Das Ende der Ehe war der Anfang des Stalkings
Eine 50-Jährige aus dem Landkreis hat ihrem Exmann über Jahre nachgestellt. Warum der Richterin der Kragen platzt
Günzburg Stalking, zu deutsch Nachstellung, ist eine Straftat, die erst in jüngerer Zeit als solche erkannt und geahndet wird. Mit der Novellierung der entsprechenden Paragrafen kann heute, so Richterin Franziska Braun, ein Stalker auch dann verurteilt werden, wenn seine Taten den Geschädigten nicht wesentlich in seiner Lebensgestaltung beeinträchtigen, es reicht bereits, wenn das Verhalten des Stalkers dazu geeignet ist. Das, so die Richterin, hilft vor allem Nachstellungsopfern, die ein gewisses Maß an Resistenz gegen Stalking zeigen.
Grund für ihre Ausführungen war der Fall einer 50-Jährigen aus dem Landkreis Günzburg, die ihrem ExMann über Jahre nachstellt. Zwar, so billigten Staatsanwaltschaft und Gericht der Angeklagten zu, sei die Trennung nach 30 Jahren Ehe wohl nicht in Frieden und harmonisch zu Ende gegangen, der Ehemann hatte nach Aussagen der Angeklagten jede Erklärung für seine Abwendung verweigert, doch darf dies nicht dazu führen, den Expartner dauerhaft zu verfolgen und zu belästigen.
Die Frau war nicht zum ersten Mal wegen ihres Fehlverhaltens vor Gericht. Zu einem früheren Zeitpunkt kam es zu einer Verurteilung wegen Hausfriedensbruch. Außerdem hatte nach unzähligen SMS (über eintausend) Mails, Anrufen und ständigem Auftauchen vor seinem Haus der Exehemann im vergangenen Jahr im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes ein Verbot erwirkt, das seiner geschiedenen Frau untersagte, sich seinem Anwesen auf 200 Metern zu nähern oder in Kontakt mit ihm zu treten, und ihr auferlegte, sich bei Zufallsbegegnungen zurückzuziehen. Der Beschuss wurde ihr im Dezember zugestellt und galt für ein halbes Jahr.
Nach Aussage des Stalkingopfers habe zwar zunächst die Menge der Belästigungen abgenommen, sich aber im Laufe der Zeit wieder gesteigert. Da er den Gerichtsbeschluss für wenig nützlich befand, hatte er eine Verlängerung nicht beantragt. Überhaupt, so erklärt der Geschädigte, habe seine Exfrau viel Umsicht gezeigt bei den Nachstellungen. „Sie hat immer rechts und links geschaut, ob jemand sie beobachten könnte.“
Doch im Februar, als der Beschuss noch wirksam war, erstattete er schließlich Anzeige, nachdem seine ehemalige Frau mit ihrem Hund auf dem Gehweg kehrt gemacht hatte und ihn, der gerade nach Hause fuhr, bis zu seinem Anwesen verfolgte, wo sie zwanzig Minuten auf der gegenüberliegenden Seite stehen blieb und hinüberstarrte. „Als die Polizei kam, war sie allerdings wieder weg.“Die Polizistin, die danach mit der Stalkerin sprach, fand eine völlig uneinsichtige Frau vor, die die Konsequenzen des Gerichtsbeschlusses in keiner Weise einsah.
Von März 2017 an hat das Stalkingopfer die Begegnungen und Belästigungen dokumentiert. Sie füllen einen dicken Ordner, und der Vertreter der Staatsanwalt hatte lange zu tun, all die Belästigungen aufzuführen, die mit Art, Datum und Uhrzeit vorlagen. An manchen Tagen tauchte die Frau mehrmals auf. In der Mehrzahl waren es Fahrten mit dem Auto am Haus des Geschädigten vorbei, allerdings entweder im Schritttempo oder mit aufheulendem Motor, mit Standpausen an der Einfahrt, gepaart mit Beschimpfungen oder Gebrüll. Manchmal passierte sie hupend oder winkend das Haus. Auch vor dem Haus der neuen Freundin ihres Ex tauchte die Frau auf, bremste ohne verkehrsbedingten Grund ab und starrte auf die Terrasse. Dazu kamen die Spaziergänge mit ihrem Hund, den sie, nach eigenen Aussagen, täglich in der Gegend ausführt. Da ihre Mutter in großer Nähe zu ihrem Exmann wohnt, sei sie natürlich immer an seinem Haus vorbei gekommen, argumentierte die Angeklagte. Richterin Franziska Braun entnahm einem Ortsplan allerdings, dass die Angeklagte durchaus das Haus des Ex hätte meiden können, zwei alternative Routen führen zum Haus ihrer Mutter ohne beim Ex vorbeizukommen.
Das wollte die 50-jährige nicht einsehen. Der eine Weg sei viel zu schmal, dort wären auch Kinder unterwegs, der andere führe um den ganzen Ort herum, was ihr zu weit ist. Zu den einzeln besprochenen Belästigungen führte sie allerlei vermeintliche Erklärungen an, ergriff ungefragt das Wort, sprach mit einem Zuschauer, den sie kannte, um schließlich den Spieß umzudrehen und den Exmann als Stalker zu zeihen, da dieser sie mit seinen Aufzeichnungen ja verfolgt habe und sie ausspioniere. Als sie schließlich gar dem Staatsanwalt während seines Plädoyers ins Wort fiel, platzte Franziska Braun der Kragen. Nach einer ersten Ermahnung drohte sie der uneinsichtigen Angeklagten offiziell an, sie für den Rest der Verhandlung in eine Gerichtszelle verbringen zu lassen.
Die Staatsanwaltschaft forderte für die Nachstellungen und den Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetzes eine Gesamtstrafe von zehn Monaten Freiheitsentzug ausgesetzt
Sie verschickte mehr als 1000 Mails und unzählige SMS
20 Minuten lang starrte sie unbewegt auf sein Haus
Die Angeklagte soll die Zeit nutzen, um ihr Leben zu ändern
zur Bewährung und eine Geldbuße von 1000 Euro. Eine Strafe sei schwierig, da die Vorgeschichte in der Beziehung der Eheleute zu sehen sei, die von der Frau wohl nicht bewältigt sei. Doch dies dürfe nicht dauerhaft zu einem Fehlverhalten führen. Schließlich sind die Eheleute seit fast fünf Jahren auseinander. Es müsse ein Schlussstrich gezogen werden, forderte die Anklage. Das sah auch Richterin Franziska Braun so, die der Angeklagten nahelegte, die Chance, die das Gericht ihr einräume, da es die verhängte siebenmonatige Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetze, zu nutzen, um ihr Leben umzugestalten. Dazu sei sie noch jung genug.
Das Gericht erkenne zwar die belastende Situation für die Angeklagte an, deren Mann das Gespräch über die Trennung verweigert, doch sie müsse erkennen, dass eine Erklärung nicht erzwingbar sei, und es Fragen gebe, auf die es keine Antworten gibt. Über die Freiheitsstrafe hinaus, wurde die Angeklagte zu einer Geldauflage in Höhe von 1000 Euro verurteilt und einem Kontaktverbot, das für einen Umkreis von 200 Metern um das Haus des Geschädigten gilt, mit Ausnahme des Anwesens der Mutter, zu dem sie über den Umweg fahren muss.
Überdies erhielt die Stalkerin auch noch eine sofort spürbare Strafe: Da sie einen Großteil ihrer Belästigungen mit dem Auto ausgeführt hatte, erhielt sie ein zweimonatiges Fahrverbot.