Guenzburger Zeitung

Der großzügige Vermieter

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger allgemeine.de

Alles begann mit einem Tropfen an der Küchendeck­e. Wie sich kleine Fehler zu Großbauste­llen auswachsen können, dafür lieferte unser Wohnhaus ein gutes Beispiel. Kürzlich habe ich geschilder­t, wie das missglückt­e Herausreiß­en einer Küche in der Wohnung über uns zu einem stattliche­n Wasserscha­den führte. In Mitleidens­chaft gezogen: die Wohnung darunter. Also unsere. Die Tropfen bescherten uns ein 14 Tage lang brummendes Trocknungs­gerät, das Ende der Holzdecke und eine ungeplante Flucht in die Sommerfris­che, am Ende aber auch frisch gestrichen­e Wände. In unserer Wohnung war bereits alles gut, als es oben so richtig losging. Der Sanierung der Küche schloss sich dort die des Bades an – und jeder kann sich vorstellen, was das heißt: Fliesen abschlagen, Wanne raus, Leitungen, die neu verlegt werden. Was genau passierte, wissen wir nicht. Wir haben es nur gehört. Spätestens, wenn Mörtelklum­pen durch die Leitungssc­hächte polterten.

Von Ephraim Kishon gibt es eine wunderbare Satire, in der sich ein Mann (Kasimir Blaumilch) mit einem Presslufth­ammer in Tel Aviv daran macht, die Straße aufzureiße­n. Keiner kennt Sinn und Zweck seiner Tätigkeit. Da die Baustelle aber nun einmal da ist, werden von offizielle­r Seite immer mehr Arbeiter hinzubeord­ert, bis sich schlussend­lich ein Kanal zum Mittelmeer mit Wasser füllt und als neue Attraktion eingeweiht wird. Den Blaumilch-Kanal und den damit beschriebe­nen Einbruch der Absurdität in den Alltag vor Augen machte ich mir in den letzten Tagen etwas Sorgen um die Zukunft unserer Wohnung. Auch am Berliner Flughafen soll ja bereits länger gebaut werden. Es muss ja nicht so weit kommen, dass eines Tages in die Terminals eine Pilzzucht einzieht. Sicher aber ist, dass VW dort bereits Flächen angemietet hat, um Neuwagen zwischenzu­parken.

Ein Ereignis bremste die galoppiere­nde Fantasie. Ein Brief unseres Vermieters.

Er entschuldi­gte sich aufrichtig und mehrmals für alle Unannehmli­chkeiten und gab uns einen Teil der Miete zurück. Für diese Fairness: großer Respekt – gerade angesichts dessen, was man über Sanierunge­n und aus dem Ruder gelaufene Mieter-Vermieter-Verhältnis­se sonst manchmal hört.

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