In dieser Familie fehlt jemand
Am Sonntag wird die Anna Selbdritt in Offingen gesegnet. Von den drei Figuren gibt es nur noch Großmutter Anna und Jesus. Wie der Kreisheimatpfleger darauf gestoßen ist, dass das Werk von einem berühmten Künstler stammt
Offingen An vielen Stellen war Farbe abgeplatzt, der Staub hatte sich über die Jahrzehnte festgesetzt: So stand sie da, die Anna Selbdritt, im Dachboden des Offinger Pfarrhauses neben der Kirche St. Georg. Normalerweise besteht die Figurengruppe aus Großmutter Anna, Säugling Jesus und Maria. Doch die Mutter fehlt schon mindestens 80 Jahre. Künftig soll die Figur in der St.-Georg-Kirche stehen – allerdings weiterhin ohne Maria.
Der Kreisheimatpfleger Stephan Uano arbeitet in der Verwaltung der Pfarrei. In deren Archivbeständen fand er zufällig einen Zettel, der ihn stutzig machte. In der Notiz ist die Rede von ebendieser Anna Selbdritt. Die Notiz stammt aus der Zeitschrift Schwabenland im Jahr 1936 – schon damals war die Maria verschollen. Darin ist die Rede von „Bildschnitzerfamilie Luidl“. Die war Uano ein Begriff. „Das ist eine bekannte Bildschnitzerdynastie“, sagt er. Und tatsächlich: Die Offinger Anna Selbdritt stammt wohl aus der Hand eines Luidl.
Pfarrer Bernd Reithemann erklärt, dass die Großmutter Anna eine wichtige Figur im katholischen Glauben ist. „Noch heute wird der Annatag am 26. Juli gefeiert“, sagt er. In der Bibel taucht sie nicht auf. Sie hat ihren Ursprung in den Apokryphen. Das sind religiöse Schriften, die nicht zum „Kanon der Heiligen Schrift“zählen, erklärt der Pfarrer.
Der Kreisheimatpfleger und er wandten sich an das Landesamt für Denkmalpflege. „Die Figur zählt höchstwahrscheinlich zur Ausstattung der Kirche und fällt somit unter Denkmalschutz“, erklärt Uano.
Dann kamen zwei Experten nach Offingen: Eine Diplomrestauratorin Landesamts und der Konserva- tor der Diözese Augsburg machten sich ein Bild vor Ort. Sie vermuten, dass Stephan Luidl (1684-1736) die Ikone gefertigt hat. Annas Arm ist ausgestreckt. Die Experten vermu- ten, dass ihre Hand auf Marias Schulter lag. Maria ist in dieser Darstellungsform meist sehr klein. „Ihrer Größe nach scheint sie sehr jung, ihr Gesicht hat aber schon die Züge einer Frau“, sagt Uano. Pfarrer Reides themann sagt, dass man damit bezwecke, die zentrale Position Annas in der Darstellung zu verstärken.
Der Kreisheimatpfleger hat sich in einem Archiv in Mering – die Familie Luidl stammt aus diesem Ort nahe Augsburg – nach Informationen über die Figur erkundigt. Die Restauratorin Angela Bonhag aus Mering befasste sich zu dieser Zeit ebenfalls im Archiv mit der Familie. So kam der Kontakt zustande – sie erhielt den Auftrag, die Figur zu restaurieren.
Bei der Neujahrsfeier teilte Pfarrer Reithemann seiner Gemeinde mit, dass er die Figur restaurieren lassen wolle und sie dann einen Platz in der Pfarrkirche St. Georg finden soll. Bis zum Annatag sollte sie fertig sein. „Ich war er skeptisch, aber wir haben es geschafft“, sagt Kreisheimatpfleger Uano. 3000 Euro hat die Restaurierung gekostet. Das hat die Pfarrei fast zusammen: 2200 Euro spendeten Mitglieder der Gemeinde, 400 kamen von der Diözese.
Pfarrer Reithemann und Kreisheimatpfleger Uano sind zufrieden mit dem Ergebnis der Restaurierung. Makellos ist die Figur nicht – das soll sie aber auch nicht sein. „Nach dem heutigen Verständnis der Restaurierung soll ein Werk auch danach noch alt aussehen“, sagt Reithemann. Ihm persönlich gefalle das.
Die Anna Selbdritt wird morgen in einem Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Georg ab 10 Uhr gesegnet. Weihwasser darf aber nicht auf die Figur kommen, weil sie Schaden nehmen könnte. „Das wird eher symbolischen Charakter haben“, sagt der Pfarrer. Im Gottesdienst spricht er über die theologischen Hintergründe der Figur. Im Anschluss thematisiert Kreisheimatpfleger Uano die kunsthistorischen Aspekte der Anna Selbdritt.
Jetzt suchen die beiden einen Platz für die Figuren in der Kirche. Das ist nicht einfach: „Wenn etwas asymmetrisch ist, wirkt es schnell museal“, sagt der Pfarrer. Und das möchte er unbedingt vermeiden.