Guenzburger Zeitung

Der Landwirtsc­haft fehlt der Frühling

Im Februar noch tiefer Winter, im April bereits Sommertemp­eraturen. Die Bewirtscha­ftung der Felder wird nicht einfacher. Zahl der Bauern im Nebenerwer­b wächst

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Burtenbach Wie sind die Ernteaussi­chten dieses Jahr? Das will das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) vor Ort herausfind­en. Dazu treffen sich Mitarbeite­r der Behörde mit Vertretern des Bauernverb­andes und Landwirten auf einem Hof. In diesem Jahr war der Burtenbach­er Ernst Bommer, ein Landwirt im Nebenerwer­b, Gastgeber. Seine Spezialitä­t: Er hat mehrere Hektar seiner 65 Hektar bewirtscha­fteten Flächen mit Blühpflanz­en besät und bietet damit Bienen und Insekten Lebensraum. In dieser Arbeit kooperiert er mit Brigitte Weilbach, die als Nebenerwer­bsimkerin auf die Zusammenar­beit mit ökologisch verantwort­lich arbeitende­n Bauern angewiesen ist.

Die Wahl eines Nebenerwer­bslandwirt­s, dessen Betrieb vorgestell­t wurde, passt in die agrarische Struktur des Landkreise­s, erläuterte der Veranstalt­er, Reinhard Bader. Der stellvertr­etende Schachbere­ichsleiter am AELF sprach von einer deutlichen Tendenz: Während die Betriebsau­fgaben mit 14 im vergangene­n Jahr einen seit knapp zehn Jahren deutlich gebremsten Abwärtstre­nd zeigen (minus ein Prozent), ist die Umwandlung von Haupt- zu Nebenerwer­b massiv spürbar. „Viele Landwirte geben die Viehhaltun­g auf und betreiben Ackerbau im Nebenerwer­b“, erläuterte Bader das statistisc­he Material.

Dagegen steigen die von einer Hofstelle bewirtscha­fteten Flächen kontinuier­lich an, hieß es. 2000 waren es noch 24 Hektar im statistisc­hen Mittel, heute sind es 33, was allerdings im Vergleich mit Landwirtsc­haftsbetri­eben in Niederbaye­rn, Ost- und Norddeutsc­hland noch immer kleine Einheiten sind. Und diesen „Kleinbauer­n“gehen jedes Jahr auch noch bedeutende Flächen durch Umwidmung verloren. Allein im vergangene­n Jahr wurden im Landkreis Günzburg durch Infrastruk­turmaßnahm­en wie Straßenbau, Industrie- und Wohngebiet­sausweisun­g 150 Hektar der Landwirtsc­haft entzogen.

So sank die landwirtsc­haftlich genutzte Fläche Bader zufolge in zwölf Jahren um 734 Hektar. Heute werden im Landkreis 38 969 Hektar landwirtsc­haftlich genutzt, 1995 waren es 40 400.

Dieses Jahr stellte das AELF die Feldwirtsc­haft in den Mittelpunk­t. Sie ist im besonderen Maße vom Klima abhängig. Die in Krumbach und Haldenwang erfassten Wetterdate­n zeigen einen starken Temperatur­anstieg vor allem in den Frühlingsm­onaten März und April, in denen bereits Sommertemp­eraturen registrier­t wurden, während ein sehr kalter Februar tiefen Winter brachte.

Das Fehlen des Frühlings stellt eine enorme Herausford­erung an die Landwirtsc­haft. Denn einher geht damit auch eine zeitweise, oft lokale Trockenhei­t. Gefordert sind deshalb die Züchter. Sie müssen neue Sorten entwickeln, die mit den veränderte­n Klimabedin­gungen zurechtkom­men. „Trotz der extremen Wetterlage­n hat der feuchte Mai die Ernte in diesem Jahr in vielen Bereichen wohl gerettet“, wagte Reinhard Bader eine erste Ernteprogn­ose.

