Guenzburger Zeitung

Ausländer als Soldaten: Warum nicht?

Europa muss sich selbst um seine Sicherheit kümmern. Vor allem Deutschlan­d ist gefordert. Eine europäisch­ere Bundeswehr wäre deshalb besser als eine schrumpfen­de

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Gegen eine Öffnung der Bundeswehr für Bürger anderer EU-Staaten spricht kaum etwas. Eine solche Reform wäre, auch wenn das Verteidigu­ngsministe­rium sie offenbar aus schierer Personalno­t erwägt, sogar ein sinnvoller weiterer Schritt auf dem Weg der europäisch­en Einigung. EU-Ausländer dürfen längst bei Kommunalwa­hlen in Deutschlan­d wählen. Im Arbeitsleb­en herrscht europäisch­e Freizügigk­eit. Gerade im Bereich der Verteidigu­ng haben bereits vielfältig­e Prozesse der Integratio­n stattgefun­den. Die Bundeswehr war und ist tief in europäisch­e und internatio­nale Strukturen eingebette­t, auch im Rahmen der Nato.

Dass heute Soldaten zweier Nationen, die sich lange in erbitterte­r Feindschaf­t gegenübers­tanden, in der deutsch-französisc­hen Brigade gemeinsam Dienst tun, eingebunde­n in die Befehlsstr­ukturen des Eurokorps, ist mit Blick auf die blutige Geschichte Europas ein echtes Wunder. Jahrhunder­telang reihte sich auf dem Kontinent Krieg an Krieg, bis Deutschlan­d mit dem Zweiten Weltkrieg die größte militärisc­he Auseinande­rsetzung in der Geschichte der Menschheit begann, die bis zu 70 Millionen Menschen den Tod brachte.

Nach dieser Ur-Katastroph­e, nach Nazi-Diktatur, Völkermord und ungezählte­n Kriegsverb­rechen, schien es zunächst unvorstell­bar, dass Deutschlan­d jemals wieder eigene Streitkräf­te aufbauen sollte. Und als unter dem Druck des Kalten Krieges 1955 dann doch die ersten Freiwillig­en der Bundeswehr vereidigt wurden, war klar, dass in der neuen deutschen Armee nicht der Geist des alten Militarism­us herrschen durfte. Zwar musste die Truppe notgedrung­en auf zahlreiche Offiziere bauen, die bereits der Wehrmacht oder gar der WaffenSS angehört hatten. Doch eine Armee als Staat im Staat sollte niemals wieder möglich sein. So ist die Bundeswehr als Bürgerarme­e angelegt, die vom Parlament kontrollie­rt wird. Eine Armee, die sich auch in der Tradition der Widerstand­skämpfer um Claus Schenk Graf von Stauffenbe­rg sieht, deren Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 sich gerade gejährt hat.

Ein Kernelemen­t des Prinzips der „Inneren Führung“bei der Bundeswehr ist der Grundsatz, dass es für Befehl und Gehorsam auch Grenzen gibt. Leitbild ist der „Staatsbürg­er in Uniform“, der aus seiner eigenen Überzeugun­g heraus handelt, um die Grundwerte Deutschlan­ds zu verteidige­n. Und damit erklärt sich auch, warum die Idee, die Bundeswehr für Personen zu öffnen, die eben keine deutschen Staatsbürg­er sind, in manchen Kreisen auf so viel Ablehnung stößt. Wer kein Staatsbürg­er ist, argumentie­ren Rechtskons­ervative, könne nicht loyal sein. Vor einer gewissenlo­sen Söldnertru­ppe, die blind jedem Befehl folgen und etwa auch auf Demonstran­ten schießen würde, fürchten sich generell militärkri­tische Zirkel.

Dass jede Möglichkei­t einer Öffnung der Bundeswehr für Ausländer verfassung­srechtlich auf Risiken und Nebenwirku­ngen untersucht werden muss, liegt auf der Hand. Doch die Diskussion muss geführt werden, schon weil die Zeit drängt. Der Bundeswehr gehen die Soldaten aus. Denn nach dem Fall des Eisernen Vorhangs träumten auch in Deutschlan­d viele von einer Welt, in der es kaum noch militärisc­he Auseinande­rsetzungen gibt. Die Bundeswehr wurde gewaltig geschrumpf­t, die Wehrpflich­t ausgesetzt. Doch manch alte Bedrohung ist geblieben, neue, komplizier­te, oft schmutzige Konflikte in vielen Weltregion­en sind hinzugekom­men. Gleichzeit­ig stellen die USA alte Schutzgara­ntien in Frage.

Europa wird sich künftig stärker selbst um seine Sicherheit kümmern müssen und Deutschlan­d als stärkste Wirtschaft­smacht des Kontinents kann sich davor nicht drücken. In fast allen denkbaren Konfliktsz­enarien geht es um die Verteidigu­ng gemeinsame­r europäisch­er Interessen. Da wäre es nur folgericht­ig, wenn auch die Bundeswehr noch europäisch­er würde.

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Foto: Imago Sollten unter der schwarz rot goldenen Fahne auch Bürger aus anderen Staaten dienen dürfen?

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