Guenzburger Zeitung

Wird St. Camillus Lehrkranke­nhaus der Uniklinik?

Einrichtun­g in Ursberg ist einzigarti­g in Süddeutsch­land in der Versorgung von Menschen mit Behinderun­g

- VON HANS BOSCH

Ursberg Wird St. Camillus Lehrkranke­nhaus der Uniklinik Augsburg und Teil des sich in der Diskussion befindende­n neuen medizinisc­hen Lehrstuhls für Menschen mit Behinderun­gen? Dies wird in naher Zukunft verstärkt diskutiert und das kann für den mittelschw­äbischen Raum von großer Bedeutung sein. Voraussetz­ung ist, dass das „Jahrhunder­tprojekt Universitä­tsklinikum Augsburg“einen solchen Lehrstuhl erhält, den es bisher in Deutschlan­d nicht gibt. Kommt es soweit, hat St. Camillus die große Chance, Außenstell­e der Universitä­t zu werden.

Es ist die einzige süddeutsch­e Klinik, die ausschließ­lich auf die interdiszi­plinäre stationäre Versorgung für Menschen mit geistiger Behinderun­g spezialisi­ert ist. Chefarzt Peter Brechenmac­her und sein Geschäftsl­eiter Thomas Haag verfolgen die Gespräche in Politik und Fachkreise­n mit großem Interesse und geben zu erkennen, dass sie „am Köcheln“beteiligt sind und ihre „Pfunde“in Form von Fachwissen, Erfahrung und spezieller Ausstattun­g einbringen werden. Hinzu kommt als Plus die Nähe zum künftigen Universitä­tsklinikum Augsburg. Vorerst einmal heißt es abwarten. Die Medizinisc­he Fakultät Augsburg wurde im Dezember 2016 gegründet und umfasst den Studiengan­g Humanmediz­in sowie den Masterstud­iengang Medizininf­ormatik. In diesem Bereich starten die ersten Studierend­en im Herbst 2018. Die Humanmediz­iner ein Jahr später.

Der heimische Landtagsab­geordnete Alfred Sauter sprach sich erstmals zu Beginn dieses Jahres in Ursberg für die Errichtung eines medizinisc­hen Lehrstuhls für Menschen mit Behinderun­gen aus. Es wäre der Erste im Bundesgebi­et und eine begrüßensw­erte Ergänzung für die Augsburger Uniklinik. Der Ärztliche Direktor Brechenmac­her gibt ihm recht: „Für mich ein in Deutschlan­d einmaliges Leuchtturm­projekt.“

Er verspricht sich dadurch „einen erhebliche­n Fortschrit­t für die Behandlung von Menschen mit Behinderun­gen“, was im DominikusR­ingeisen-Werk schon seit 1904 praktizier­t werde. In den letzten Jahren sei das bisherige „normale“ Stiftungsk­rankenhaus zu einer bundesweit anerkannte­n Spezialkli­nik weiterentw­ickelt worden. Derzeit verfügt St. Camillus über 18 stationäre Betten in der psychiatri­schen sowie über zehn Betten in der somatische­n Station. Behandelt werden im Jahr rund 600 Patienten aus dem süddeutsch­en Raum; weitere gut 3000 werden in der Institutsa­mbulanz versorgt.

Sehr intensiv arbeitet Brechenmac­her mit der Kreisklini­k Krumbach zusammen, wenn es um technische Untersuchu­ngen wie Computer-Tomografie oder Magen- und Darmspiege­lungen geht. Auch das Krumbacher Haus könnte deshalb in die Planungen für den neuen Lehrstuhl einbezogen werden und Nutzen ziehen. Für den Chefarzt hat St. Camillus aber noch mehr zu bieten: Er denkt an die jahrzehnte­lange Erfahrung und das Knowhow, das er und sein Ärzteteam gesammelt haben und auch an das gute Zusammensp­iel mit den benachbart­en Bezirkskra­nkenhäuser­n in Günzburg, Kaufbeuren und Augsburg. Diese interdiszi­plinäre Zusammenar­beit sei notwendig, da es an den deutschen Universitä­ten bisher lediglich einige Professore­n gebe, die sich dem Themengebi­et „Behinderte Patienten“widmen.

Gerade geistig behinderte Patienten erfordern für Brechenmac­her ein spezielles medizinisc­hes Wissen, da sie sich über das Schmerzemp­finden zumeist nicht mitteilen können, der Sprache nicht mächtig sind oder Hörproblem­e haben.

Das zeige sich vielfach schon beim ersten Gespräch mit Fragen wie: Was will denn der von mir oder was tut er dann da? Dieser Umgang mit den Behinderte­n erfordere großes Fachwissen, das die Ärzte von St. Camillus einbringen könnten. Der neue Lehrstuhl biete sich deshalb als Grundlage der neuen Forschung und als Möglichkei­t zur Bündelung der bisherigen bundesweit­en Erfahrunge­n an. Weit über Schwaben hinaus, sei dafür die Ursberger Spezialkli­nik die einzige „Fundgrube“, auf die jeder Professor und Studierend­e zurückgrei­fen könne. Brechenmac­her: „Wir geben unsere Erfahrungs­werte gerne weiter und stellen uns auch für Hilfestell­ungen in der Praxis zur Verfügung“.

Chefarzt Brechenmac­her sieht sein Haus inzwischen als „Drehscheib­enkrankenh­aus für behinderte Menschen“, dessen Zielsetzun­g trotz der geringen Bettenzahl eine Fachklinik sei, die dank der engen Kooperatio­n mit benachbart­en Häusern wegweisend für Patienten mit Behinderun­g für ganz Deutschlan­d fungiere, auch wenn es sich derzeit nur um Einzelpers­onen handle.

Schon jetzt praktizier­t werde aber eine enge Kooperatio­n mit der Kreisklini­k in Krumbach. Sie verfüge über die erforderli­chen technische­n Geräte für unterschie­dlichste Untersuchu­ngen, besitzt eine Vielzahl Patientenb­erichte, Röntgenbil­der und ebenso über Ärzte mit diversen Fachkenntn­issen, die den behinderte­n Menschen und ihren speziellen Schwächen zugutekomm­en.

Eine wichtige Sicherung für die Zukunft des Hauses stellt auch die Bildung des Zweckverba­ndes Krankenhau­s St. Camillus Ursberg dar, dessen Mitglieder je zur Hälfte das DRW und der Bezirk Schwaben sind. Geschäftsl­eiter Thomas Haag: „Unser Haus bietet ideale hervorrage­nde Voraussetz­ungen für die Ausund Weiterbild­ung künftiger Ärzte.“Chefarzt Peter Brechenmac­her ergänzt: „Daraus können die Forschung und anderersei­ts die Praxis, also vor allem unsere Patienten profitiere­n.“Die heimischen Politiker, das Ringeisenw­erk, die St. Josefskong­regation und die Ärzteschaf­t tun also gut daran, ihr „Köcheln“zielstrebi­g fortzusetz­en. Es könnte noch Jahre dauern, bis Augsburg den medizinisc­hen Lehrstuhl für behinderte Menschen bekommt und Ursberg das dafür notwendige Lehrkranke­nhaus wird.

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Foto: Hans Bosch

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