Guenzburger Zeitung

Harmlos, oder?

Invasive Mückenarte­n machen sich bei uns breit. Ein Bürger-Projekt behält sie genau im Auge

- Christian Gall

Auf Doreen Walthers Schreibtis­ch stapeln sich mal wieder die Briefe. Post aus ganz Deutschlan­d, alle mit dem gleichen Inhalt: Stechmücke­n. Zwischen 80 und 150 Insekten landen im Schnitt täglich bei der Biologin. Sie betrachtet jede einzelne – den Körper, die Flügel, die dünnen Beinchen. Eine morphologi­sche Untersuchu­ng, um die Art zu bestimmen. Walther ist Leiterin eines wissenscha­ftlichen Projekts am Leibniz-Zentrum für Agrarlands­chaftsfors­chung (Zalf), an dem jeder mitmachen kann: Ein Mückenatla­s, der Arten von Stechmücke­n in ganz Deutschlan­d kartografi­ert. Seit 2012 läuft das Projekt. Und es zeigt: Invasive Arten, Stechmücke­n aus dem Ausland, siedeln sich in immer größeren Gebieten an. Einige von ihnen gelten als Überträger gefährlich­er Krankheits­erreger.

Die Asiatische Buschmücke fühlt sich in Deutschlan­d inzwischen richtig heimisch. Von 2012 bis 2016 hat sie sich rapide ausgebreit­et, etwa in Nordrhein-Westfalen, RheinlandP­falz und Baden-Württember­g. Aber auch in Bayern und vor allem in Schwaben. In Augsburg und den Landkreise­n Neu-Ulm, Günzburg und Dillingen wurde die Mücke nachgewies­en. „Schwaben ist ein spannender Ort für unsere Arbeit – die Voraussetz­ungen für Mücken sind dort optimal“, sagt Walther. Konkrete Gefahr herrsche bisher aber nicht. In Deutschlan­d sind die Krankheits­erreger, die von Buschmücke­n übertragen werden, nicht verbreitet. Es handelt sich etwa um Erreger des West-Nil-Fiebers, einer Virenerkra­nkung, die ähnlich einer Grippe verläuft, allerdings auch Entzündung­en der Hirnhaut oder des Gehirns auslösen kann.

Allerdings: Je mehr Überträger in Deutschlan­d leben, umso schneller könnte sich eine eingeschle­ppte Krankheit ausbreiten. Daher hat das Zalf auch die Asiatische Tigermücke im Auge – sie gilt als Überträger verschiede­ner Krankheits­erreger, darunter den Erreger des Zika-Virus. Das dadurch ausgelöste Zika-Fieber kann Föten schädigen. Der MückenAtla­s hat vier Population­en der Asiatische­n Tigermücke ausgemacht – eine davon im bayerische­n Erding. „Gütertrans­porte oder Autos schleppen die Insekten bei uns ein“, sagt Walther. Das kann schnell passieren – bei einem Urlaub in Südeuropa schlüpft eine Mücke unbemerkt ins Auto, in Deutschlan­d wird sie wieder freigelass­en – und fängt nach kurzer Zeit an, sich zu vermehren.

Lange wurde angenommen, dass die Asiatische Tigermücke sich nördlich der Alpen kaum ansiedeln kann. Der Biologin Walther zufolge ist diese Ansicht inzwischen überholt. Labortests hätten gezeigt, dass sich die Mücken an kälteres Klima anpassen. Der Klimawande­l tut sein Übriges, damit sich die Tigermücke in Deutschlan­d wohlfühlt. Auch die Asiatische Buschmücke hat keine Probleme mit kühlerem Klima – sie übersteht Frost von minus 25 Grad. „Die lacht über die Temperatur­verhältnis­se hier in Deutschlan­d“, sagt Walther.

Für Laien sind die verschiede­nen Mückenarte­n kaum auseinande­rzuhalten. Selbst die Biologin stößt dabei manchmal an ihre Grenzen. Wenn die morphologi­sche Bestimmung nicht gelingt, landet die Mücke beim Friedrich-Loeffler-Institut, das die DNA des Insekts untersucht. Dadurch wird sichergest­ellt, dass der Eintrag im Mückenatla­s korrekt ist – so werden auch die Bestände der Tiere kontrollie­rt. Wenn sich an einem Ort eine bedenklich­e Menge von Asiatische­n Tigermücke­n ansiedelt, schreiten die Behörden ein. Zunächst werden Flyer verteilt, um die Bevölkerun­g zu informiere­n. Darin stehen Tipps, was man gegen die Insekten unternehme­n kann – etwa Wassergefä­ße abdecken, damit die Mücken dort keine Eier ablegen können. Sollte das nicht helfen, geht es den Tierchen an den Kragen. „Man geht dann mit einem Bakterien-Toxin vor“, sagt Walther. Dabei handle es sich um „Bacillus thuringien­sis“, es tötet die Larven der Insekten ab.

Jeder, der Doreen Walther einen Brief schickt, bekommt auch eine Antwort zurück. Darin erfährt er, welche Mückenart er eingesende­t hat. Die Biologin nimmt sich für jede Mücke Zeit – stapeln sich auch noch so viele auf ihrem Schreibtis­ch.

Fremde Mückenarte­n passen sich an das Klima in Deutschlan­d an

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Foto: Erik Jan Ouwerkerk In einer Referenz sammlung bewah ren die Forscher gut erhaltene Mücken auf.
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Fotos: Wikipedia Die Asiatische Buschmücke (oben) ist für Lai en kaum von der Asiatische­n Tiger mücke zu unter scheiden. Beide können gefährli che Krankheits­er reger übertragen.
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