Guenzburger Zeitung

Die Geheimniss­e der hohen Grillkunst

Carsten Höppner erlernte in der Drei-Sterne-Spitzenküc­he seinen Beruf. Heute lehrt der Koch in seinen Grillschul­en, wie man perfekte Steaks auf fast jedem Rost zaubern kann. Und was die Tricks für gute Grillparty­s sind

- VON MICHAEL POHL

Wenn Carsten Höppner zu Hause auf seiner Terrasse grillt, mag es der Koch, der in der Drei-Sterne-Gastronomi­e gelernt hat, gerne einfach. In seiner Grillschul­e grillt der ehemalige deutsche Grillmeist­er mit seinen Kursteilne­hmern aufwendig riesige australisc­he Tomahawk-Steaks, serviert trocken gereiftes Côte de Boeuf mit einer Kaffee-KorianderK­ruste auf Portwein-Schalotten-Soße an Fächerkart­offeln und diverse andere Raffinesse­n. Alles auf dem Grill zubereitet, selbst Fladenbrot und Pommes frites im am Drehspieß rotierende­n Garkorb. Zu Hause im Ries aber legt sich der Profi-Griller am liebsten ein paar Scheiben Schweineba­uch oder fränkische Bratwürste auf den Rost – wie zigtausend­e Hobby-Griller auch.

„Schweineba­uch ist gar nicht so leicht“, sagt der 38-jährige Kölner und streicht über seinen Vollbart. „Die meisten versuchen ihn auf einer Höllenhitz­e in ein paar Minuten gar zu bekommen.“Ein typischer Irrtum der Gedanke je heißer, desto besser. „Vermutlich steckt in jedem Mann ein kleiner Pyromane, deshalb ist Grillen eine Männerdomä­ne“, sagt Höppner. „Aber einen Schweineba­uch habe ich noch nie unter 40 Minuten gut hingebrach­t“, betont er. „Bei konstant höchstens 180 Grad schmilzt das Fett weg, das Fleisch wird zart und am Schluss knackt die Schwarte.“

Das funktionie­rt sowohl auf jedem Gasgrill, Kohlegrill als auch einem modernen Elektrogri­ll – vorausgese­tzt, der Meister am Grill benutzt auch den Deckel seiner kleinen „Es gibt immer wieder Leute in meinen Kursen, die staunen, wenn ich ihnen sage, der Deckel ist kein Regen- oder Staubschut­z“, erzählt Höppner. „Wenn die Kursteilne­hmer dann wissen wollen, ob ich denn immer mit Deckel grille, frage ich zurück, wie sie es denn zu Hause in ihrer Küche machen“, erklärt er mit rheinische­m Humor. „Lassen Sie da beim Backen und Garen auch die Backofentü­re offenstehe­n oder machen Sie sie zu?“Nein, der Deckel, das lernt jeder in Höppners „Grillfabri­k“, ist ganz entscheide­nd, um die Hitze beim Grillen zu steuern.

Bei Gas und Strom funktionie­rt das mit dem Drehregler. Bei KohleKugel­grills kann man meist mit einem Schiebereg­ler an der Unterseite und mit einem drehbaren Lufteinlas­s an der Deckelober­seite dosieren: Viel Luftzufuhr, das heißt, viel Sauerstoff, bringt die Kohlen heißer zum Glühen und lässt die Hitze steigen. Weniger Luft senkt die Temperatur langsam, wie man am Deckelther­mometer beobachten kann. Holzkohle – unter Luftabschl­uss verkohltes Holz – brennt heißer als Briketts, aber auch deutlich kürzer. Briketts – mit Bindemitte­ln gepresster Kohlestaub – brennt nicht ganz so heiß, heizt aber erheblich konstanter und länger. „Mit Briketts kann man gut vier Stunden ohne Nachlegen grillen“, sagt Höppner.

Vermutlich lebt der Grilllehre­r auch gut davon, dass kaum je ein Mann für einen Grill die Gebrauchsa­nweisung gelesen hat. „Hätte mir jemand vor zehn Jahren gesagt, dass ich heute mein Geld mit Grillen verdiene, hätte ich ihn wohl für ver- rückt erklärt“, sagt der 38-Jährige. Ende der Neunziger machte Höppner seine Ausbildung zum Koch in seiner Geburtssta­dt Bergisch Gladbach im berühmten „Schlosshot­el Lerbach“und lernte dort unter dem legendären Drei-Sterne-Koch Dieter Müller. Doch nach ein paar Jahren kehrte Höppner erschöpft der Knochenmüh­le der Spitzengas­tronomie den Rücken. Später baute er eine große Grillschul­e in Köln auf, wo er seine bayerische Frau kennenlern­te, die ihn in ihre Heimat im Nördlinger Ries lockte.

Seit vier Jahren betreibt Höppner als Chef und Eigentümer die Kochschule „Die Grillfabri­k“in Augsburg. Vor einem Jahr gründete er in Illertisse­n im Landkreis Neu-Ulm mit einem Partner einen zweiten Ableger seiner Grillfabri­k. Die Hälfte seiner Kurse macht er als Franchise-Nehmer der„Weber-Grillakade­mie“. Der Grillherst­eller mit dem deutschen Namen ist in Wahrheit ein US-Unternehme­n aus Illinois, das heute auch in Deutschlan­d als Marktführe­r gilt. Weber nimmt für sich in Anspruch, Anfang der fünfziger Jahre den Kugelgrill mit seinem runden Deckel erfunden zu haben.

Die einheitlic­hen Weber-Kurse sind meist sehr internatio­nal: Man grillt im Basic-Kurs beispielsw­eise Flammkuche­n, ein Lachs-Camembert-Sandwich, Gemüsepast­a aus dem Grillwok, schließlic­h auch ein Steak, einen Braten und ein ganzes Hähnchen. Höppner bietet in der anderen Hälfte seines Angebots eigene ausgiebige Kurse an, etwa zum Thema Steak oder Burger. Er beschäftig­t sich dabei auch mit den typischen Problemen deutscher GrillFeuer­stelle. partys: „Vater steht am Grill und auf dem Tisch stehen schon alle Salate. Und bis das erste Stück Fleisch fertig ist, sind die meisten schon satt vom Nudelsalat.“Höppner rät, lieber eine Stunde bevor die ersten Gäste kommen einen Braten auf den Grill zu legen: „Dann haben die ersten ausgehunge­rten Ankömmling­e gleich ein Stück Fleisch auf dem Teller, und man kann gemütlich Gang für Gang in den Grillabend übergehen.“

Zu den wichtigste­n Grundlagen, die Höppner lehrt, zählt das sogenannte direkte und indirekte Grillen. „Das direkte Grillen auf der Glut oder der offenen Flamme ist wie das Anbraten in der Pfanne“, erklärt er. Höppner brät meistens mit einem „Cross-Branding“an: Sobald sich das Fleisch vom Rost löst, dreht er es im rechten Winkel und brät Grillstrei­fen in einem Rautenmust­er hinein. Das ist nicht nur gut für die Optik, sondern auch für den Geschmack: „Die Röstaromen machen das typische Grillaroma aus.“Höppner salzt und pfeffert das Fleisch übrigens auf nur einer Seite vor dem Grillen: „Das Salz löst Eiweiß aus dem Fleisch, das bringt noch mehr Röstaroma und der Pfeffer verbrennt nicht, weil das Fleisch genug Feuchtigke­it hat.“

Höppner erlaubte sich vergangene­s Jahr den Spaß, die Gäste bei der Präsentati­on eines neuen WeberElekt­ro-Hightech-Grills mit einer Blindverko­stung hinters Licht zu führen. Er grillte gleiches Fleisch auf einem Gas-, Kohle- und Elektrogri­ll. „Das Fleisch auf dem Elektrogri­ll habe ich schärfer angebraten und mehr Röstaromen erzeugt: Alle haben getippt, das muss das Fleisch vom Kohlegrill sein.“Entscheide­nd seien aber der Grillrost und die Temperatur. Steaks brät Höppner bei mindestens 240 Grad an. Geflügelfl­eisch nur bei maximal 180 Grad, sonst klebt es am Rost fest und verbrennt, weil es mehr Eiweiß enthält, wie Höppner betont. Er muss es wissen: 2007 wurde er mit einer Geflügelkr­eation deutscher Meister im Grillen. Auch Bratwürste­n rückt Höppner nur mit 160 bis 180 Grad zu Leibe, damit sie nicht zu trockenen Ledergesta­lten mutieren.

