der ehemalige St. Pauli-Trainer ist locker, witzig und trotzdem kein Besserwisser.
Insgesamt banden die öffentlichrechtlichen Sender die Experten besser in die Sendungen ein. Manchmal aber vermisst der Zuschauer einen frechen und unkonventionellen Beobachter wie Mehmet Scholl. Der wird wohl die WM von der heimischen Couch kommentieren.