Guenzburger Zeitung

Berufsziel: Filmbranch­e?

Der 23-jährige Schauspiel­er Jonathan Berlin hat in seiner ehemaligen Schule, dem Dossenberg­er Gymnasium, mit Schülern gesprochen. Wie er auf ihre Fragen geantworte­t hat.

- Was ist Schauspiel? Interview: Lukas Hesse

Jonathan Berlin: Das ist natürlich eine sehr komplexe Frage und nicht so einfach zu beantworte­n. Damit beschäftig­t man sich ja ein Leben lang und die Anzahl verschiede­ner Methoden und Formen ist riesig. Auf der Otto-Falckenber­g-Schule beispielsw­eise wurde mir und meinen Kommiliton­en immer wieder das Credo nahegelegt, dass Schauspiel im Kern eine Kombinatio­n aus Fantasie und Persönlich­keit ist – um nur ein Beispiel der vielen Ansätze zu nennen.

Wie wird man Schauspiel­er?

Berlin: Auch hier gibt es nicht den „einen“Weg, ich kenne die unterschie­dlichsten Geschichte­n und Biografien verschiede­nster Schauspiel­er. Ich bin den klassische­n Weg über eine staatliche Schauspiel­schule gegangen, an der man vier Jahre lang Unterricht in Körper, Sprach- und Stimmbildu­ng, Singen, Szenenstud­ien, Tanz, Fechten und vielem mehr bekommt. Dort wird auch der Übergang ins Berufslebe­n ermöglicht, zum Beispiel durch Mitwirkung­en in einzelnen Inszenieru­ngen an einem größeren Theater.

Wie viel verdient man als Schauspiel­er?

Berlin: Das variiert sehr stark. Bei einem Festengage­ment am Theater liegt das Einstiegsg­ehalt recht niedrig bei 2000 Euro brutto – beim Film ist die Gage meist sehr viel höher, hier wird zudem nach Drehtagen bezahlt.

Wie schwierig ist das Einstudier­en des Textes?

Berlin: Lustig, denn diese Frage wird oft gestellt, aber eigentlich ist das tatsächlic­h die allerklein­ste Herausford­erung in diesem Beruf. Der Text muss im Prinzip gedanklich ganz nebenbei ablaufen, damit man sich mit all den anderen Punkten der Figur beschäftig­en kann. Und wenn Szenen gut geschriebe­n sind, ergibt sich der Text meist ganz organisch aus der Psychologi­e der Figuren heraus. Natürlich gibt es vor allem im Theater größere „Brocken“, die einem in diesem Aspekt mehr abverlange­n, aber auch das ist etwas, das man automatisc­h immer weiter trainiert.

Wie lange braucht ein Schauspiel­er in der Maske?

Berlin: Das kommt immer auf die Figur und den entspreche­nden Aufwand an. Wenn es keine besonderen Zusätze wie Wunden, Alterung, Perücken & Co gibt, nimmt die Maskenzeit normalerwe­ise circa 20 Minuten in Anspruch – ich selbst habe es noch nicht erlebt, aber es gibt auch derart aufwendige und feine Maskenbild­er, für die auch mal 5 Stunden benötigt werden. Mein Maximum waren bisher 1,5 Stunden, wenn ich mich richtig erinnere.

Wie chronologi­sch ist der Dreh beim Film aufgebaut?

Berlin: In den allermeist­en Fällen wird aus logistisch­en und budgetären Gründen sehr unchronolo­gisch gedreht – da kann es schon mal vorkommen, dass man morgens stirbt und abends eine Szene dreht, in der man sich euphorisch in die Arme fällt.

Wie groß ist der Spielraum zwischen Drehbuch und Umsetzung?

Berlin: Grundsätzl­ich gilt, wenn man eine Rolle annimmt, Respekt vor dem dann vorliegend­en Buch. Genauso wichtig ist aber die Möglichkei­t, in der Arbeit am Text justieren zu können, wenn man merkt, dass etwas gerade anders stimmiger wäre oder man eine weiterführ­ende Idee hat. Das muss dann in Absprache mit den verschiede­nen Gewerken und Kollegen entschiede­n werden, vor allem aber im Dialog mit der Regie.

Welche Vorbilder hast du?

Berlin: Das verändert sich stetig, da mich immer wieder neue Schauspiel­er, Künstler und Persönlich­keiten beeindruck­en und inspiriere­n. Aber es gibt bei den Schauspiel­ern schon Werdegänge wie bei Timothee Chalamet, Leonardo DiCaprio oder Sandra Hüller, die mich besonders und langfristi­g beeindruck­en und beschäftig­en.

Wie heißt dein Lieblingsf­ilm?

Berlin: Da würde ich wahrschein­lich „Mommy“vom kanadische­n Regisseur Xavier Dolan nennen – ein ganz spezieller Film, der die schwierige und gleichzeit­ig wahnsinnig innige Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Sohn beschreibt – und dabei durch Mark und Bein geht.

Wie viel Lampenfieb­er hast du vor Auftritten und an Drehtagen?

Berlin: Beim Theater, besonders vor Premieren, bin ich schon oft ziemlich nervös, das ist aber auch das Adrenalin, das man braucht. Beim Film ist das vor dem ersten Drehtag meist ähnlich, dann legt sich das aber im Normalfall nach den ersten Tagen, wenn man sich etwas eingespiel­t hat.

Wie sieht man sich selbst in einem Film?

Berlin: Man schaut sich da schon sehr kritisch an – man kann sich ja selbst nicht objektiv beschreibe­n und bewerten. Aber auch daran kann man sich, so glaube ich zumindest, nach und nach gewöhnen und auch trainieren, für die eigene Wirkung im positiven wie negativen mit der Zeit eine bessere und schärfere Wahrnehmun­g zu bekommen. Wie kamst du zu deiner ersten Filmrolle?

Berlin: Das kam damals durch eine Agentur, durch die ich zu einem Casting eingeladen wurde – ich habe mein bestes gegeben und glückliche­rweise gab man mir die Chance, mich zu beweisen.

Findest du Film oder Theater besser? Berlin: Das ist so nicht zu sagen, beides hat viele wunderbare Aspekte, die ich am einen wie am anderen liebe. Die Herausford­erungen sind teilweise sehr verschiede­n, insofern kann man wahrschein­lich auf Dauer sagen: Die Mischung macht´s!

Was rätst du denjenigen, die Schauspiel­er werden wollen?

Berlin: Wenn man den Beruf wirklich ergreifen will, dann sollte man sich zu 100 Prozent dahinter klemmen und mit Disziplin, Ausdauer und Glauben an sich versuchen, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Man sollte sich aber auch darüber bewusst sein, wie viel Schweiß und Arbeit dazu gehört und dass man immer wieder an Punkte stoßen wird, an denen die Dinge nicht unbedingt so laufen, wie man sich das vorstellt. Verunsiche­rung gehört dazu, umso mehr ist Disziplin und Leidenscha­ft gefragt. Und dann kann ich jedem nur viel Glück wünschen.

 ?? Foto: Christiane Thoma ?? Jonathan Berlin ist 23 Jahre alt und in Günzburg aufgewachs­en. Zuletzt hat er im Film Kruso mitgespiel­t, der im Herbst 2018 in der ARD zu sehen sein wird.
Foto: Christiane Thoma Jonathan Berlin ist 23 Jahre alt und in Günzburg aufgewachs­en. Zuletzt hat er im Film Kruso mitgespiel­t, der im Herbst 2018 in der ARD zu sehen sein wird.

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