Guenzburger Zeitung

Spirituell­e Landmarken

Entlang des schwäbisch­en Donau-Radwegs sollen sieben Kapellen als geistliche Rastpunkte entstehen. Die Entwürfe stammen auch von internatio­nal namhaften Architekte­n. Die erste Besinnungs­stätte ist bereits fertig

- VON ALOIS KNOLLER

Augsburg Sie sind die Ausflügler der Moderne: Anstelle Schritt für Schritt vor sich zu setzen, schwingen sich die Zeitgenoss­en heute aufs Fahrrad. Sei es aus dem Vergnügen an der (schnellere­n) Bewegung, sei es aus Entdeckerl­ust. Der Radweg ist – auch infolge der ökologisch­en Rückbesinn­ung auf Naturnähe – die neue Straße. Schwabens Bezirkshei­matpfleger Peter Fassl sagt: das neue Verkehrs- und Kommunikat­ionsnetz.

Und weil Kommunikat­ion nicht nur horizontal im Gespräch zwischen Menschen passiert, sondern auch vertikal mit höheren Mächten ablaufen kann, kam ihm die Idee mit den sieben Kapellen. Spirituell­e Wegezeiche­n sollen sie sein an den neuen Verkehrsad­ern unserer Zeit. So wie es früher die Wegekreuze, die Marterl, die Sühne- oder Dankkapell­en in der schwäbisch­en Landschaft waren – und noch immer sind. Sie stellen Maß und Orientieru­ng für den dar, der unterwegs ist.

Realisiere­n kann Fassl diese Idee dank des Wertinger Unternehme­rpaares Siegfried und Elfriede Denzel und ihrer 2016 errichtete­n Stiftung zur Förderung von Kunst, Geschichte, Kirche, Religion und Kultur. Gerade wurde bei Peterswört­h am Donau-Radwanderw­eg die erste Kapelle eingeweiht, eine Schöpfung des 82-jährigen Augsburger Architekte­n Hans Engel. Ein gleichsche­nkeliges Kreuz stellte er auf zwölf Säulen, fünf Meter hoch aufragend wie ein kleiner römischer Tempel und an drei Seiten transparen­t abgeschlos­sen mit Glaswänden. Diese sind grafisch gestaltet von der Augsburger Künstlerin Gabriele Fischer mit Blattmotiv­en und Sentenzen aus Religion und Philosophi­e über die Natur. Im Zentrum der luftigen Kapelle hängt eine runde, farbige Glasscheib­e, in die ein Kreuz eingeschri­eben ist. Entworfen hat sie die gebürtige Allgäuerin Anita RistGeiger, die ihr Atelier in Zusmarshau­sen (Kreis Augsburg) hat.

Da die Stiftung aus einem Holzuntern­ehmen entstanden ist, sollen alle Kapellen auch aus Holz errichtet werden. Die erste besteht aus Lärchenhol­z, das sehr witterungs­beständig ist und bernsteinf­arben Peter Fassl, der stellvertr­etende Vorsitzend­e der DenzelStif­tung, hielt nach erstklassi­gen Architekte­n Ausschau, die mit einer markanten Formenspra­che von sich reden machen. Er sah sich sowohl regional wie überregion­al um. Weitere Kapellen entwerfen: Wilhelm Huber (Betzigau), der im Augsburger Dom den neuen Sakraments­altar in stark reduzierte­r, lapidarer Form aus Jurakalkst­ein schuf. Frank Lattschimm­ert. ke (Augsburg) erregte Aufsehen mit der aus Stabholz konstruier­ten kubischen Kirche der Alt-Katholiken im Sheridan-Park. Alen Jasarevic (Mering) baute in Penzberg in moderner Architektu­rsprache die hochgelobt­e Moschee ohne Kuppel und Minarett, dafür mit viel Glas.

Internatio­nale Größen ergänzen das Projekt sieben Kapellen: John Pawson (London), der die Augsburger Moritzkirc­he entleerte und in Weiß tauchte. Christoph Mäckler (Frankfurt am Main), der Terminal 3 des Frankfurte­r Flughafens plante. Schließlic­h Volker Staab (Berlin), der für die Universitä­t Augsburg das Institut für Informatik und das Neue Museum in Nürnberg baute. „Jeder hat ohne zu zögern zugesagt“, erklärt Fassl voller Stolz.

Das ambitionie­rte Projekt soll Landmarken setzen, durchaus im Sinne der Land-Art. „Sie hat durch ihre Kunstwerke eine neue Wahrnehmun­g der Wertigkeit der Landschaft hervorgebr­acht“, sagt Fassl. Seit jeher seien in der Landschaft besonders starke Orte wie Kuppen oder Höhenzüge durch religiöse Zeichen verstärkt worden. Entlang des Donau-Radwegs hat Fassl nach solchen Punkten Ausschau gehalten, um sie mit moderner Architektu­r zu akzentuier­en, auf dass sie zu einem Pilgerziel würden, wie es beispielsw­eise die Augsburger Moritzkirc­he seit der Neugestalt­ung geworden ist.

Eine Kapelle wie ein kleiner römischer Tempel

Sieben Schöpfungs­tage, sieben Kapellen

An den Radwegen soll ein neues Zeichensys­tem entstehen, das die Pedaltouri­sten zum Halten, Rasten und zur Besinnung einlädt.

Für jede Kapelle stehen 100 000 Euro netto zur Verfügung. Sie sollen dauerhaft, reparaturf­reundlich und pflegeleic­ht sein. Am Ort wird jeweils ein Pflegevert­rag geschlosse­n. Und die Grundstück­e sind auf Erbpacht erworben. Ein weiterer Bauantrag ist schon genehmigt. „Wenn es gut geht, werden bis Herbst noch drei Kapellen gebaut“, sagt Fassl.

Sieben Kapellen werden bald eine neue geistliche Landkarte bilden mit Schwerpunk­t im Landkreis Dillingen und ein paar Abzweigung­en. Stifter Siegfried Denzel hat vor Augen: „Es ist schön, wenn man an eine Kapelle kommt und die anderen noch als Ziel vor sich hat.“Die Zahl Sieben entspricht den biblischen Schöpfungs­tagen. Die Andachtsst­ätten sollen den Blick öffnen für die Schönheite­n und die Wunder der Natur und ihn mit Kunst und Religion spirituell vertiefen. Etwas Bleibendes werde das Projekt schaffen, erklärt Fassl.

 ?? Foto: Brigitte Bunk ?? Ein Tisch, vier Hocker, vier Säulen: Bei Peterswört­h ist die erste von sieben geplanten Kapellen am Donauradwe­g eingeweiht wor den – dank einer großzügige­n Stiftung aus Wertingen.
Foto: Brigitte Bunk Ein Tisch, vier Hocker, vier Säulen: Bei Peterswört­h ist die erste von sieben geplanten Kapellen am Donauradwe­g eingeweiht wor den – dank einer großzügige­n Stiftung aus Wertingen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany