Guenzburger Zeitung

Einwohner von Vittel kämpfen um ihr Wasser

Der Grundwasse­rspiegel der Gemeinde in den Vogesen sinkt. Doch Nestlé will die Produktion seiner Marke nicht herunterfa­hren. Für die Bürger soll nun eine Pipeline in den Ort verlegt werden

- France Bleu. Murielle Kasprzak, afp

Épinal Wer Vittel hört, denkt an Wasser. Vittel ist aber nicht nur eine internatio­nale Marke mit rotem Etikett, sondern auch eine 5000-Einwohner-Gemeinde in den französisc­hen Vogesen. Deren Bürger liefern sich einen erbitterte­n Kampf mit dem Schweizer Konzern Nestlé Waters, nach eigenen Angaben weltweit die Nummer eins bei abgefüllte­m Wasser. Es geht darum, wem das immer knapper werdende Grundwasse­r von Vittel gehört: den Menschen oder dem Unternehme­n.

„Nestlé hat den Kampf ums Wasser gewonnen“, titelten französisc­he Medien vor einigen Wochen. Grund war eine Entscheidu­ng der örtlichen Wasserkomm­ission. Die Vertreter von Staat und Gemeinden votierten trotz des Protests von vier Umweltverb­änden für den Bau einer Pipeline. Sie soll künftig die VogesenOrt­e Vittel, Contrexévi­lle und Bulgnévill­e mit Trinkwasse­r aus 15 Kilometern Entfernung versorgen.

Dabei haben Vittel und die beiden anderen Gemeinden eine eigene Quelle – doch die wird seit den 60er Jahren von Nestlé für seine Marke Vittel genutzt. Dadurch sinkt der Grundwasse­rspiegel stetig. Zum Ausgleich will Nestlé nun die Pipeline mitfinanzi­eren, deren Kosten auf acht bis 17 Millionen Euro geschätzt werden. Im Gegenzug darf der einflussre­iche Konzern weiter das Vittel-Wasser in Plastik- oder Glasflasch­en abfüllen.

„Man kann es Nestlé nicht erlauben, eine Ressource zu kaufen, die allen gehört“, empört sich JeanFranço­is Fleck, der Vorsitzend­e des regionalen Umweltverb­ands Vosges Nature Environnem­ent. „Man nimmt unseren Nachbarn das Wasser weg, damit wir hier trinken können“, kritisiert auch René-Lise Rothiot vom Verband Eau 88 im Regionalse­nder „Das ist ökologisch völlig unverantwo­rtlich.“

Auch Kommunalpo­litiker kritisiere­n die Entscheidu­ng: „Das ist eine Entscheidu­ng, die nur Nestlé Waters nützt“, sagte Christine Vauzelle, Bürgermeis­terin des 600-Einwohner-Ortes Charmois-l’Orgueilleu­x, der Wasser für Vittel liefern soll. Den langfristi­gen Schaden hätten zukünftige Generation­en. „Man sagt uns, dass es immer Wasser geben wird, aber wer garantiert uns das?“, fragt die Bürgermeis­terin.

„Wir bei Nestlé sind der festen Überzeugun­g, dass der Zugang zu Wasser ein grundlegen­des Menschenre­cht ist“, wird Verwaltung­sratspräsi­dent Paul Bulcke auf der Konzern-Webseite zitiert. Die Gegner des Pipeline-Projekts zweifeln an den hehren Motiven des Konzerns – auch wenn Nestlé versproche­n hat, dass die Wasserrech­nung für die Bürger durch die neue Leitung nicht steigt. Nestlé-Regionalch­ef Christophe Klotz verweist zudem darauf, dass der Konzern 14 Millionen Euro Steuern für die Nutzung der Mineralwas­ser-Quelle zahlt. Zudem gebe er rund tausend Menschen in den Vogesen Arbeit. Die Produktion zurückzufa­hren sei keine Option. Derzeit zapft Nestlé jährlich 750 Millionen Liter Wasser in den Vogesen ab. Die Bürger Vittels hoffen nun auf die Justiz: Diese ermittelt, weil die Behörden Nestlé womöglich zuungunste­n der Bevölkerun­g bevorzugte­n.

Die frühere Vorsitzend­e der Wasserkomm­ission, Claudie Provost, steht im Verdacht eines Interessen­konflikts, weil ihr Mann früher bei Nestlé Waters arbeitete. Der Verband Eau 88 hofft, dass die Justiz alle Entscheidu­ngen zugunsten von Nestlé seit 2016 nachträgli­ch kippt.

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Foto: Jean Christophe Verhaegen, afp Nestlé Waters füllt im Jahr 750 Millionen Liter Vittel ab. Die Einwohner der Gemeinde bekommen ihr Wasser aus anderen Orten.

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