Guenzburger Zeitung

Als KZ Häftlinge Porzellan herstellen mussten

In München-Allach betrieb die SS eine Manufaktur. Die Figuren sind als Sammlerstü­cke stark gefragt

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München Münchner Kindl, 1400 Euro; Schäferhun­d liegend, farbig, 1500 Euro; Barock-Leuchter mit Jagdmotive­n, fünfkerzig, 5800 Euro: Historisch­es Porzellan aus der Manufaktur München-Allach ist weltweit gefragt. Der Internetsh­op von „Allacher Porzellan“bietet vieles – von „herzig“bis „politisch“. Nur Skrupel darf man nicht haben, wenn man sich „echt Allach“in die Vitrine stellt. Denn der Betrieb war so etwas wie der Hofliefera­nt der SS und ihres skrupellos­en Chefs Heinrich Himmler.

Um zu sehen, was es mit der Marke Allach auf sich hat, muss man die Figuren, Vasen oder Leuchter umdrehen: Wo sich Meißen mit den berühmten blauen Schwertern zu erkennen gibt, Nymphenbur­g mit dem blau-weißen Bayernwapp­en und die Königlich Preußische Porzellanm­anufaktur mit einem Zepter, prangen bei Allach die SS-Runen. Himmler, der „Reichsführ­er SS“, schenkte den Nazi-Nippes seinen Freunden und den Kameraden vom Schwarzen Corps und gab ganze Sonderseri­en in Auftrag. Etwa einen „Lebensleuc­hter“für SS-Männer, versehen mit der Widmung: „Alle guten Wünsche für unser Volk, für Deine Sippe, für Deine Eltern, für Dich! Heinrich Himmler“. Alles gefertigt mithilfe von Zwangsarbe­itern des Konzentrat­ionslagers

Dachau.

Es gibt ein Foto, auf dem Himmler neben seinem obersten Dienstherr­en Adolf Hitler zu sehen ist. Vor ihnen eine Porzellang­ruppe von acht farbigen Fußsoldate­n des AllachKüns­tlers Richard Förster. Sie waren ein Geschenk zu Hitlers 55. Geburtstag im April 1944, den der Diktator auf seinem „Berghof“bei Berchtesga­den feierte.

Begründet wurde die Marke „Allach“von dem in Ungarn geborenen Porzellanf­abrikanten Franz Nagy und dem Porzellanm­aler Karl Diebitsch im Jahre 1920. Zunächst wurde auf einem Privatgrun­dstück in München-Allach produziert, wobei namhafte Porzellank­ünstler wie Förster und Theodor Kärner die Entwürfe lieferten. Diebitsch, Nationalso­zialist der ersten Stunde, knüpfte Kontakte zu Himmlers Truppe, die den Betrieb Ende der 30er Jahre übernahm und in ihr Wirtschaft­simperium einglieder­te.

Gefertigt wurden überwiegen­d Geschenke: für SS-Leute, Wehrmacht und Polizei sowie für ausländisc­he Staats- und Stadtgäste. 1943 arbeiteten bis zu 100 KZ-Häftlinge in der Manufaktur, darunter zwei österreich­ische Spanienkäm­pfer als Porzellanb­renner. Im Jahre 1937 umfasste der Allacher Katalog etwa 80 Modelle. Prunkstück einer Ausstellun­g war ein „ausgezeich­neter Bildniskop­f des Führers in dunklem Steinzeug“, wie es damals in einer Rezension hieß.

Wie viele Stücke noch kursieren, ist nicht bekannt. Doch dem Archivar der KZ-Gedenkstät­te Dachau, Albert Knoll, ist nicht wohl bei dem Gedanken, welch stattliche Preise manche Sammler für das SS-Porzellan zu zahlen bereit sind: „Wir kaufen selbst hin und wieder Stücke für unser Archiv, doch wir vermeiden es unter allen Umständen, die Preise noch weiter hochzutrei­ben.“Welche Motive die Sammler bewegen, darüber kann auch Knoll nur spekuliere­n. Ist es ein morbider Reiz, eine braune Gesinnung oder nur Geschäftss­inn? Besonders begehrt sind Figuren mit einschlägi­gem politische­n Bezug. „Ich habe vor kurzem einen farbig gefassten SS-Reiter für 50 000 Euro verkauft“, sagt Andreas Thiel, der in Dachau mit Allacher Porzellan handelt. Die Nachfrage sei groß, vor allem bei vermögende­n Russen. „Die interessie­ren sich besonders für Bären und politische Motive.“Auch das Münchner Auktionsha­us Hermann Historica hat keine Skrupel, SS-Porzellan in seinen opulenten Katalogen anzubieten. „Eine Tabuisieru­ng dieses Gebietes würde nur zu einem intranspar­enten Markt führen“, heißt es in dem Wälzer.

Bei den KZ-Häftlingen sei die Arbeit in der Manufaktur gegenüber anderen Kommandos bevorzugt worden, sagt Archivar Knoll. Dort blieb man zum Teil von den anstrengen­den Appellen verschont und konnte sich im Winter an den Brennöfen aufwärmen. „Manche konnten sich sogar künstleris­ch betätigen.“Was nichts ändert an der Tatsache, dass auch ihr Leben immer in Gefahr war. Wer mit Allacher Porzellan handele, müsse sich bewusst sein, sagt Knoll, „dass es im Zeichen einer menschenve­rachtenden Ideologie stand und dafür Menschen gelitten haben“.

Nach dem Krieg besetzten die Amerikaner die Manufaktur und nutzten sie für ihren „Labour Service“. Danach verfiel sie und wurde 1978 abgerissen. Einige Stücke gelangten in die Dauerausst­ellung zur NS-Zeit im Münchner Stadtmuseu­m. „Bildhaueri­sch hat das schon eine gewisse Qualität“, sagt Antonia Voit von der Sammlung Angewandte Kunst des Museums. „Aber es war eben dazu gedacht, dem damaligen Gedankengu­t einen künstleris­chen Ausdruck zu verleihen.“

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa ?? Drei Moriskentä­nzer, entstanden um das Jahr 1939, aus der Porzellan Manufaktur Allach.
Foto: Matthias Balk, dpa Drei Moriskentä­nzer, entstanden um das Jahr 1939, aus der Porzellan Manufaktur Allach.

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