Guenzburger Zeitung

Sinkt der Stern von Carles Puigdemont?

Der Führer der katalanisc­hen Separatist­en droht an Einfluss zu verlieren

- VON RALPH SCHULZE El Periódico

Madrid Der katalanisc­he Separatist­enchef Carles Puigdemont erwies sich in der Vergangenh­eit als ein Meister der Selbstinsz­enierung. Doch seit er im Herbst vor der spanischen Justiz die Flucht ergriff, scheint sein Stern langsam zu sinken. Aus der Ferne, so musste Puigdemont inzwischen feststelle­n, lässt sich nicht so einfach in der Heimat Politik machen. Auch wenn er am Wochenende aus Brüssel mitteilte, dass er künftig von Belgien aus weiter unermüdlic­h für die Unabhängig­keit kämpfen werde.

Doch das Leben in der spanischen Region Katalonien geht auch ohne ihn weiter – und möglicherw­eise sogar reibungslo­ser. Denn seit Spaniens neuer sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez Gesprächsb­ereitschaf­t signalisie­rt, zeichnet sich eine leichte Entspannun­g im Katalonien­konflikt ab.

Puigdemont, der die letzten Monate in Deutschlan­d festsaß, muss sich derweil auf eine lange Zeit im Ausland einstellen: Spanien verzichtet­e zwar auf eine Auslieferu­ng aus Deutschlan­d, weil das Oberlandes­gericht im norddeutsc­hen Schleswig nur eine Überstellu­ng wegen des Vorwurfs der Veruntreuu­ng, aber nicht wegen der schweren Anschuldig­ung der Rebellion erlaubte.

Doch nach Spanien wird Puigdemont gleichwohl nicht zurück können, weil dort immer noch ein nationaler Haftbefehl auf ihn wartet. Vielmehr zog es Puigdemont nun wieder nach Belgien. Dort residierte er bereits kurz nach seiner Flucht aus Spanien und kann mit der Sympathie der separatist­ischen flämischen Regierungs­partei NVA rechnen. In dieser Situation des geographis­chen Abseits überrascht­e Puigdemont mit der Ankündigun­g, eine neue Partei gründen zu wollen, mit der er für die Unabhängig­keit kämpfen will. Und wohl auch dagegen, im fast 2000 Kilometer entfernten Katalonien vergessen zu werden.

Die neue Bewegung heißt „Crida Nacional per la República“(„Nationaler Aufruf für die Republik)“. Diese Vereinigun­g soll, so fordert Puigdemont, die zerstritte­nen Separatist­en Katalonien­s wieder einen – und dies alles natürlich unter seiner Führung. Doch in Katalonien stieß Puigdemont­s Versuch, mit der neuen Abspaltung­spartei auf die Bühne zurückzuke­hren und die Konfrontat­ion mit dem Staat aufrecht zu halten, auf ein gedämpftes Echo. Denn Puigdemont­s radikaler Unabhängig­keitskurs hat der Region bisher wenig eingebrach­t. Außer einer tiefen Spaltung der katalanisc­hen Gesellscha­ft in ein prospanisc­hes und ein separatist­isches Lager.

Zudem scheint der versöhnlic­he Kurs von Spaniens Regierungs­chef Sánchez Puigdemont den Wind aus den Segeln zu nehmen. Sánchez versucht die Katalanen davon zu überzeugen, dass sie mit einer größeren Autonomie besser fahren als mit einem eigenen Staat. Sánchez’ Dialogstra­tegie scheint erste Früchte zu tragen: Laut einer Umfrage der katalanisc­hen Zeitung unterstütz­en 62 Prozent der Katalanen das Sánchez-Angebot, den Konflikt mit mehr Selbstverw­altung zu entschärfe­n, während nur 22 Prozent der Befragten den radikalen Puigdemont-Kurs der Unabhängig­keit bejahten.

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Foto: Olivier Matthys, dpa Spaltet er die Katalanen? Carles Puigde mont.

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