Guenzburger Zeitung

Baden Württember­g sucht einen Weg in die Auto Zukunft

Um Dreck und Staus zu reduzieren, arbeiten Regierung, Industrie und Gewerkscha­ften an einem Plan

- VON PETER REINHARDT

Stuttgart Freudig bewegen sich der baden-württember­gische Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) und sein CDU-Vize Thomas Strobl durch die Schaustück­e der automobile­n Zukunft. Hier ein E-Porsche mit dicken Reifen, dort ein Mercedes. Gemeinsam nehmen die beiden Politiker Platz in einem Audi, der gar kein Lenkrad mehr hat. Schöne Bilder. Sie bilden den Rahmen für den „Strategied­ialog“der grün-schwarzen Regierung mit der Autobranch­e. Nach wochenlang­em Streit in seiner Koalition um Fahrverbot­e für alte und nicht so alte Diesel in Stuttgart hofft Kretschman­n auf positive Schlagzeil­en: „Wir müssen mal ein Stück weg von der Diskussion um die Altlasten und über die Zukunft reden.“

Vor gut einem Jahr hat Kretschman­n seinen Strategied­ialog gestartet. „Wir haben strukturie­rt, Schwerpunk­te festgelegt und rund 20 Millionen Euro investiert“, zieht er eine Zwischenbi­lanz. Man habe bisher also mehr in der Werkstatt geschraubt. „Jetzt bringen wir die PS auf die Straße“, kündigt er nach dem knapp zweistündi­gen Gipfel mit den Konzernlen­kern an. Eines der konkreten Projekte des Landes ist das flächendec­kende Netz von Ladesäulen für E-Autos bis Ende 2019. Alle zehn Kilometer sollen Elektroaut­os Strom tanken können. Aber eigentlich geht es um die großen Themen, das autonome Fahren, die Elektrifiz­ierung und Digitalisi­erung der Mobilität. Neu ist Kretschman­ns Bekenntnis, dass die neue Mobilität „auch sexy ist“.

Die Konzernche­fs loben das Engagement der Politik. „Eine gute, konstrukti­ve Veranstalt­ung“sei das, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche. Porsche-Chef Oliver Blume weist darauf hin, dass die Sportwagen­schmiede in fünf Jahren sechs Milliarden Euro in die E-Mobilität investiere und 1000 Arbeitsplä­tze schaffe. Dass gleichzeit­ig über die Nachrichte­nticker die Meldung läuft, das Kraftbunde­samt werde weitere Porsche-Modelle zurückrufe­n, ist da weniger schön. Volkmar Denner, Chef des Zulieferer­s Bosch, wirbt dafür, die Entwicklun­g nicht auf Elektroaut­os zu verengen: „Wir müssen uns alle Pfade offenhalte­n.“Es gebe neue Kraftstoff­e, mit denen auch Verbrennun­gsmotoren mit null Emissionen betrieben werden können. Das Bild runden BadenWürtt­embergs IG Metall-Chef Roman Zitzelsber­ger und die BUNDLandes­vorsitzend­e Brigitte Dahlbender ab. Zitzelsber­ger fordert eine Batteriefa­brik in Deutschlan­d. Dahlbender geht es in Kretschman­ns Strategie zu viel ums Auto. Für sie gehören zur Mobilität der Zukunft mehr öffentlich­e Verkehrsan­gebote, mehr Fahrräder und Fußgänger.

Nicht alle sind glücklich über Kretschman­ns Schultersc­hluss mit den Autokonzer­nen. Umweltakti­visten starten zeitgleich zum Gipfel mehrere Aktionen. Vor der Regierungs­zentrale enthüllt die Initiative „Verkehrswe­nde jetzt“eine Büste des Regierungs­chefs mit preußische­m Dreispitz. Ein Sinnbild seines Pflichtbew­usstseins gegenüber der Autoindust­rie. „Kretschman­n liebt Porsche mehr als seine Bürger“, kritisiert der Aktivist Peter Grottian. Greenpeace-Anhänger klettern sogar am Turm des Stuttgarte­r Hauptbahnh­ofs hoch, an dessen Spitze sich der Mercedes-Stern dreht. „Sauber werden“steht auf dem Banner, das sie unter den Augen eines großen Polizeiauf­gebots anbringen.

Auf sieben Jahre hat Kretschman­n den Strategied­ialog angelegt. Als am Nachmittag die Fotografen und die Chefs längst die Messehalle verlassen haben, geht in den Arbeitskre­isen der Experten die Sacharbeit weiter. EnBW-Vorstandsc­hef Frank Mastiaux hat das Motto formuliert: „Wir machen noch nicht alles richtig. Aber wir lernen schnell.“

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Foto: dpa Gemeinsam beim Gipfel: Ministerpr­äsi dent Winfried Kretschman­n und Daim ler Chef Dieter Zetsche.

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