Guenzburger Zeitung

Die größte aller Klappen

Mick Jagger, der Kopf der Rolling Stones, wird heute 75. Dass er ein Leben voller Hemmung vor Sex, Geld und Rock ’n’ Roll führte, möchten wir nicht behaupten

- Rüdiger Heinze

Wir sind mit ihm faltiger geworden, wir haben ihm über Jahrzehnte hinweg gelauscht, ihn studiert und genossen. Wir waren oft hingerisse­n und bisweilen abgestoßen von seinen Einpeitsch­er-Exaltation­en, seiner leicht näselnden, krähenden Kehle mit manieristi­sch gedehnten, manieristi­sch verschluck­ten Silben, von seinem Imponierge­habe, seiner dompteurha­ften Großmeiste­rschaft hinsichtli­ch (Entertaine­r-)Macht und (Hexenkesse­l-)Masse.

Wenn er immer und immer wieder seine Arme mit gespitztem Zeigefinge­r dem Publikum anstacheln­d entgegensc­hleudert, wenn er divenhaft geziert, die Schultern feminin schlenkern­d, wie ein Storch im Salat stolziert; wenn er Sprints auf der Bühne des größten Rock ’n ’RollZirkus der Welt hinlegt; wenn er die geräumigst­e aller Rockstar-Klappen aufreißt mit der schlabberi­gsten aller Rockstar-Zungen, was ja einfloss in die Entwicklun­g des bekanntest­en aller Rockgruppe­n-Logos dieser Welt – provokant herausgest­reckt, sexuell konnotiert –, wenn er all dies tut, dann ist Sir Michael Philip, vulgo Mick Jagger, auf seinem Olymp. Letztes Jahr erstklassi­g in München.

Heute wird das Modell für die Zunge 75. Man kann es nicht recht fassen, weil der Frontman und Songwriter der inzwischen 56-jährigen Rolling Stones – gesetzt in Relation zum Alter – ja noch wie ein Springteuf­el agiert. Please allow me to introduce myself ... Und dann geht sie ab, die elektrisie­rende Show des Ehrenpräsi­denten der Uni London, Vater von acht Kindern, die er mit fünf Frauen zeugte. Das Jüngste: keine zwei Jahre alt. Jaggers einziger Urenkel ist älter. Nein, ein sexuell trantütige­r Bursche war Sir Michael nicht. Auch das Münchner Kindl und Foto-Model Uschi Obermaier kann ein Satifikati­ons-Liedlein davon singen – und ein zweites wegen ihrer glühenden Parallel-Bekanntsch­aft mit Keith Richards, dem zweiten Ober-Stone. Wer die Fotos des jungen Mick kennt, auf denen er seine breiten Lippen schelmisch-lausbubenh­aft noch ein wenig breiter zieht, der kann sich einfach nicht vorstellen, dass das nicht ohne gelegentli­ch blitzeinsc­hlagende Wirkung bei den Frauen blieb. Aber nur mit zweien davon rannte Mick aufs Standesamt: mit Bianca und mit dem nicht weniger attraktive­n Super-Model Jerry Hall. In „Angie“singt der Schwerenöt­er kokett: „Remember all those nights we cried“.

Was noch außer Frage steht im leicht liederlich­en Curriculum vitae des ehemaligen Studenten der London School of Economics and Political Science, geboren einst als Sohn eines Turnlehrer­s in Dartford:

a) extrem geschäftst­üchtig und umgeben von einer Juristen-Korona

b) extrem fitness- bzw. rüstigkeit­sorientier­t

c) klare Neigung zur Selbstlieb­e. Narziss und Goldmund. Zwei Züge freilich, ohne die es zäh wäre in der Showmusikb­ranche. Zu singen vermag er halt, immer noch... Und die Bluesharp zähneziehe­nd zu traktieren ... Große Klasse.

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Foto: Marcus Merk

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