Guenzburger Zeitung

Moschee Pläne spalten eine Stadt

In Kaufbeuren stimmen die Einwohner über die Vergabe eines städtische­n Areals für ein muslimisch­es Gebetshaus ab. Warum mit bundesweit­em Interesse zu rechnen ist

- VON ALEXANDER VUCKO UND SVEN KOUKAL

Kaufbeuren Mehr als drei Prozent der Menschen, die in Kaufbeuren leben, besitzen eine türkische oder die doppelte Staatsbürg­erschaft. Zahlreiche Bürger der Allgäuer Stadt haben familiäre Wurzeln am Bosporus. Viele eint, dass sie in Kaufbeuren geboren worden sind oder seit Jahrzehnte­n dort leben. Am kommenden Sonntag werden nun aber alle Wahlberech­tigten in Kaufbeuren aufgerufen, über ein neues muslimisch­es Gebetshaus mit Kuppel und sogenannte­m stillen Minarett – also ohne den Ruf eines Muezzins – abzustimme­n.

Im Rathaus in Kaufbeuren geht man davon aus, dass es sich bundesweit um einen der ersten Bürgerents­cheide zu einem Moschee-Bau handelt. Den Auftakt machte laut dem Verein „Mehr Demokratie“das hessische Schlüchter­n vor 16 Jahren: Dort stimmte eine Mehrheit für das Gotteshaus.

Landauf, landab entstehen solche muslimisch­en Gemeindeze­ntren. In Bobingen (Landkreis Augsburg) etwa wurde erst vor drei Wochen eine neue moderne Moschee eingeweiht. In den 1990er Jahren gab es dort bereits eine Debatte über ein geplantes Minarett und dessen Höhe, die bundesweit für Aufsehen sorgte. Heute ist das Streitthem­a längst vergessen. Die jüngsten Bauarbeite­n verliefen ohne Zwischenfä­lle. Anders sieht das aktuell in Mindelheim (Landkreis Unterallgä­u) aus: Dort überschatt­et eine nächtliche Protestakt­ion den Neubau einer Moschee. Unbekannte stellten eine Pappfigur in Form eines Schweins auf – ein Seitenhieb gegen die muslimisch­en Essgewohnh­eiten.

Kritik an einem möglichen muslimisch­en Gebetshaus äußerten Nachbarn eines Areals in AugsburgOb­erhausen mehrfach. Wegen Protesten hatte schließlic­h die Moschee-Gemeinscha­ft auf ein Minarett verzichtet. Aktuell ist der Turm für eine Moschee auch in Memmingen Thema. Weil die Finanzieru­ng des Minaretts aber noch nicht steht, liegt das Projekt im Moment auf Eis.

Bei dem geplanten Bau in Kaufbeuren gibt es mehrere Besonderhe­iten. Der Stadtrat hatte im vergangene­n Jahr mit Zweidritte­lmehrheit beschlosse­n, mit dem türkischis­lamischen Kulturvere­in Ditib Kaufbeuren in Verhandlun­gen über die Vergabe eines 5000 Quadratmet­er großen Grundstück­s zu treten. Das Areal in einem neuen Gewerbegeb­iet am Stadtrand gehört der Kommune. Erst diese Tatsache macht einen Bürgerents­cheid möglich, der von zwei Moschee-Gegnern mit weit mehr als der notwen-

Zahl von Unterschri­ften angeschobe­n wurde. Ziel ist, das Grundstück­sgeschäft zu verhindern. „Aus unserem christlich­en Abendland soll kein muslimisch­es Morgenland werden“, sagt Werner Göpel, einer der Initiatore­n, – und spaltet damit Kaufbeuren. Eine Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch durch Heimatvert­riebene geprägt wurde. Später ließen sich dort Gastarbeit­er und zahlreiche Russlandde­utsche nieder. Heute leben in Kaufbeuren mehr als 100 Nationen zusammen.

Seit dem Bürgerbege­hren tobt vor allem in den sozialen Netzwerken und bei Veranstalt­ungen der heftige Streit zwischen Gegnern und Befürworte­rn der Pläne. Die Kritiker führen mit Schützenhi­lfe der örtlichen AfD vor allem die Rolle des regierungs­nahen türkischen Moscheen-Dachverban­des Ditib ins Feld, der „als Verbreiter eines politische­n und radikalen Islams“gesehen wird und ihrer Meinung nach

Einfluss auf jede noch so kleine muslimisch­e Gemeinde in Deutschlan­d nimmt. Andere sagen, die Stadt solle den Gewerbegru­nd lieber Firmen zur Verfügung stellen, um die magere Steuerkraf­t Kaufbeuren­s zu erhöhen. Oberbürger­meister Stefan Bosse (CSU) sieht auch „diffuse Ängste“in Teilen der Bevölkerun­g, die er ernst nehme. Er selbst spricht sich wie die Vertreter der großen christlich­en Kirchen in Kaufbeuren und mehrerer Pro-Moschee-Initiative­n für das Neubau-Projekt und eine sachliche Auseinande­rsetzung aus, da die alte Moschee mittlerwei­le viel zu klein geworden ist und sich derzeit mitten in einem Wohngebiet ohne ausreichen­d Parkplätze befindet. „Die türkisch-islamische Gemeinde ist bislang noch nie negativ aufgefalle­n“, sagt Bosse. Auch ihr Vorsitzend­er Osman Öztürk weist den Vorwurf der Einflussna­hme von Ditib oder politische­r Agitation im Verein strikt zurück. Jeder Besudigen

cher sei eingeladen, sich davon zu überzeugen, sagt er. „Wir sind ein offenes Haus.“

Um den Kritikern entgegenzu­kommen, hatte der Stadtrat den Beschluss für eine mögliche Grundstück­svergabe in Absprache mit dem Verein an Bedingunge­n geknüpft. Der Bauherr müsse ein Bekenntnis zur freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng ablegen, das Areal werde lediglich auf Basis des Erbbaurech­ts vergeben. Ein Gestaltung­sbeirat redet bei den Plänen für die Moschee mit.

All dies hat die Moschee-Gegner bisher nicht überzeugt. Sie wollen den Beschluss am Sonntag mit einer Mehrheit der Wahlberech­tigten kippen. Im Wissen übrigens, dass die türkisch-islamische Gemeinde im Fall einer Ablehnung an anderer Stelle auf Privatgrun­d bauen dürfte. Größeren Einfluss auf die Pläne könnte die Stadt dann nicht mehr geltend machen.

 ?? Symbolfoto: Boris Roessle, dpa ?? In Kaufbeuren soll eine neue Moschee gebaut werden. Nicht alle Einwohner der Stadt sind mit den Plänen einverstan­den. Am Sonntag gibt es einen Bürgerents­cheid.
Symbolfoto: Boris Roessle, dpa In Kaufbeuren soll eine neue Moschee gebaut werden. Nicht alle Einwohner der Stadt sind mit den Plänen einverstan­den. Am Sonntag gibt es einen Bürgerents­cheid.

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