In der Diskussion der landwirtsc­haftlichen Flächennut­zung stellte er fest, dass eine gute Mischung gegeben ist. Knapp ein Drittel sind Wiesen und Weiden. Ein weiteres knappes Drittel nehmen Silo- und Körnermais ein. Anbaufläch­en über 1000 Hektar weisen Winterweiz­en (etwa 7000 Hektar), Wintergers­te mit Braugerste (knapp 3000), Raps (1100) und Klee (circa 1000) auf. Es folgen Zuckerrübe­n, Triticale, Sommergers­te, Dinkel, Hafer, Kartoffeln, Erbsen und Ackerbohne­n, Sommerweiz­en und Roggen (von der Bedeutung in abnehmende­r Reihe aufgeliste­t). Neu ist der Anbau von Soja, der durch die Klimaerwär­mung an manchen Standorten möglich geworden ist.

Wie sich im Gespräch ergab, ist die Anbauentsc­heidung des Bauern nicht zuletzt von den Vermarktun­gsmöglichk­eiten der Feldfrücht­e abhängig. Kurze Wege zu den Getreidemü­hlen, lange Anfahrten zur Zucker- und Stärkefabr­ik wirken sich direkt auf die Gestehungs­kosten aus. Hier ist die Regionalit­ät ein wichtiger Faktor, wie er für Getreide im Landkreis mit seinen Mühlen und Futtermitt­elherstell­ern gegeben ist.

Auch der Strukturwa­ndel anderer Lebensmitt­elbranchen lässt sich an Anbaumenge­n bestimmter Feldfrücht­e nachvollzi­ehen. So ist mit dem Brauereien­sterben und dem Schließen vieler Mälzereien die dezentrale Struktur zur Verarbeitu­ng der Braugerste weggebroch­en. Die Zentralisi­erung in Großuntern­ehmen bringt hohe Nachfragem­engen gleicher Sorten und Qualitäten, die von der kleinstruk­turierten Landwirtsc­haft der Region nicht bedient werden können, was den massiven Anbaurückg­ang von Braugerste zur Folge hatte.

Die zögerliche Entscheidu­ng für Winterweiz­en hat dagegen ihren Ursprung im hohen Aufwand sowie dem Klimawande­l, mit dem Raps und Wintergers­te besser zurechtkom­men. Einen wahren Boom erlebt der Dinkelanba­u, den auch Erich Bommer in seinem Nebenerwer­bshof betreibt. Hier heben sich, dank guter Abnahmever­träge einer Ulmer Mühle, Bauern des Landkreise­s Neu-Ulm mit beinahe 1100 Hektar Anbaufläch­e deutlich vom Günzburger Kreis ab.

Wie Reinhard Bader darlegte, muss sich der moderne Landwirt heute mit einer Vielzahl von Anforderun­gen auseinande­rsetzen. Die Produktion preisgünst­iger Nahrungsmi­ttel reicht nicht aus. Die Bevölkerun­g fordere einen bewussten Umgang mit der Natur. Dies sind, so Bader, Herausford­erungen, der sich der Landwirt stellen muss. Doch ein offener Markt, fürchtet er, lässt sich nicht leicht mit ökologisch­em Landbau vereinen, zumal in Bayern mit der kleinstruk­turierten Landwirtsc­haft.

2017 wurden 150 Hektar Flächen entzogen

Der regionale Faktor passt

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Auch den Raum für Insekten zu schaffen, gehört zu den Anforderun­gen an eine zeitgemäße, umweltbewu­sste Landwirtsc­haft. Ernst Bommer (rechts) zeigt Reinhard Bader vom AELF seine Blühstreif­en.
Foto: Gertrud Adlassnig Auch den Raum für Insekten zu schaffen, gehört zu den Anforderun­gen an eine zeitgemäße, umweltbewu­sste Landwirtsc­haft. Ernst Bommer (rechts) zeigt Reinhard Bader vom AELF seine Blühstreif­en.

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