Die AfD kommt, der friedliche Protest auch
Wegen einer Parteiveranstaltung mit Beatrix von Storch haben viele Sicherheitskräfte in Günzburg Dienst. Neben der Veranstaltungshalle formiert sich Widerstand. Alles bleibt friedlich. Und Franz Josef Strauß kann sich nicht wehren
Starke Polizeipräsenz gestern in Günzburg. Grund war Beatrix von Storch als Hauptrednerin einer AfD-Veranstaltung.
Günzburg Wer viele Polizisten an einem Ort sehen wollte, hatte gestern in Günzburg Gelegenheit. Weit über ein Dutzend Fahrzeuge, zivile wie polizeilich erkennbare, waren bereits Stunden vor der Veranstaltung der Alternative für Deutschland (AfD) rund um das Günzburger Forum am Hofgarten geparkt.
Die Bemühungen galten in erster Linie einer Frau: Beatrix von Storch. Die Wahlberlinerin ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag. Sie ist – auch durch ihre Präsenz in TV-Diskussionsrunden – ein bekanntes Gesicht ihrer Partei. Und sie twittert gerne und schnell. So schnell, dass sie die Menschen auch in die falsche Richtung mitnimmt – etwa bei ihrer Interpretation der Amokfahrt eines 48-Jährigen mit einem Kleinbus am 7. April in Münster. Damals wurden vier Personen getötet, die von dem Fahrzeug erfasst worden waren. Der Täter sei ein „Nachahmer islamischen Terrors“gewesen, schrieb von Storch. Es stellte sich aber heraus, dass die Tat ein Deutscher beging, der sich selbst töten wollte und der dabei den Tod weiterer Personen in Kauf nahm. Von Storch entschuldigte sich Tage später dafür. „Das war ein Fehler“, sagt sie – darauf angesprochen – vor der Parteiveranstaltung in Günzburg gegenüber unserer Zeitung.
Später im Saal geht es darum, welche falsche Politik sich Vertreter anderer Parteien zuschulden kommen lassen. Von Storch steht vor schwarzem Vorhang am Rednerpult, das mit der Botschaft geschmückt ist, die AfD halte, was die CSU verspreche. Sie nimmt Bezug auf den früheren CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, dessen Todestag im Oktober 30 Jahre zurückliege. Ausgerechnet in jenem Monat ziehe die AfD in den Bayerischen Landtag ein. „Das kann ja wohl kein Zufall sein“, sieht von Storch offenbar höhere Mächte im Spiel. Das Publikum – insgesamt sind nach Veranstalterangaben 250 Besucher gekommen – klatscht. Strauß hätte den Konflikt mit der Bundesregierung angesichts eines unlimitierten Migrantenzustroms im Jahr 2015 anders gelöst, weiß die Hauptrednerin zu berichten: „Er hätte Migranten durch die bayerische Grenzpolizei zurückweisen lassen, hätte mit einem Bruch der Koalition gedroht, Merkel wäre zuerst zurückgerudert und später zurückgetreten. Das wäre gut gewesen für unser Land“, sagt die 47 Jahre alte von Storch. „Strauß ist unser Mann“, fügt sie hinzu.
Sie spricht davon, dass jeder Erwerbstätige statistisch betrachtet bis 16. Juni für sich gearbeitet habe und seither der Staat das Geld einstreiche. „Denken Sie jeden Tag daran“, erinnert sie die Gäste an das Datum.
Von Storch präsentiert in Günzburg einen mosaikartigen Vortrag, in dem vieles zusammenkommt, das die AfD-Politikerin gerade beschäftigt: Sie macht sich über einen auf Twitter reimenden SPD-Bundesvize Ralf Stegner lustig, der für die bayerische SPD-Chefin Natascha Kohnen wirbt. Sie selbst kennt Kohnen nicht („muss man wohl auch nicht“). Von Storch desavouiert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der angeblich ein massives Alkoholproblem habe, was Bilder des Nato-Gipfels in Brüssel belegten. In Brüssel wisse man: „Wenn du mit Juncker sprechen willst, muss es vor 11 Uhr sein. Vormittags.“Danach sei der Mann „unzurechnungsfähig“, sagt die frühere Europapolitikerin.
Lokale und regionale Themen hat die Frau nicht zu bieten. Das erwartet das Publikum auch nicht. Es freut sich über jemanden, den es sonst nur aus dem Fernsehen kennt und der „Klartext“redet.
Den Bund Naturschutz bezeichnet von Storch als Vertreter der „Feinstaubnazis“, die die deutsche Automobilindustrie strangulierten. Den Muslimen wolle sie nicht einmal verdenken, dass sie versuchten, in einem Land mit „Gender-Gagaisten“und weiteren „Spinnern“ihr Gedankengut auszubreiten. Sie hätten „eine Religion, ein Ziel, eine Idee, einen Plan“, während es hierzulande zugelassen werde, dass die christliche Religion und der Glaube vertrieben würden. Die AfD müsse dem „etwas entgegensetzen“.
Gegen die Veranstaltung am Sonntag haben gut 200 Menschen etwas gesetzt. Sie protestieren im Hofgarten gegen Rassismus und Hetze und stehen für Vielfalt und Toleranz. Die Kundgebung darf sich – nach Absprache mit den Sicherheitsbehörden – nicht in Bewegung setzen, sondern muss an Ort und Stelle bleiben. Der SPD-Politiker und Versammlungsleiter Tobias Auinger betont die überparteiliche und überkonfessionelle Ausrichtung des Bündnisses, das sich zusammengefunden hat. „Es ist super, was hier passiert“, sagt er. Angesichts der Kürze der Zeit sei er von deutlich weniger Teilnehmern ausgegangen.
Petra Demmel, die Leiterin der Günzburger Volkshochschule, hat vor zehn Jahren den Protest gegen eine Veranstaltung der NPD in Günzburg organisiert. Dass sich am Sonntag so viele aufgemacht haben, wertet sie als „gutes Signal gegen die AfD“, die polarisiere und mit ihrer Propaganda die Sprache in einer aufgeheizten Atmosphäre vergifte.
Der frühere Günzburger SPDOberbürgermeister Rudolf Köppler gehört ebenfalls zu denen, die in den Hofgarten gekommen sind. Er sagt: „Man muss hier ein Zeichen gegen die Unbelehrbaren setzen, damit sie nicht am Ende noch glauben, sie verträten die Mehrheit der Bevölkerung.“
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