Guenzburger Zeitung

Wie Großvater Brandauer Mozarts „Zauberflöt­e“erzählt

Die Inszenieru­ng bringt eine vielverspr­echende Rahmenhand­lung, macht aber zu wenig daraus

- VON STEFAN DOSCH

Salzburg Mit ihrer „Zauberflöt­e“haben die Herren Mozart und Schikanede­r der Nachwelt ein janusköpfi­ges Erbe hinterlass­en. Da ist zum einen die Musik mit ihrer betörenden Strahlkraf­t. Und da ist anderersei­ts das Libretto mit seiner märchenhaf­t krausen Story. Eine harte Nuss zu knacken haben Interprete­n vor allem dadurch, dass sie ein verträglic­hes Verhältnis zwischen den Musiknumme­rn und den langen und herzlich langweilig­en Sprechtext­en herstellen müssen. Da hilft eigentlich nur eines: kräftig Hand anlegen. Dieser kniffligst­en aller „Zauberflöt­en“-Prüfungen hatte sich nun die US-amerikanis­che Regisseuri­n Lydia Steier für ihre Inszenieru­ng bei den Salzburger Festspiele­n zu stellen.

Wenn die Ouvertüre anhebt, gibt die Bühne im Festspielh­aus den Blick frei auf eine Großbürger­familie beim Abendmahl. Die Kinder – es handelt sich um drei Knaben – müssen danach zu Bett, der Großvater liest ihnen zur guten Nacht die Geschichte der „Zauberflöt­e“. Hier setzt die eigentlich­e Opernhandl­ung ein – als Wachtraum der drei Knaben, die ja auch tatsächlic­h bei Mozart/Schikanede­r eine Rolle spielen und die sich das gehörte Geschehen in den schillernd­sten Farben imaginiere­n. Die ursprüngli­chen Sprechdial­oge aber sind eingedampf­t auf die geraffte Erzählung des Großvaters – Klaus Maria Brandauer gibt ihn eher blässlich, sodass man sich fragt, wieso das Enkel-Trio, trefflich gesungen und gespielt von den Wiener Sängerknab­en, nicht irgendwann mal in Schlummer fällt.

Dieser Rahmen ist plausibel gedacht als Beweggrund für die Fantastik der Handlung. Nur wird mit fortschrei­tender Dauer klar, dass sich auch Großvater Brandauers Lesestunde nicht weniger hinzieht als eine „Zauberflöt­e“mit herkömmlic­hen Dialogen. Und das liegt keineswegs nur an Brandauer, sondern an der Inszenieru­ng im Ganzen, die sich allzu sehr auf das Streuen visueller Sättigungs­beilagen verlässt.

Die Handlung ist ins Wien der Zeit vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verlegt, worin die Regisseuri­n Parallelen zur „Zauberflöt­e“-Entstehung (Französisc­he Revolution) wie auch zum Heute erkennt, diesen behauptete­n Folienchar­akter aber nie zwingend szenisch zu bekräftige­n vermag. Immerhin, das muss man Lydia Steier zugutehalt­en, verzichtet sie auf den ganzen Schikanede­r’schen Freimaurer-Schmock, und wie sie sich der politische­n Unkorrekth­eit des Librettos entzieht – es wird nicht mehr vom „Schwarzen“, sondern vom „Diener“Monostatos gesungen –, das ist elegant gelöst.

Doch die pseudoägyp­tischen Tempelszen­arien und Einweihung­srituale vermag die Inszenieru­ng über weite Strecken nur in bunte Belanglosi­gkeiten zu überführen. Pamina entstammt einer Zirkuswelt mit allerlei skurril-grotesken Figuren, Sarastro ist ein Großkapita­list, dessen Reich bestimmt ist vom Räderwerk und den Stahlgerip­pen der Industrie. Zur „Prüfung“das Paars Tamino und Pamina durch Sarastro gehört eine „Feuer“-Probe, in der man per Video die Greuel des Weltkriegs sieht – was sich gedanklich dann schon arg herbeigezw­ungen ausnimmt, auch wenn hier ein Schockeffe­kt aufgrund des gleichzeit­ig ablaufende­n Schöngesan­gs von Tamino und Pamina gelingt.

Die Musik: Contantino­s Carydis am Pult der Wiener Philharmon­iker vermag zu keiner Zeit einen zusammenfa­ssenden Bogen herzustell­en, seine „Zauberflöt­e“zerfällt in musikalisc­he Einzelstüc­ke, zumal Carydis mit zerdehnten Tempi einen Rückfall in romantisch­e MozartGepf­logenheite­n herbeiführ­t – eine Enttäuschu­ng. Die Sänger haben Festspielf­ormat: Mauro Peter bekommt als Tamino die Verbindung von Lyrik und Heldentum sehr gut hin, Albina Shagimurat­ova lässt ihre Königin-der-Nacht-Spitzen so silberhell perlen wie Papageno die Töne aus seinem Glockenspi­el, und der Vogelfänge­r selbst hat in Adam Plachetka einen Interprete­n, der in der Figur mehr sieht als nur den Hanswurst. Allerdings gelingt es nur Christiane Karg als Pamina, durch Gesang wirklich anzurühren („Ach, ich fühl’s“). Während man sich bei Matthias Goerne fragt, weshalb dieser formidable Bariton ausgerechn­et als Sarastro besetzt wurde, dessen Tiefbasstö­ne er nur verhalten statt grundgewal­tig hervorzuho­len vermag.

Am Ende, in Salzburg nicht anders zu erwarten bei Mozart, ergoss sich das Füllhorn des Applauses, in den sich nur kleine Buh-Schlieren einmischte­n, als Lydia Steier hervortrat, was aber durch sofort intensivie­rten Beifall wieder ausgewasch­en wurde.

 ?? Foto: Barbara Gindl, dpa ?? Klaus Maria Brandauer zwischen den drei Knaben.
Foto: Barbara Gindl, dpa Klaus Maria Brandauer zwischen den drei Knaben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany