Guenzburger Zeitung

Jetzt freut sich Merkel auf Erholung

Horst Seehofer und Donald Trump prägen den 23. Auftritt der Kanzlerin vor der Hauptstadt-Presse. Ohne den Innenminis­ter und CSU-Chef beim Namen zu nennen, rügt sie den schroffen Ton in der Auseinande­rsetzung

- VON MARTIN FERBER

Berlin Nach einer Stunde steht sie plötzlich im Raum – die Frage nach ihrer Zukunft. Wie lange will sie noch Bundeskanz­lerin bleiben? Nagt es an ihr, dass sie noch einmal für dieses Amt kandidiert hat? Und hat sie auf dem Höhepunkt der Auseinande­rsetzung mit CSU-Chef Horst Seehofer um die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der deutschen Grenze gar an Rücktritt gedacht? Angela Merkel, die sich für ihren traditione­llen Auftritt in der Bundespres­sekonferen­z vor ihrem Urlaub an diesem Freitag für einen roten Blazer entschiede­n hat, will erst gar keine Spekulatio­nen aufkommen lassen. „Nein, nein, nein, nein“sagt sie, an Rücktritt habe sie zu keinem Zeitpunkt gedacht. „Wenn ich in der Mitte einer wichtigen Auseinande­rsetzung bin, dann muss ich ja meine Kräfte darauf konzentrie­ren.“

Und auch die Fragen nach dem Ende ihrer Kanzlersch­aft weist Merkel entschiede­n zurück. Es gelte das Verspreche­n, das sie vor der Wahl gegeben habe, dass sie für die gesamte Legislatur­periode kandidiere. Alles andere sei derzeit kein Thema. „Es gibt für alle Dinge einen geeigneten Zeitpunkt“, sagt sie.

„Ich will nicht verhehlen, dass ich mich freue, wenn ich jetzt ein paar Tage Urlaub habe und etwas länger schlafen kann.“

Angela Merkel

Mehr nicht. Amtsmüde sei sie jedenfalls nicht. Man lebe „im Augenblick in einer sehr interessan­ten, spannenden, die Zukunft bestimmend­en Zeit“, das sei durchaus „fasziniere­nd“. Aber, schränkt sie ein, „das sind Prozesse, die gehen weit über meine Amtszeit hinaus“. Insofern herrsche für sie als Regierungs­chefin an Arbeit kein Mangel. „Zu tun gibt es genug!“Und auf die Nachfrage eines Journalist­en, „wie erschöpft“sie nach diesem Jahr sei, antwortet sie ausweichen­d, aber doch ehrlich: „Ich will nicht verhehlen, dass ich mich freue, wenn ich jetzt ein paar Tage Urlaub habe und etwas länger schlafen kann.“Aber sie wolle nicht klagen.

Wenig überrasche­nd sind es zwei Namen, die Merkels mittlerwei­le 23. Auftritt in ihrer bald 13-jährigen Kanzlersch­aft vor der Hauptstadt­presse prägen: Horst Seehofer und Donald Trump. Auch wenn sie sichtlich bemüht ist, die Wogen zu glätten und kein neues Öl ins Feuer zu gießen, lässt sie doch keinen Zweifel aufkommen, wie heftig die Auseinande­rsetzung mit ihrem Innenminis­ter um die Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze war. „Die Tonalität war oft sehr schroff“, sagt sie, ohne den CSUChef beim Namen zu nennen. Meinungsun­terschiede müssten ausgetrage­n werden, aber durch die Art und Weise, wie dies in diesem Fall geschehen sei, sei „Schaden“entstanden. Das habe auch dazu beigetrage­n, die Politikver­drossenhei­t zu befördern, räumt sie ein. „Ich messe der Sprache eine sehr, sehr große Bedeutung zu.“Daher werde sie sich immer wieder „gegen bestimmte Erosionen von Sprache wenden, da Worte auch für ein bestimmtes Denken stünden. „Das ist ein Ausdruck von politische­r Kultur, das kann Spaltung auch befördern.“Deutlicher hätte der Seitenhieb auf die Herren an der CSU-Spitze kaum können. Merkel lässt keinen Zweifel daran, dass ihre Drohung mit der Richtlinie­nkompetenz im Asylstreit kein Bluff gewesen sei. Eine Regierung müsse handlungsf­ähig sein. Wenn dabei ihre Richtlinie­nkompetenz betroffen sei, müssten das auch die Minister akzeptiere­n. „Das war eine so fundamenta­le Frage, dass sie meine Richtlinie­nkompetenz berührt hat.“Darum sei es für sie auch so wichtig gewesen, einen Kompromiss zu finden, „der meinem Weg entspricht“. Damit sei für sie die Sache nun aber auch erledigt. „Im Augenblick arbeite ich gerne mit allen Ministern zusammen“, sagt sie auf die Frage, ob noch eine gedeihlich­e Zusammenar­beit mit Seehofer möglich sei.

Und wie geht es mit US-Präsident Donald Trump weiter? Auch da vermeidet Merkel jede Konfrontat­ion in der Sache, verteidigt aber ihre Position. Trumps Äußerung, die EU sei ein „Gegner“der USA, weist sie entschiede­n zurück. Sie könne sich diese Wortwahl nicht zu eigen machen. „Ich habe da einen anderen Ansatz.“Dass Trump gerade Deutschlan­d so massiv kritisiere, habe „auch etwas mit unserer ökonomisch­en Größe zu tun“. Sie versuche stets, sich mit den Argumenten des US-Präsidente­n auseinande­rzusetzen und „eine eigene, souveräne Antwort“zu geben.

Kein Verständni­s hat Merkel für den von Trump angezettel­ten Handelskri­eg durch die Verhängung von Importzöll­en. Europa werde einheitlic­h auftreten und sich mit Gegenmaßna­hmen beschäftig­en, „aber das ist die schlechtes­te Lösung“, so Merkel. „Wir schaden uns gegenseiti­g.“

Ansonsten ist Merkels exakt 90-minütiger Auftritt ein Parforcese­in

ritt durch alle Themen der Innenwie Außenpolit­ik. Die Spanne reicht vom NSU-Prozess über den Klimaschut­z bis zum Diesel-Skandal, vom geplanten Einwanderu­ngsgesetz und dem Wehretat über die Nahostpoli­tik bis zu Facebook. Merkel zeigt sich wie immer in den Sachfragen gut im Stoff, hat gleichzeit­ig aber wenig Neues mitzuteile­n. Und dass es in der CDU neben der konservati­ven „Werte-Union“nun auch eine liberale „Union der Mitte“gebe, die ihren Kurs unterstütz­t, begrüßt sie ausdrückli­ch.

Aber jetzt ist erst einmal Urlaub angesagt. Ob sie lieber mit Herrn Trump, Herrn Putin oder Herrn Seehofer verreisen würde, will ein Journalist wissen. „Die Frage nach dem Urlaub stellt sich für mich nicht“, sagt die Kanzlerin trocken und fügt dann hinzu: „Urlaub ist Urlaub.“

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Foto: Bernd von Jutrczenka (dpa) und Tobias Schwarz (afp) Angela Merkel ist seit 2005 Bundeskanz­lerin. Selten war sie so gefordert wie jetzt. Das bleibt nicht ohne Spuren, wie sich bei ihrer traditione­llen Pressekonf­erenz vor der Sommerpaus­e zeigt.
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