Guenzburger Zeitung

In dieser Familie fehlt jemand

Am Sonntag wird die Anna Selbdritt in Offingen gesegnet. Von den drei Figuren gibt es nur noch Großmutter Anna und Jesus. Wie der Kreisheima­tpfleger darauf gestoßen ist, dass das Werk von einem berühmten Künstler stammt

- VON PHILIPP WEHRMANN

Offingen An vielen Stellen war Farbe abgeplatzt, der Staub hatte sich über die Jahrzehnte festgesetz­t: So stand sie da, die Anna Selbdritt, im Dachboden des Offinger Pfarrhause­s neben der Kirche St. Georg. Normalerwe­ise besteht die Figurengru­ppe aus Großmutter Anna, Säugling Jesus und Maria. Doch die Mutter fehlt schon mindestens 80 Jahre. Künftig soll die Figur in der St.-Georg-Kirche stehen – allerdings weiterhin ohne Maria.

Der Kreisheima­tpfleger Stephan Uano arbeitet in der Verwaltung der Pfarrei. In deren Archivbest­änden fand er zufällig einen Zettel, der ihn stutzig machte. In der Notiz ist die Rede von ebendieser Anna Selbdritt. Die Notiz stammt aus der Zeitschrif­t Schwabenla­nd im Jahr 1936 – schon damals war die Maria verscholle­n. Darin ist die Rede von „Bildschnit­zerfamilie Luidl“. Die war Uano ein Begriff. „Das ist eine bekannte Bildschnit­zerdynasti­e“, sagt er. Und tatsächlic­h: Die Offinger Anna Selbdritt stammt wohl aus der Hand eines Luidl.

Pfarrer Bernd Reithemann erklärt, dass die Großmutter Anna eine wichtige Figur im katholisch­en Glauben ist. „Noch heute wird der Annatag am 26. Juli gefeiert“, sagt er. In der Bibel taucht sie nicht auf. Sie hat ihren Ursprung in den Apokryphen. Das sind religiöse Schriften, die nicht zum „Kanon der Heiligen Schrift“zählen, erklärt der Pfarrer.

Der Kreisheima­tpfleger und er wandten sich an das Landesamt für Denkmalpfl­ege. „Die Figur zählt höchstwahr­scheinlich zur Ausstattun­g der Kirche und fällt somit unter Denkmalsch­utz“, erklärt Uano.

Dann kamen zwei Experten nach Offingen: Eine Diplomrest­auratorin Landesamts und der Konserva- tor der Diözese Augsburg machten sich ein Bild vor Ort. Sie vermuten, dass Stephan Luidl (1684-1736) die Ikone gefertigt hat. Annas Arm ist ausgestrec­kt. Die Experten vermu- ten, dass ihre Hand auf Marias Schulter lag. Maria ist in dieser Darstellun­gsform meist sehr klein. „Ihrer Größe nach scheint sie sehr jung, ihr Gesicht hat aber schon die Züge einer Frau“, sagt Uano. Pfarrer Reides themann sagt, dass man damit bezwecke, die zentrale Position Annas in der Darstellun­g zu verstärken.

Der Kreisheima­tpfleger hat sich in einem Archiv in Mering – die Familie Luidl stammt aus diesem Ort nahe Augsburg – nach Informatio­nen über die Figur erkundigt. Die Restaurato­rin Angela Bonhag aus Mering befasste sich zu dieser Zeit ebenfalls im Archiv mit der Familie. So kam der Kontakt zustande – sie erhielt den Auftrag, die Figur zu restaurier­en.

Bei der Neujahrsfe­ier teilte Pfarrer Reithemann seiner Gemeinde mit, dass er die Figur restaurier­en lassen wolle und sie dann einen Platz in der Pfarrkirch­e St. Georg finden soll. Bis zum Annatag sollte sie fertig sein. „Ich war er skeptisch, aber wir haben es geschafft“, sagt Kreisheima­tpfleger Uano. 3000 Euro hat die Restaurier­ung gekostet. Das hat die Pfarrei fast zusammen: 2200 Euro spendeten Mitglieder der Gemeinde, 400 kamen von der Diözese.

Pfarrer Reithemann und Kreisheima­tpfleger Uano sind zufrieden mit dem Ergebnis der Restaurier­ung. Makellos ist die Figur nicht – das soll sie aber auch nicht sein. „Nach dem heutigen Verständni­s der Restaurier­ung soll ein Werk auch danach noch alt aussehen“, sagt Reithemann. Ihm persönlich gefalle das.

Die Anna Selbdritt wird morgen in einem Gottesdien­st in der Pfarrkirch­e St. Georg ab 10 Uhr gesegnet. Weihwasser darf aber nicht auf die Figur kommen, weil sie Schaden nehmen könnte. „Das wird eher symbolisch­en Charakter haben“, sagt der Pfarrer. Im Gottesdien­st spricht er über die theologisc­hen Hintergrün­de der Figur. Im Anschluss thematisie­rt Kreisheima­tpfleger Uano die kunsthisto­rischen Aspekte der Anna Selbdritt.

Jetzt suchen die beiden einen Platz für die Figuren in der Kirche. Das ist nicht einfach: „Wenn etwas asymmetris­ch ist, wirkt es schnell museal“, sagt der Pfarrer. Und das möchte er unbedingt vermeiden.

 ?? Foto: Philipp Wehrmann ?? Kreisheima­tpfleger Stephan Uano und Pfarrer Bernd Reithemann freuen sich darüber, dass die Skulptur Anna Selbdritt restaurier­t ist und am Sonntag gesegnet werden kann.
Foto: Philipp Wehrmann Kreisheima­tpfleger Stephan Uano und Pfarrer Bernd Reithemann freuen sich darüber, dass die Skulptur Anna Selbdritt restaurier­t ist und am Sonntag gesegnet werden kann.

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