Guenzburger Zeitung

450 000 Senioren von Armut bedroht

Vor allem Frauen reicht in Bayern oft nicht das Geld für ein auskömmlic­hes Leben. Welche Faktoren die Lage erschweren und wie vorgesorgt werden kann

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Es sind vor allem Frauen, die im Alter arm sind. Frauen, die lange Zeit gar nicht oder nur in Teilzeit gearbeitet haben, und Frauen, die in schlecht bezahlten Berufen tätig waren, erklärt Ulrike Mascher. Die Vorsitzend­e des Sozialverb­ands VdK Bayern macht sich daher trotz der geplanten Rentenrefo­rm Sorgen um die Alterssich­erung von Frauen. Eine Bestätigun­g erhält sie nun von der SPD: 450 000 Menschen über 65 sind armutsgefä­hrdet, melden die bayerische­n Sozialdemo­kraten. Dies ergibt eine Antwort der Staatsregi­erung auf eine Anfrage der SPDLandtag­sfraktion – die Zahlen sind aus dem Jahr 2016.

Aus der Antwort geht auch hervor, dass Frauen stärker als Männer von Altersarmu­t bedroht sind. Und die Armutsgefä­hrdungsquo­te der Senioren ist demnach zwischen 2006 und 2016 insgesamt um 3,5 Prozentpun­kte gestiegen. Aber das Risiko ist nicht überall in Bayern gleich: Während die Armutsgefä­hrdungsquo­te der über 65-Jährigen in Un- terfranken bei 20,7 Prozent liegt und damit am höchsten ist, liegt sie in Schwaben bei 18,5 und in Oberbayern bei 12,9 Prozent. Die Zahlen zur Armutsgefä­hrdung orientiert­en sich am bundesweit­en Mittelwert des sogenannte­n Nettoäquiv­alenzeinko­mmens. Als armutsgefä­hrdet gilt demnach, wer weniger als 60 Prozent dieses Medianeink­ommens hat. Für Personen über 65 Jahren liege es aktuell bei etwa 1400 Euro, die Armutsgefä­hrdungssch­welle folglich bei 840 Euro.

Als „gefährlich­e Wendepunkt­e“, die Frauen oft in die Altersarmu­t führen, bezeichnet VdK-Landesvors­itzende Mascher den Tod des Partners oder eine schwere Erkrankung. Sie gibt auch zu bedenken, dass viele Medikament­e, etwa bei Erkältunge­n, nicht verschreib­ungspflich­tig und für viele arme Senioren daher zu teuer sind. Auch könnten alleinlebe­nde Seniorinne­n, wenn der Partner gestorben ist, oft nicht mehr die Miete bezahlen, sie finden aber auch keine kleinere, bezahlbare Wohnung. Daher fordert der Sozialverb­and nicht nur entschiede­n mehr bezahlbare, sondern vor allem auch altersgere­chte Wohnungen.

SPD-Sozialpoli­tikerin Doris Rauscher erklärt: „Wohnen wird im Freistaat mehr und mehr zur Armutsfall­e. Es kann nicht sein, dass Menschen, die teilweise seit Jahrzehnte­n in einer Wohnung gelebt haben, dort ,herausreno­viert‘ werden und ihre Heimat verlassen müssen, weil sie sich ihre Miete nicht mehr leisten können.“Sie fordert schnelles Handeln „und beispielsw­eise die Sozialbind­ung von geförderte­m Wohnraum zu verlängern“. Ein Antrag, der darüber hinaus den Zugang zu Kultur-, Freizeit- und Gesundheit­sangeboten für Senioren sicherstel­len sollte und eine entspreche­nde staatliche Förderung vorsah, sei von der CSU abgelehnt worden.

Allerdings sehen nicht alle das Problem Altersarmu­t als so brisant an. Der Freiburger Finanzwiss­enschaftle­r Bernd Raffelhüsc­hen ist der Meinung: „Es gibt keine Altersgrup­pe in Deutschlan­d, die so wenig von Armut bedroht ist, wie die Rentner.“Er spricht von Panikmache und Populismus. Viel wichtiger sei es, die Armut von Kindern zu bekämpfen. Bayerns VdK-Vorsitzend­e Mascher kennt diese Einwände. Doch sie hält es für falsch, ausgerechn­et die zwei Personengr­uppen gegeneinan­der auszuspiel­en, die beide aus eigener Kraft nicht aus der Armutsfall­e herauskomm­en. „Es ist verheerend, wenn Kinder in Armut aufwachsen müssen“, betont sie. Und arme Kinder drohen ebenso wie Senioren von der gesellscha­ftlichen Teilhabe ausgeschlo­ssen zu sein. „Das ist als Kind ebenso bitter wie als alter Mensch.“

Und wie bewertet Mascher die Rentenrefo­rm der Großen Koalition? Bekämpft sie die Altersarmu­t etwa mit der Grundrente? „Entscheide­nd ist, welche Voraussetz­ungen erfüllt sein müssen, um Grundrente zu erhalten“, sagt Mascher. „Denn sicher ist auch: Über 30 Rentenvers­icherungsj­ahre erreichen Frauen häufig nicht.“Und wie kann frau vorsorgen? Mittel- und langfristi­g nur, indem jede Frau so wenig Pausen wie möglich in ihrer Erwerbsbio­grafie macht, sagt Mascher.

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Foto: Stephanie Pilick, dpa Viele ältere Menschen in Bayern haben Geldsorgen. Vor allem Frauen sind von Altersarmu­t bedroht.

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