Steuer Verdacht gegen Winterkorn
Nach der Diesel-Affäre gibt es neue Vorwürfe gegen den früheren VW-Chef. Überweisungen in die Schweiz werfen Fragen auf
Berlin Als ob die bisherigen Vorwürfe gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn nicht schon genug wären, taucht nun ein weiterer Verdacht in den Ermittlungsakten auf: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen womöglich nicht bezahlter Steuern. Die Bild am Sonntag zitiert aus den Akten, es geht unter anderem um Überweisungen von insgesamt rund zehn Millionen Euro auf Schweizer Konten in den vergangenen beiden Jahren. Existenz und Inhalt der Papiere konnten am Sonntag bestätigt werden.
Die Zeitung beschreibt mit Verweis auf die Ermittlungsakten detailliert einzelne Einkäufe Winterkorns, Bonuszahlungen und Überweisungen an Familienmitglieder. Das Steuerverfahren begann im Jahr 2017 zunächst mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Sie bekam einen entsprechenden Hinweis von Winterkorns Bank. Ein normaler Vorgang, bei hohen Überweisungen sind Geldinstitute dazu sogar verpflichtet.
Da die Ermittler einen Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal vermuteten, übernahm die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Vorgang und fügte fünf SteuerAktenordner zu den Diesel-Akten hinzu. In den Diesel-Ermittlungsakten ist nun zu lesen, was mit Win- Millionen geschah. 2016 und 2017 hatte Winterkorn hohe Beträge von einem seiner Konten bei der Sparda-Bank Nürnberg auf ein Treuhandkonto seines Steuerberaters überwiesen. Von dort floss das Geld in Depots der Bank Vontobel nach Zürich. Darunter war auch ein Depot, das Winterkorns Ehefrau zugeordnet wurde.
Die Ermittler hegen nun den Verdacht, dass ein Teil der Überweisungen eine Schenkung gewesen sei, für die mehr als eine halbe Million Euro Schenkungsteuer angefallen wäre. In einem Vermerk hat die Staatsanwaltschaft festgehalten, dass Winterkorn vermutlich Vermögenswerte in die Schweiz verschoben habe. In den Akten ist offenbar die Notiz zu finden, es könne sich um einen Notgroschen Winterkorns handeln.
Winterkorns Anwalt Felix Dörr weist diesen Verdacht zurück: „Das ist absoluter Blödsinn“, sagt er. Und er geht noch einen Schritt weiter: Er prüft juristische Schritte gegen die Staatsanwaltschaft Braunschweig. „Wir erwägen, Strafanzeige wegen Verrats von Dienstgeheimnissen zu stellen“, sagt Dörr. „Die Staatsan- waltschaft in Braunschweig muss mir den tieferen Sinn des Vorgehens erläutern.“Angaben über die persönlichen Vermögensverhältnisse und Steuerfragen hätten nichts in den Akten zu den Abgas-Ermittlungen zu suchen.
„Detaillierte Kreditkarten-Abrechnungen, Kontoauszüge und Bankvollmachten von Herrn Winterkorn liegen nun auf den Schreibtischen von 39 Anwälten anderer Beschuldigter der Abgas-Ermittlungen. Dabei haben die privaten Vermögensverhältnisse von Herrn Winterkorn nichts mit dem Verfahren zu tun“, sagt Dörr.
Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig hält man sich noch bedeckt: „Wir werden uns nach dem Abschluss der Ermittlungen zu den Ergebnissen äußern, vorher nicht“, sagte Klaus Ziehe, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig zu den Steuer-Vorwürfen.
Angesichts der Diesel-Affäre drohen Winterkorn hohe Schadenersatzansprüche von VW, sollten ihm Pflichtverletzungen nachgewiesen werden. Zu den steuerrechtlichen Vorwürfen sagt Anwalt Dörr, es sei die höchstpersönliche Entscheidung von Winterkorn, wo und durch wen er sein Geld verwalten lasse. Ein Geldtransfer von einer deutschen Bank in die Schweiz sei rechtlich völlig in Ordnung. „Nach Beurteiterkorns lung des steuerlichen Beraters von Herrn Winterkorn ist dieser Vorgang frei von jeder steuerlichen Beanstandung“, so der Anwalt des früheren VW-Chefs.
Welch unschönes Detail über seinen Mandanten sich in den Akten versteckt, hat Dörr übrigens nach eigenen Angaben nicht von den Behörden erfahren, sondern erst durch Medienanfragen. „Wir wurden von den Steuerermittlungen selbst überrascht. Die Staatsanwaltschaft hat uns keinen Hinweis gegeben. Und wir hatten uns zunächst auf die 20000 Seiten des Hauptverfahrens konzentriert“, sagt Dörr.
Im eigentlichen Verfahren, dem Abgas-Skandal, wird gegen Winterkorn wie auch gegen den neuen VW-Konzernchef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch wegen möglicher Marktmanipulation ermittelt, gegen Winterkorn zusätzlich auch wegen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat insgesamt 49 Beschuldigte im Visier – bei 39 geht es um Software-Manipulationen beim Stickstoffdioxid-Ausstoß, bei sechs um falsche CO2-Angaben, in drei Fällen um Marktmanipulation und in einem Fall um einen Mitarbeiter, der zum Löschen von Daten aufgerufen haben soll. Winterkorn war am 23. September 2015 zurückgetreten.
War es als ein Notgroschen gedacht?