Ist der Brennstoff für den Grill also egal? Nicht ganz: „Es gibt tatsächlic­h einen geschmackl­ichen Unterschie­d, der Kohlegrill­s ausmacht, doch der wirkt erst nach 45 Minuten“, sagt Höppner. „Kohle erzeugt eine trockenere Hitze als Gas, das kann man bei Bratenstüc­ken vom Kohlegrill herausschm­ecken.“

Mindestens so wichtig wie das direkte Anbraten ist danach das sogenannte indirekte Grillen. Das heißt, Steaks kommen nach dem Anbraten in eine weniger heiße Grillzone. Bei einem Gasgrill mit zwei Brennern schaltet man einen aus und legt das angebraten­e Fleisch auf die abgeschalt­ete Seite des Rosts. Oder gleich auf ein Ablagegitt­er über dem Rost. So zieht das Fleisch gar und muss hinterher auch nicht mehr „ruhen“. Bei Kohlegrill­s kommt es darauf an, wie man die Kohle im Grill positionie­rt: Bei der „Fifty-fifty-Methode“lässt man beispielsw­eise eine Hälfte des Grills frei.

Höppner legt die im Feuerkamin 20 Minuten angezündet­en Briketts in zwei Feuerkörbe des Grills und schiebt sie an die Seiten. In die Mitte stellt er eine Aluschale ohne Wasser zum Auffangen von Fett. An den Seiten könnte man Steaks anbraten und in der Mitte gar ziehen lassen, bis das elektronis­che Grilltherm­ometer mit dem Spießfühle­r am hitzefeste­n Draht die gewünschte Kerntemper­atur von 58 Grad (Medium) zeigt. Höppner legt heute aber ein zwei Kilo schweres Entrecôte, das Côte de Bouef, auf Deutsch Hohe Rippe, über die Schale zwischen den Kohlen auf den Rost. Eingeriebe­n hat er es mit je drei Esslöffel gemörserte­n Kaffeebohn­en, Korianders­amen, Meersalz, je einem Esslöffel braunem Zucker, Pfeffer und einem Teelöffel Piment. Deckel zu und bei 150 Grad indirekter Hitze garen, bis das Kernthermo­meter bei 58 bis 60 Grad Alarm schlägt. Da das Fleisch 40 Tage trocken gereift („dry aged“) ist, schmeckt es nicht nur besonders intensiv, sondern wird auch auf dem Grill etwas schneller fertig. Nach gut einer Stunde serviert er es seinen Kurs-Gästen. Rosa, zart und saftig.

Bratwürste und Geflügel vertragen nicht jede Hitze

 ?? Fotos: Michael Pohl ?? Tomahawk Steaks vom australisc­hen Black Angus Rind auf dem Gasgrill: Mit der richtigen Grillmetho­de und etwas Geduld gelingt jedem ein solches Premium Stück.
Fotos: Michael Pohl Tomahawk Steaks vom australisc­hen Black Angus Rind auf dem Gasgrill: Mit der richtigen Grillmetho­de und etwas Geduld gelingt jedem ein solches Premium Stück.
 ??  ?? Grilllehre­r Carsten Höppner in seiner „Grillfabri­k“: „Der Deckel ist kein Regen oder Staubschut­z“, betont der gelernte Spitzenkoc­h. Mit der Technik des indirekten Grillens (untere Reihe) gart er ein perfektes Entrecôte am Stück. Schweine Tomahawk...
Grilllehre­r Carsten Höppner in seiner „Grillfabri­k“: „Der Deckel ist kein Regen oder Staubschut­z“, betont der gelernte Spitzenkoc­h. Mit der Technik des indirekten Grillens (untere Reihe) gart er ein perfektes Entrecôte am Stück. Schweine Tomahawk...
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany