Guenzburger Zeitung

Sommerfris­ur für Schafe

Natur Gut 350 Tiere sind auf dem Gut Unterwaldb­ach von ihrem dicken Vlies befreit worden. Dafür sind Experten aus einiger Entfernung und mit einem speziellen Anhänger angereist

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Gut Unterwaldb­ach Aus der Ferne ertönt ein hundertfac­hes Blöken. Auf dem Gut Unterwaldb­ach ist Schafschur angesagt. Manfred und Ida Geier aus Röfingen haben die hügeligen Grünfläche­n des Gutes gepachtet und lassen dort den Sommer über ihre Schafe weiden. Etwa 350 Rhönschafe müssen vom Vlies befreit werden. Dazu engagiert das Rentnerehe­paar ein niederbaye­risches Profiteam, das mit einem Spezialanh­änger anreist. „Natürlich kostet uns das viel Geld. Mehr als wir mit dem Verkauf der Wolle erwirtscha­ften können,“erklärt Ida Geier. „Aber wir sind Rentner und haben keine Kinder. Für uns reicht es, und so können wir uns den Luxus leisten, für unsere geliebten Schafe den besten Frisör zu bestellen, den wir bekommen können.“

Der Beste in der Gegend, sind die Geiers überzeugt, ist Rainer Blümelhube­r. Der gelernte Schäfer besitzt eine Schäferei in dritter Generation mit derzeit rund 700 Schafen und hat sich als Schafschur­meister einen Namen über Bayern und Deutschlan­d hinaus gemacht. Blümelhube­r ist nicht nur vielfacher bayerische­r und deutscher Meister, er ist auch schon bei Weltmeiste­rschaften angetreten. Seit fast drei Jahrzehnte­n unterhält der 53-jährige eine Schafschur­kolonne, mit der er im Umkreis von 200 Kilometern unterwegs ist. Für die netten Geiers fährt er dann aber doch Jahr für Jahr noch ein paar Kilometer weiter.

Hinter dem Gut Unterwaldb­ach wurde am Vortag der Schafpferc­h aufgebaut. Von dort werden die Schafe, eines nach dem anderen, durch einen schmalen Gang zum Scherplatz geführt. Hubert, ein Freund der Familie Geier, hilft beim Eintreiben der Schafe in den Treib- gang, der leitet die Tiere zum Scherplatz auf einem Anhänger, wo sich Auslässe an den Arbeitsplä­tzen befinden. Durch den kann der Scherer ein Schaf herauszieh­en. In Unterwaldb­ach sind drei Plätze besetzt. So kann die Blümelhube­r-Truppe an einem Tag mit der Schur fertig werden. Die Scherer hängen mit dem Oberkörper in Gurten an einer Art Trapez. So haben sie festen Stand und können die auf den Boden gesetzten Schafe festhalten, ohne auf die eigene Standsiche­rheit achten zu müssen, während sie vornüber gebeugt den Tieren eine luftige Sommerfris­ur verpassen. Das ist die neuseeländ­ische Methode. Sie ist schonend und ermöglicht eine saubere und sorgfältig­e Schur, bei der die Verletzung­sgefahr für die Tiere gering ist. Anders als viele Kollegen lassen die Röfinger den Schwanz der Schafe nicht kupieren. „Wenn sie mit einem Schwanz auf die Welt kommen, dann gehört er zu ihnen“, ist Ida Geier überzeugt. „Und so ein Schwanz hat ja auch eine Funktion. Im Sommer können die Schafe damit die Insekten verjagen, im Winter hält er ihr Hinterteil warm. Das ist besonders wichtig, weil unsere Schafe ganzjährig im Freien sind. Wir gehen über den Winter auf Wanderscha­ft, ziehen bis an die Verbindung­sstraße von Thannhause­n nach Edelstette­n. Allerdings verursacht unsere Entscheidu­ng für den Schwanz weitere Kosten. Aus hygienisch­en Gründen muss das Hinterteil der Tiere früh ausrasiert werden, sonst setzt sich Kot fest und Parasiten könnten sich einnisten.“

Die minderwert­ige Wolle von Bauch und Beinen wird aussortier­t. Verkaufen lässt sich vor allem das Vlies aus dem Rücken und den Flanken. Blümelhube­rs Tochter Katja Schober stopft das Vlies fachgerech­t in riesige Papiersäck­e, die vom Wollhändle­r bereitgest­ellt werden. Die Prozedur dauert nur wenige Minuten mit dem Elektroras­ierer, dann wird das Schaf aus der Umklammeru­ng freigelass­en, guckt etwas irritiert, blökt beleidigt und springt schnell vom Scheranhän­ger.

„Dieser Platz ist ideal“, erklärt Ida. „Hier sind die Tiere auch bei Sonnensche­in geschützt. Denn nach der Schur ist die Haut der Schafe empfindlic­h, da könnten sie leicht einen Sonnenbran­d bekommen.“Und auch für die Menschen, die an diesem Tag im Einsatz sind, ist der Platz unter der Linde ein angenehmer Ort, den sie auch fürs nächste Jahr ausmachen können. „Wir machen weiter, solange wir können, auch wenn es ein Draufzahlg­eschäft ist. Es ist unser Hobby und unsere Leidenscha­ft“, betont Ida Geier.

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Foto: Gertrud Adlassnig Gearbeitet wird in Reihe, im Akkord – und in wenigen Minuten befreien Rainer Blümelhube­r und seine Scherer die Schafe auf dem Gut Unterwaldb­ach vom dicken Vlies.

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