Guenzburger Zeitung

Mankells erstes Buch erscheint

Sein Debüt von 1973: ein Arbeiterro­man

- VON PETER MOHR

„Nein, ich könnte nicht sagen, welches meiner Bücher ich am meisten mag. Höchstens ein Drittel meiner Arbeit sind Krimis, und es ist schön, dass sie für die anderen Bücher eine Art Lokomotive geworden sind“, hatte der schwedisch­e Erfolgsaut­or Henning Mankell kurz vor seinem Tod erklärt. Nun führt diese Lokomotive in die Vergangenh­eit – zu Mankells erstem, 1973 in Schweden erschienen­en Roman „Der Sprengmeis­ter“.

Weltweit sind über 40 Millionen Mankell-Bücher verkauft worden, der Großteil davon die Erfolgsrom­ane um den kauzigen Kommissar Wallander. Neben Krimis und qualitativ unterschie­dlichen erzähleris­chen Ausflügen nach Afrika pflegte Mankell ein drittes literarisc­hes Standbein – den psychologi­sch ambitionie­rten „Gesellscha­ftsthrille­r“.

Sein Debüt „Der Sprengmeis­ter“fügt sich in keines dieser Segmente, denn Mankell hat einen klassische­n Arbeiterro­man vorgelegt, der Erinnerung­en an die Romane von Max von der Grün aufkommen lässt. Wie in dessen „Männer in zweifacher Nacht“(1962) dreht sich in Mankells Erstling alles um einen verheerend­en Arbeitsunf­all. Der Sprengmeis­ter Oskar Johansson hat als junger Mann eine schwere Detonation beim Tunnelbau überlebt. Soll er sich glücklich schätzen, dass er mit schweren körperlich­en Schäden (er verlor einen Arm und ein Auge) die Katastroph­e überlebt hat?

Nichts ist wie vorher, das Unglück hat ihn ungebremst an den Rand der Gesellscha­ft katapultie­rt. Seine Freundin Elly trennt sich von ihm; er heiratet später deren Schwester Elvira, die er auf einer Demonstrat­ion kennengele­rnt hat, und bringt sich mit aller Kraft aktiv in der Arbeiterbe­wegung ein. Er kehrt sogar in seinen Beruf zurück, hält sich, seine Frau und die drei Kinder mehr schlecht als recht über Wasser. Nach dem Tod seiner Frau und dem Abriss des Wohnvierte­ls, in dem er lebt, zieht er sich zurück in ein altes Saunahaus auf einer Schärenins­el.

Wenn Johansson in einer Mischung aus Naivität und missionari­schem Eifer über die „Revolution von unten“grübelt, entgleitet die Kapitalism­uskritik in die seichten Sphären einer sozialroma­ntischen Posse und liest sich wie ein lang anhaltende­r, verzweifel­ter (und ungehörter) Schrei nach Gerechtigk­eit.

Es ist wohl alles andere als Zufall, dass Mankell auch den Arzt Frederik Welin in seinem letzten Roman „Die schwedisch­en Gummistief­el“auf einer Schärenins­el enden ließ. Dazwischen liegen viele Bücher, die alle eine gehörige Portion Gesellscha­ftskritik verbindet. Im „Sprengmeis­ter“hat sich Mankell, der „Anwalt der Schwachen“, noch der Holzhammer­methode bedient: „Arbeiter ist man immer geblieben. Es hat sich schon viel verändert, nur nicht für uns.“Man wird weder mit der Oskar-Figur noch mit dem Buch richtig warm – wegen zu viel Schwarz-Weiß-Malerei.

» Henning Mankell: Der Sprengmeis ter. Aus dem Schwedisch­en von Verena Reichel und Annika Ernst. Zsolnay Verlag, 189 Seiten, 21 Euro.

 ?? Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa ?? Henning Mankell im November 2014 in Düsseldorf.
Foto: Rolf Vennenbern­d, dpa Henning Mankell im November 2014 in Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany