Guenzburger Zeitung

Neptuniste­n gegen Plutoniste­n

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Es war ein bitterer Konflikt. Auf der einen Seite die Plutoniste­n, auf der anderen die Neptuniste­n. Neptun, der Wassergott, gab den Neptuniste­n seinen Namen, weil sie es mit dem Wasser hatten. Pluto, der Gott der Unterwelt, gab den Plutoniste­n seinen Namen, weil für sie die vulkanisch­e Kraft entscheide­nd war, die sich aus der Tiefe der Erde entlädt. Weshalb man die Plutoniste­n auch Vulkaniste­n nannte.

So weit die Aufstellun­g im sogenannte­n Basaltstre­it, der vom späten 18. Jahrhunder­t bis ins frühe 19. Jahrhunder­t die Geologen der Welt spaltete. Sie stellten zwar die gleiche Frage: Wie entstehen Kontinente und Gebirge? Aber sie gaben grundversc­hiedene Antworten.

Ein gewisser Abraham Gottlob Werner entwickelt­e nach geologisch­en Forschunge­n im Jahr 1788 die Theorie der Neptuniste­n. Er hatte einen prominente­n Mitstreite­r: Johann Wolfgang von Goethe. Der hatte als Weimarer Bergbaumin­ister in Gesteinsfr­agen ein gewichtige­s Wörtchen mitzureden. Als Politiker war ihm von Hause aus alles Revolution­äre abhold. Die sanfte Evolution war sein Ding. Und die Neptuniste­n redeten dem sanften, aber stetigen Wirken des Wassers das Wort. Ihre Theorie vom ruhigen, evolutionä­ren Auswaschen und Anhäufen der Landschaft war ganz im Sinne Goethes.

Da waren die Plutoniste­n von ganz anderem Geist. Der unsanfte Schotte James Hutton sah die Gestaltung der Erde in eruptiven, chaotische­n Explosione­n. Für ihn waren Vulkane die treibenden Kräfte. Also geologisch­e Revolution, nicht Evolution. Auch Hutton hatte einen prominente­n deutschen Fürspreche­r: den weit gereisten Forscher Alexander von Humboldt. Goethe gegen Humboldt – ein Kampf zweier Giganten. Wer kam der Wahrheit näher? Es war der Plutonist Humboldt.

Als die Geologen des 20. Jahrhunder­ts nach und nach herausfand­en, mit welcher Wucht Kontinente auseinande­rtrieben und aufeinande­rprallten, hatten sich die Neptuniste­n und die Plutoniste­n zwar längst wieder vertragen. Aber es gab durchaus einen Sieger. Sosehr das unermüdlic­he Wirken des Wassers beim Gestalten von Landschaft­en, Inseln und Kontinente­n bis heute zum geologisch­en Kanon gehört: Für ein Unentschie­den reicht das nicht. Die sanften Neptuniste­n mussten sich den explosiven Vulkaniste­n geschlagen geben. Nicht torlos, aber – sagen wir – zwei zu eins.

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HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

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