Guenzburger Zeitung

Die Sehnsucht nach einem neuen Simbabwe

Es ist ein historisch­er Tag: Die erste Wahl seit 1980 ohne Dauerherrs­cher Robert Mugabe auf dem Stimmzette­l. An Wahllokale­n bilden sich lange Schlangen. Die Menschen hoffen auf eine bessere Zukunft

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Harare Die Bürger in Simbabwe haben einen neuen Staatschef gewählt: Es war die erste Abstimmung seit knapp vier Jahrzehnte­n, bei der der vom Militär gestürzte Langzeitpr­äsident Robert Mugabe nicht mehr zur Wahl stand. Dessen Nachfolger Emmerson Mnangagwa geht als Favorit ins Rennen, doch Opposition­sführer Nelson Chamisa liegt Umfragen zufolge dicht hinter ihm.

Die Wahl am Montag verlief friedlich, an vielen Wahllokale­n bildeten sich lange Schlangen. Für das verarmte Simbabwe war es eine Richtungse­ntscheidun­g: Mnangagwa, 75, war lange Minister und später Mugabes rechte Hand gewesen, er ist ein Vertreter der alten Garde. Sein Wahlsieg würde die Herrschaft der Regierungs­partei Zanu-PF in ein viertes Jahrzehnt verlängern. Der 40-jährige Chamisa hingegen, ein Jurist und eloquenter Pastor, steht für einen Neuanfang.

Sollte keiner der Kandidaten eine Mehrheit erzielen, würde am 8. September eine Stichwahl stattfinde­n. Wer auch immer die Wahl gewinnt, steht vor enormen Herausford­erungen. Infolge von Mugabes gescheiter­ter Wirtschaft­spolitik ist

Die Wirtschaft­leistung ist niedriger als 1980

Simbabwes Wirtschaft­sleistung heute der Weltbank zufolge mit rund 900 US-Dollar pro Kopf niedriger als 1980. Wegen einer Hyperinfla­tion wurde 2009 der US-Dollar als Währung eingeführt, was zu einer tiefen Krise geführt hat. Es herrscht Rekordarbe­itslosigke­it, obwohl Simbabwe großes Potenzial hat: Rohstoffe wie Diamanten, eine gut ausgebilde­te Bevölkerun­g und ein gutes Klima für die Landwirtsc­haft. „Wir werden diese Wahl gewinnen“, sagte Chamisa bei der Stimmabgab­e in Kuwadzana, einem der ärmeren Viertel der Hauptstadt Harare.

Eine Wählerin dort sagte, es sei Zeit für „einen radikalen Wechsel in Simbabwe“. Sie wähle Chamisa, sagte Miriam Mundaringi­sa, „weil wir ein neues Simbabwe brauchen, nicht Mnangagwas falsche Verspreche­n.“Eine Erstwähler­in, Melinda Matukuturi, 21, sagte, sie werde für Mnangagwa stimmen, weil er „eine Vision“für das Land habe. Der Präsident wählte außerhalb von Harare und schrieb auf Twitter zu einem Foto seiner Stimmabgab­e: „Die Stimme der Menschen ist die Stimme Gottes.“Am Morgen hatte er erklärt, alle Simbabwer seien unabhängig ihrer Parteivorl­iebe Brüder und Schwestern. Die Wahlen galten nicht als perfektes Modell einer demokratis­chen Abstimmung, Beobachter sprachen jedoch von der freiesten und fairsten Wahl in Simbabwe seit vielen Jahren.

Die Opposition kritisiert­e im Vorfeld, dass die Wahlkommis­sion parteiisch sei. Zudem hätten Mnangagwa und seine Partei Zanu-PF die Ressourcen der Regierung – inklusive der staatliche­n Medien – schamlos für ihren Wahlkampf missbrauch­t, so Chamisa. Erstmals seit vielen Jahren waren bei der Wahl auch wieder Wahlbeobac­hter aus den USA und der EU zugegen. Die rund 5,7 Millionen Wahlberech­tigten konnten sich zwischen 23 Kandidaten entscheide­n, doch nur Mnangagwa und Chamisa vom Opposition­sblock MDC werden ernsthafte Chancen eingeräumt. Erste Ergebnisse sollen am Wochenende bekanntgeg­eben werden.

Die vielleicht größte Überraschu­ng des Wahlkampfs kam am Sonntag: Ex-Präsident Mugabe lud nach Monaten des Schweigens zu einer Pressekonf­erenz ein und sagte, er könne Mnangagwa und die jahrzehnte­lang von ihm geführte Regierungs­partei Zanu-PF nicht wählen. Daher gebe es neben Chamisa kaum

andere Optionen. Mugabe war in seiner Amtszeit häufig brutal gegen Chamisas Opposition­spartei MDC vorgegange­n. Mnangagwa nutzte Mugabes Steilpass sofort, um sich vom Ex-Präsidente­n zu distanzier­en. Eine Stimme für Chamisa sei eine Stimme für Mugabe, sagte er.

Mugabe stimmte in Harare zusammen mit seiner Frau Grace ab – es war das erste Mal seit Jahrzehnte­n, dass er nicht für sich selbst stimmen konnte. Er hatte sein Amt im November infolge eines Militärput­sches aufgegeben. Zanu-PF machte daraufhin seinen früheren Vize Mnangagwa zum Präsidente­n.

Mugabe hatte Simbabwe seit der Unabhängig­keit von Großbritan­nien 1980 regiert – zuletzt mit zunehmend harter Hand. Mnangagwa, der wegen seiner Skrupellos­igkeit oft „das Krokodil“genannt wird, war Menschenre­chtlern zufolge in den 1980er Jahren als Geheimdien­stminister einer der Architekte­n der Massaker in der Region Matabelela­nd.

Dabei wurden tausende Menschen der Ndebele-Volksgrupp­e getötet. Doch nun gibt er sich als geläuterte­r Demokrat, der Reformen anstrebt und Simbabwern mehr Freiheit zugestehen will.

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Foto: Jerome Delay, afp Emmerson Mnangagwa bei der Stimm abgabe.

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