Die Reise nach Jerusalem
Emilia Gaffrey aus Günzburg arbeitet in Israel mit behinderten Menschen. Warum es ihr dort so gut gefällt und mit welchen Entscheidungen sie zu kämpfen hat
Günzburg Niemals hätte Emilia Gaffrey gedacht, dass die Wahl ihres P-Seminars ihr weiteres Leben so sehr beeinflussen würde: Seit September leistet Emilia ihr Freiwilliges Soziales Jahr nun bei der Aktion Sühnezeichen ab – und das nicht etwa in der Nähe ihres Heimatortes Günzburg, sondern im knapp 4000 Kilometer entfernten Israel. Wie es dazu kam? 2016 flog die 20-Jährige mit neun Mitschülerinnen und Seminarleiter Steiger nach Israel.
Doch die Reise war keineswegs eine gewöhnliche Touristentour; durch die Kontakte des Seminarleiters im Land lernten die Mädchen viel mehr über das Land, als es ein gewöhnlicher Reisender tun würde. Treffen mit Überlebenden des Holocausts, Workshops und Zeitzeugengespräche – unter anderem mit Itzhak Belfer, dem letzten Überlebenden aus Janusz Korczaks Waisenhaus – prägten die Reise der Schülerinnen. Von Norden nach Süden führte die etwas andere Klassenfahrt. Emilia war begeistert. Fasziniert erklärt sie, dass sie vor allem die Gegensätze des Landes beeindrucken: „Auf der einen Seite sieht man Tel Aviv, eine weltliche, pulsierende Stadt – und nur wenige Kilometer weiter steht im Gegensatz dazu das historische Jerusalem.“Das Land ist geprägt von Wüste und Meer, aber auch von grünen Landschaften. Emilia beschreibt den Lebensstil, den sie dort erlebt, als „lockerer“im Vergleich zu Deutschland. Emilia verrät: „Das Leben hier ist einfach bunter!“
Nach der Heimkehr der Seminarreise ist sich Emilia sicher: Dahin will sie wieder zurück. Über das Internet wird sie auf die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste Israel aufmerksam und ist sofort begeistert. Nur wenige Monate später beginnen die ersten Vorbereitungen für die nächste große Reise: Ein soziales Praktikum in Augsburg und ein Bewerbungsverfahren der Organisation in Berlin sind erste Schritte, um ihrem Traum Israel näher zu kommen. Im März 2017 erhält sie dann die Zusage. Vor es allerdings nach Israel, genauer Naharija, geht, nimmt die junge Frau an einem Workshop – nochmals in Berlin – teil, der sie und andere Teilnehmer auf die bevorstehende Arbeit im Land vorbereitet.
In Israel angekommen wird sie schnell in ihre Arbeit eingelernt. Sie betreut ein Kombiprojekt. Bis zu 40 Stunden pro Woche arbeitet sie mit körperlich behinderten Erwachsenen im Alter von 20 bis 35 Jahren und hilft ihnen dabei, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. Emilia hilft ihnen, sich zu waschen und zu kochen, gibt ihnen aber auch Englisch- und manchmal sogar Deutschunterricht. „Die Verständigung ist nicht immer einfach. Die meisten sprechen nur sehr wenig Englisch oder nur Hebräisch.“
Auch ist es für sie manchmal schwierig zu entscheiden, wann die Menschen Hilfe brauchen und wann nicht – darunter kann auch mal die Geduld leiden. „Man muss sich entscheiden: Ist es jetzt wichtiger, dass es schnell geht, weil wir zum Beispiel zu einem Termin müssen, oder soll man sie es lieber selber machen lassen?“Trotz kleiner Hürden meistert Emilia ihre Aufgaben aber gut und hat viel Freude daran: „Es ist schön zu sehen, wenn man den Menschen zu ihrer Eigenständigkeit verhelfen kann. Dabei entsteht eine Art Erfolgsgefühl und man wird sich bewusst, wie wichtig die Arbeit ist“.
Trotz ihrer 40-Stunden-Woche und Hausarbeiten, die zu erledigen sind, hat Emilia noch viel Zeit, an den Wochenenden etwas zu unternehmen: „Da wir in guter Entfernung zu vielen Sehenswürdigkeiten und größeren Städten wohnen, sind wir jedes Wochenende unterwegs und können viel sehen. Wir unternehmen viele Reisen, zum Beispiel nach Tel Aviv“, schwärmt die 20-Jährige.
Der zweite Teil des Projekts umfasst die soziale und psychische Betreuung von Holocaustüberlebenden. Emilia macht Hausbesuche, hilft aber auch bei einem Seniorenklub, bei dem Lesungen und Vorträge zum Thema stattfinden. Emisehr lia ist beeindruckt von der Offenheit, die sie im Land erfährt: „Von meiner Gruppe wurde ich sofort herzlich aufgenommen. Alle sind sehr bemüht, dass man sich wohlfühlt!“Noch bis Ende August wird Emilia in Israel bleiben. Ihre Erfahrungen zeigen ihr aber schon jetzt, dass sie nach ihrem FSJ weiter im sozialen Bereich arbeiten will – wo genau weiß sie noch nicht. Aber eines ist sicher: Ihre Erfahrungen aus Israel werden sie immer begleiten.