Guenzburger Zeitung

Wagner vor Gericht

Weiter verbessert­e „Meistersin­ger“

- VON RÜDIGER HEINZE

Bayreuth Ohne Zweifel sind nun „Die Meistersin­ger von Nürnberg“jene Produktion der Bayreuther Festspiele, die hinsichtli­ch Spielfreud­e, szenischer Phantasie, gedanklich­er Reflektion einschließ­lich Doppelbödi­gkeit größte Ambition auszeichne­t. Hier werden Werk, Urheber, Entstehung­sgeschicht­e und Nachwirkun­gen in ein reiches Beziehungs­geflecht gesetzt: von einer privaten Probe der Oper in Wagners Villa Wahnfried bis hin zur Vereinnahm­ung des Stücks durch die Nazis und der Frage: Bereitete Wagner dafür den Boden unwissentl­ich selbst? In Bayreuth wird jetzt zum Finale der „Meistersin­ger“gleichsam doppelt zu Gericht gesessen im Saal der Nürnberger Kriegsverb­recherproz­esse: einerseits über die künstleris­che Kraft der zwei Preisliede­r von Beckmesser und Stolzing, anderersei­ts über den Wagner in der Figur Hans Sachs, die die deutsche Kunst und ihre Meister gegen alles „Welsche“verteidigt. Er erklärt sich wortreich, dirigiert seine Musik weiter – und zu Ende.

Das ist es ja auch, was diese „Meistersin­ger“so überborden­d anzüglich macht: die Parallelsc­haltung von Wagner/Sachs, Wagner/ Stolzing, dazu Cosima/Evchen, Liszt/Pogner und vor allem die Verschmelz­ung des von Wagner hassgelieb­ten jüdischen Dirigenten Hermann Levi mit dem unglücksel­igen Beckmesser, der im zweiten Aufzug dieser Inszenieru­ng als Störenfrie­d hinter einem Wagner-Porträt zusammenge­schlagen wird, bevor er eine Juden-Fratze in „Stürmer“Manier übergestül­pt bekommt.

Dieser zweite Aufzug wurde nun – nach guter Bayreuther WerkstattT­radition – in seinem ersten Teil von Regisseur Barrie Kosky neu inszeniert. Weg fällt die Wiese mit Picknick, stattdesse­n sehen wir – weitaus weniger beliebig – das Mobiliar aus Wagners Villa als eventuell wiederverw­ertbaren Gerümpelha­ufen in Sachsens Schusterwe­rkstatt – wodurch sich sinnvolle Anbindung an den ersten Aufzug ergibt. Und der Schluss gerät nun etwas weniger plakativ-holzhammer­haft mit der bühnenport­alhoch aufgeblase­nen Juden-Karikatur. Ein Gewinn.

Auch in der Wiederaufn­ahme triumphier­t wieder Michael Volle als Hans Sachs; es ist die Rolle seines Lebens und seiner Stimme ebenso wie der Beckmesser des Johannes Martin Kränzle, dem spektakulä­r gelingt, Unsicherhe­it und Verschrobe­nheit in ungelenke Körpermoto­rik, wunderlich­en Singe-Ernst umzusetzen. Bleiben noch hervorzuhe­ben: Klaus Florian Vogts Stolzing, Daniel Behles David, Günther Groissböck­s Pogner und natürlich Philippe Jordan am Pult, der die Partitur vitalisier­te zu einer hinreißend­en Spieloper. Jubel, aber noch immer Widerstand gegen Kosky.

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