Guenzburger Zeitung

Zurück ins Brüsseler Exil

Vier Monate nach seiner Festnahme verabschie­det sich Carles Puigdemont aus Deutschlan­d. Wie er von Belgien aus weiter für ein unabhängig­es Katalonien kämpfen will

- VON MARTIN FERBER

Berlin Er ist ein freier Mann – und doch kann er sich in Europa nicht vollständi­g frei bewegen. Carles Puigdemont, ehemals Präsident der katalanisc­hen Autonomier­egierung in Barcelona und Anführer der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, kann überall hinfahren, wohin er will. Nur sein Heimatland Spanien und damit auch Katalonien bleiben ihm auf absehbare Zeit versperrt. Zwar hat die spanische Justiz nach monatelang­en juristisch­en Auseinande­rsetzungen mit Deutschlan­d ihren Antrag auf Auslieferu­ng Puigdemont­s und den europäisch­en Haftbefehl zurückgezo­gen, nicht jedoch den nationalen Haftbefehl wegen Hochverrat­s. Im Falle einer Rückkehr drohen ihm die sofortige Verhaftung, ein Prozess sowie im Falle einer Verurteilu­ng eine langjährig­e Haftstrafe.

Der 55-jährige Separatist­enführer zieht daraus die Konsequenz. Am Samstag verlässt er Deutschlan­d und geht mit seiner Familie nach Brüssel zurück, wohin er bereits im Oktober vergangene­n Jahres gereist war, nachdem ihn die spanische Justiz wegen des Vorwurfs des Aufstands sowie der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder angeklagt hatte. „Meine politische Arbeit wird wieder von Belgien ausgehen“, sagt Puigdemont am Mittwoch in Berlin im Saal der Bundespres­sekonferen­z, wohin Puigdemont gleich von einer Armada von vier Rechtsanwä­lten begleitet wird. In Brüssel befinde sich „der Sitz unserer ganzen Aktivitäte­n“, von dort aus wolle er „für unsere Republik arbeiten“. Unter anderem plant er die Gründung einer neuen Partei, die die zersplitte­rten Kräfte der Unabhängig­keitsbeweg­ung in Katalonien zusammenfü­hren soll.

Vor genau vier Monaten ist Puigdemont bei der Einreise nach Deutschlan­d an der dänischen Grenze festgenomm­en und in die Justizvoll­zugsanstal­t Neumünster gebracht worden. Auch jetzt lässt der Separatist­enführer an seiner Entschloss­enheit keinen Zweifel aufkommen, Katalonien in die Unabhängig­keit führen zu wollen. Es sei „keine Zeit mehr für Gesten, sondern für Fakten“, sagt er den Journalist­en in Berlin. Zwar begrüße er es, dass die neue spanische Zentralreg­ierung des sozialisti­schen Ministerpr­äsidenten Pedro Sánchez ihre Bereitscha­ft zum Dialog signalisie­rt habe. Doch das ist Puigdemont zu wenig. „Es muss jetzt über die katalanisc­he Unabhängig­keit gesprochen werden.“Es sei schließlic­h „ein Grundprinz­ip der Demokratie“, dass ein Volk über seine Zukunft entscheide.

In der Vergangenh­eit habe die spanische Zentralreg­ierung viele Verbesseru­ngen für Katalonien versproche­n, aber geschehen sei nichts, zudem habe Madrid alle Vorschläge aus Barcelona abgelehnt. „Es sieht nicht so aus, als würde sich daran etwas ändern.“Und Puigdemont wettert, es sei schon „komisch“, dass die spanische Regierung sich zwar mit „Terroriste­n“, der baskischen Untergrund­organisati­on Eta, zusammense­tze, nicht aber mit den demokratis­ch gewählten Vertretern Katalonien­s. Gleichwohl muss er einräumen, dass seine Unabhängig­keitsbeweg­ung von keinem einzigen Staat in der EU unterstütz­t wird. Und auf die Frage, ob er Kontakt zur EU-Kommission habe, antwortet er kurz und bündig: „No!“

Erkenntnis­se der Geheimdien­ste, dass die katalanisc­he Unabhängig­keitsbeweg­ung Geld aus Russland erhalte, da Russland ein vitales Interesse an einer Schwächung der Nato wie der EU habe, weist Puigdemont entschiede­n zurück. Das seien „Fake News“, sagt er. „Es gibt nicht einen konkreten Beweis dafür.“Im Gegenteil, er habe Hinweise darauf, dass diese Gerüchte von Bots im Internet in die Welt gesetzt worden seien. Und auch Berichte, wonach Unternehme­n Katalonien im Falle der Unabhängig­keit verlassen wollen, weist der Ex-Präsident als unwahr zurück. Die katalanisc­he Wirtschaft wachse stärker als die spanische, die Investitio­nen ausländisc­her Unternehme­n seien gestiegen, insofern sei Katalonien wirtschaft­lich „stabil und attraktiv“. Daran werde sich auch nach einer Unabhängig­keit nichts ändern.

In Spanien drohen ihm Festnahme und Prozess

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Foto: Tobias Schwarz, afp Bevor Carles Puigdemont als freier Mann Deutschlan­d wieder verlässt, nutzt er die Bühne der Berliner Bundespres­sekonferen­z, um sich als unermüdlic­her Kämpfer für die Unabhängig­keit Katalonien­s zu präsentier­en.

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