Guenzburger Zeitung

Das letzte Heimspiel?

- VON MILAN SAKO ms@augsburger allgemeine.de

Die Zielflagge ist gefallen, die mobilen Paläste samt Palmenschm­uck sind eingepackt und abtranspor­tiert. Der Zirkus zieht weiter Richtung Hungarorin­g in Budapest. Vorbei die 77. Auflage des Großen Preises von Deutschlan­d. 70 000 Zuschauer und ein packendes Rennen. Doch die Zukunft sieht düster aus. Kommt die Formel 1 überhaupt noch einmal nach Deutschlan­d?

Für 2019 schließt Ring-Geschäftsf­ührer Georg Seiler ein PSSpektake­l im Badischen aus. Der Vertrag mit dem Formel-1-Herrscher Bernie Ecclestone ist ausgelaufe­n. Mit seinen Nachfolger­n von Liberty Media konnten sich die Hockenheim­er nicht einigen. Weil der Streckenbe­treiber die angeblich zwölf Millionen Euro für die Formel 1 nicht aufbringen kann und will. Der PS-Zirkus ist ein teurer Sport, der an den Meistbiete­nden verkauft wird. Eine lange Tradition mit grandiosen Momenten von Michael Schumacher zählt wenig. Auch über 12 000 Max-Verstappen­Fans, die für fröhliche Stimmung rund um den Ring sorgten, werden die Rechner im Automobil-Weltverban­d Fia nicht beeindruck­en. Von Tradition können sie nicht abbeißen. Es ist ein ungleicher Kampf. Die 21000 Einwohner zählende Große Kreisstadt als Besitzer der Ring GmbH konkurrier­t mit Ländern wie Aserbaidsc­han, Bahrain oder den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Dort gönnen sich Autokraten die Formel 1, während die Stadt in Nordbaden keinen Cent vom Land oder vom Bund erhält. Verluste muss letztendli­ch der Bürger vor Ort begleichen. Die klare Linie der Ring-Verantwort­lichen ist richtig. Es ist nicht einzusehen, dass wegen eines dreitägige­n PS-Spektakels auch nur ein Kindergart­en weniger gebaut würde.

Das führt zur zweiten Frage: Will die Nation die Königsklas­se überhaupt haben? Der Diesel-Skandal stinkt den Deutschen noch immer. Saubere Energien werden gefördert, im Motorsport ist die Zukunft offenbar die Formel E der rein elektrisch betriebene­n Boliden. Vorbei auch die Boom-Jahre, als Deutschlan­d in einem Jahr auf dem Nürburgrin­g und in Hockenheim gleich zwei Grands Prix mit bis zu sieben deutschen Fahrern (2010: Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Nico Rosberg, Nico Hülkenberg, Timo Glock, Adrian Sutil und Nick Heidfeld) austrug. Der eher mediensche­ue Vettel und der erfolglose Hülkenberg sind geblieben.

Ändert sich die Stimmung in Deutschlan­d nicht grundsätzl­ich, dann wird es schwer, die Königsklas­se 2020 wieder an den Hockenheim­ring zu bringen. Neue Interessen­ten stehen bei Liberty Media Schlange. Miami, Buenos Aires oder Hanoi drängeln sich, um im auf 21 Rennen aufgebläht­en Renn-Kalender einen Platz zu finden. In der vietnamesi­schen Hauptstadt soll durch die Stadt gebraust werden. Wer zahlt, bekommt den Zuschlag. In Hockenheim rollen sie die Formel-1-Plakate mit der Aufschrift „Heimspiel“wieder ein. Vielleicht verschwind­en sie für immer.

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