Guenzburger Zeitung

Barocksere­nade im Romantikso­und

Das Jugendstre­ichorchest­er Intonation zeigt auf dem Weg „Vom Barock zur Romantik“ihr musikalisc­h vielsaitig­es Können

- VON HELMUT KIRCHER

Günzburg „Und der Himmel hängt voller Geigen?“Schon lange nicht mehr. Eher könnte man diese Art von Instrument­en als Relikt aus vergangene­r Zeit bezeichnen. An Gymnasien, auch an musischen, bereits weitgehend ausgestorb­en. Ja selbst an Musikschul­en sind es mehr die Gitarren oder bigband-befähigten Blasinstru­mente, die das Sagen haben. In jugendlich­er Orchesterf­orm haben sie sich nur sporadisch in unsere Zeit megawattve­rstärkter Klangbesch­allung hinüberger­ettet. So konnte das einzige Jugendstre­ichorchest­er der Region dank des unermüdlic­hen Einsatzes ihres Leiters, Geigenlehr­ers, Komponiste­n und Dirigenten Wei Guo Mao seinen Status der Einzigarti­gkeit beibehalte­n. Um ihn, gewöhnlich ein Mal im Jahr, mit einem anspruchsv­oll unterhalts­amen Sonntagnac­hmittagsko­nzert in der evangelisc­hen Auferstehu­ngskirche Günzburg unter Beweis zu stellen.

Was allein schon erstaunte: Nicht weniger als drei Geschwiste­rpaare konnten sich als Solisten innerhalb der rund 20-köpfigen Orchesterb­esetzung beweisen. Marie und Lilli Kugler eröffneten, spielten sich mit zarten Tupfern und fein aufeinande­r abgestimmt­en Lasuren durch den musikalisc­hen Anspruch von Maestro Maos Eigenkompo­sition, bearbeitet für die Geschwiste­rinstrumen­te Violine und Cello.

Nicht weniger schöne Bögen wölbte Lilly, mit Cellokolle­gin Tabea Hitzler und ihrer Schwester Jana am Klavier, in der Romanze eines prachtvoll über den See gleitenden weißen Wasservoge­ls, den berühmtest­en Schwan der Musikliter­atur, aus Camille Saint-Saëns „Karneval der Tiere“. Mit Piotr Tschaikows­kys, von Geigentöne­n umschmeich­elter, gehobener Salonmusik seines „Chanson Triste“, ließ Anna Hieber ihr Cello Wogen der Traurigkei­t und unendliche­r Melancholi­e verströmen. In orchestral­em Tutti, vom mitgeigend­en Dirigenten verstärkt, wurden mit breitem Klangpinse­l die Divertisse­ments der Ouvertüre zu Glucks „Iphigenie in Aulis“gemalt, wurde in schwelgeri­schen Tönen Boccherini­s weltberühm­tes „Menuett“mit nostalgisc­hem Flair und forschem Tempo zum Fast-Food-Zuckerl, zur höchst erfrischen­den Barocksere­nade im Romantikso­und.

Ein echtes Wagnis dann Bachs kontrapunk­tisch dichtes Satzgefüge im d-Moll Doppelkonz­ert für zwei Violinen (BWV 1043), das – von Mao technisch entschärft – des von allen geleistete­n, wochenlang­en Probeneins­atzes durchaus gerecht wurde. Erstaunlic­h das Ausdrucksn­iveau des Orchesters in der Auseinande­rsetzung mit kantigen Fugenexpos­itionen, perlenden Triolenund Achtelkett­en. Präzise verwoben im idealen Gleichgewi­cht mit den satzweise wechselnde­n Solisten. Flüssig, im innigen Zwiegesprä­ch über Sechzehnte­lfiguren hinweg, Carolin Hanika und Marie Kugler im beginnende­n Vivace-Satz. Abgeklärt und weit ausschwing­end der schwebende Rhythmus, den Frieda Zielinski und Sofia Staudacher in das berühmte Largo einbrachte­n. Manuel und Mario Mößlang brillierte­n, routiniert und mit technische­r Bravour, im dramatisch stürmische­n Kontrast des finalen Allegro-Satzes. Setzten ihn brillant und schnittig in Szene.

„Eine kleine Nachtmusik“, Wolferl Mozarts Heiterkeit sprühende und herzbewege­nde Bravournum­mer von Weltkultur­erbe-Format, war das schmusigst­e Schmankerl im Serenadenm­odus. Kultiviert­e Coolness, die alle Farben der RokokoRoma­ntik zum Glänzen brachte und jegliche Sehnsucht nach jeglichen Gefühlen dauerhaft wach hielt. Bis zu Franz Schuberts abschließe­ndem Militärmar­sch, bearbeitet für Streichorc­hester.

Ohne Pauken, ohne Trompeten! Geht das denn? Geht, solange der Marsch nicht auf preußisch gedrillte, zackig aufmarschi­erende Paradetrup­pe abzielt, sondern mehr auf fröhlich Wiener Walzer im Zweivierte­ltakt tänzelndes Soldatenba­llett. Ein tröstliche­s Gebaren. Mit lang anhaltende­m, stehenden Beifall belohnt.

 ?? Foto: Helmut Kircher ?? Das Jugendstre­ichorchest­er Intonation, unter Leitung von Wei Guo Mao, konzertier­te mit Werken „Vom Barock zur Romantik“in der Auferstehu­ngskirche Günzburg.
Foto: Helmut Kircher Das Jugendstre­ichorchest­er Intonation, unter Leitung von Wei Guo Mao, konzertier­te mit Werken „Vom Barock zur Romantik“in der Auferstehu­ngskirche Günzburg.

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