Es bleibt in der Familie
Präsident Recep Tayyip Erdogan hat gerade erst seine große Macht gesichert und sogar noch erweitert. Nun baut er seinen Schwiegersohn als Nachfolger auf
Ankara Seit dem Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor einem Monat wird immer deutlicher, dass der 64-Jährige seinen Schwiegersohn Berat Albayrak als Nachfolger aufbaut. Albayrak erhielt nicht nur den einflussreichen Posten des Finanzministers, sondern auch einen Platz im Obersten Militärrat, der hohe Ämter in den Streitkräften vergibt. Die dynastischen Überlegungen sind allerdings selbst im Regierungslager umstritten. Zudem steht der 40-jährige Albayrak angesichts wachsender Wirtschaftsprobleme vor schwierigen Entscheidungen, mit denen er sich bei seinem Schwiegervater unbeliebt machen könnte.
Bisher hat es in der Türkei nur vereinzelte Ansätze für einen politischen Erbschaftsadel gegeben: Erdal Inönü, sozialdemokratischer Premier und Vizepremier in den 1990er Jahren, war Sohn von Ismet Inönü, dem zweiten Präsidenten der Republik und wichtigsten Vertrauten von Staatsgründer Atatürk. Trotz seines hohen Ansehens spielte Erdal Inönü politisch keine große Rolle.
Bei Albayrak ist das anders. Einige Beobachter glauben, dass Erdogan insbesondere seit dem Schock des Putschversuches von 2016 dazu tendiert, seiner eigenen Familie mehr zu vertrauen als Vertretern der Partei oder der Bürokratie. Kritiker werfen Erdogan ohnehin vor, sich als „Sultan“aufzuspielen. Auch bei den osmanischen Herrschern war die Macht erblich.
Innerhalb des Familienclans hat sich Albayrak gegen einige Kinder Erdogans durchgesetzt. Präsidententochter Sümeyye, 32, begleitete ihren Vater auf vielen Auslandsreisen und fungierte hin und wieder als Übersetzerin bei politischen Gesprächen. Seit ihrer Hochzeit und der Geburt ihres ersten Kindes im vergangenen Jahr ist Sümeyye jedoch nur noch selten zu sehen.
Sümeyyes Bruder Burak, 38, meidet die Öffentlichkeit ebenfalls – aus gutem Grund. 1998, als sein Vater Istanbuler Oberbürgermeister war, fuhr Burak Erdogan eine Frau tot und wurde von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Ein Gutachter gab damals jedoch dem Opfer die Schuld – und wurde prompt mit einem hohen Beamtenposten belohnt.
Anders als Burak tritt Erdogans zweiter Sohn, Bilal, häufig in der Öffentlichkeit auf; er hat sich unter anderem der Förderung traditioneller Sportarten wie dem Bogenschießen verschrieben. Doch Bilals Ruf leidet bis heute unter Mitschnitten von Telefongesprächen mit seinem Vater, die 2013 bekannt wurden: Damals wies Erdogan seinen Sohn angeblich an, illegal angehäuftes Bargeld beiseitezuschaffen. In den Mitschnitten wirkte Bilal hilflos.
Albayrak ist mit der ErdoganTochter Esra verheiratet, die nie po-
Ambitionen hegte. Ihr Mann dagegen hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt: Seit 2015 ist der frühere Manager türkischer Energieminister und Parlamentsabgeordneter der Erdogan-Partei AKP. Bei internationalen Organisationen heißt es, Albayrak habe viel Einfluss auf seinen Schwiegervater. In seinem neuen Amt als Finanzminister muss Albayrak unter anderem gegen die hohe Inflation und den starken Wertverlust der türkischen Lira angehen. Beobachter sind gespannt, wie der junge Minister das anstellen
will: Sein Schwiegervater ist ein erklärter Feind von Zinserhöhungen, die zur Inflationsbekämpfung und zur Stärkung der Währung nötig wären. Albayrak riskiert also Krach mit seinem Mentor, wenn er entschlossen handelt. Zudem droht dem „Schwiegersohn“, wie Albayrak allseits genannt wird, Konkurrenz von Innenminister Süleyman Soylu, der sich ebenfalls Hoffnungen auf Erdogans Erbe macht. Laut Presseberichten sind sich Albayrak und Soylu in gegenseitiger Abneigung verbunden – der Schwiegersohn soll dem Innenmilitische
nister gesagt haben, er wolle nicht mehr mit ihm zusammen fotografiert werden.
Selbst wenn Albayrak seinen Rivalen Soylu in die Schranken weist, ist der Erfolg des Erdogan’schen Familienmodells nicht sicher. Der frühere Pentagon-Mitarbeiter Michael Rubin verglich Berat Albayrak und Bilal Erdogan einmal mit den Söhnen der früheren Staatschefs von Libyen und Ägypten, Muammar Gaddafi und Hosni Mubarak: In beiden Fällen seien Söhne als künftige Herrscher aufgebaut worden – daraus geworden ist nichts.