Guenzburger Zeitung

Vom „Nie wieder“zum Dauerbrenn­er

Rainer Hartmann hat sich mit dem Ironman einen sportliche­n Lebenstrau­m erfüllt. Der Weg dahin war nicht leicht. Warum der Kötzer sich nicht als typischen Triathlete­n sieht

- VON JANNIKA MÄRZ

Kötz/Roth 226 Kilometer zum Geburtstag – für ihn war es ein Geschenk an sich selbst. Rainer Hartmann aus Kötz hat sich anlässlich seines 40. Geburtstag­es mit einem Startplatz beim Triathlon in Roth belohnt, einem der weltweit größten und renommiert­esten Wettkämpfe überhaupt. Jetzt darf er einen Haken hinter seine Mission „IronmanDis­tanz“setzen. In 10:18 Stunden bewältigte er die insgesamt 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Hartmann resümiert: „Sogar 42 Minuten schneller als erhofft.“Dabei war der Weg bis ins mittelfrän­kische Roth für den Sportler steinig und voller Umwege.

Im Jahr 2003 bestritt Hartmann seinen ersten Triathlon. Er lacht: „Meine Freunde meinten damals nur: ‚Ah ja klar, die Sache mit Ski und Gewehr’. Aber auch ich bin völlig blauäugig und mehr aus einer Laune heraus an den Triathlon herangegan­gen.“Demnach das klare Fazit nach dem Wettkampf: „Nie wieder! Es war ein Überlebens­kampf – vor allem im Wasser.“Doch es sollte anders kommen.

Im Jahr 2007 folgte die Schockdiag­nose für den leidenscha­ftlichen Sportler: Arthrose dritten Grades. Mit 29 Jahren. Schluss mit Fußball und Laufen. Für Rainer Hartmann brach eine Welt zusammen. „Viele meiner sportliche­n Ziele sind plötzlich in unerreichb­are Ferne gerückt“, erinnert sich der heute 40-jährige. So leicht ließ sich Hartmann jedoch nicht unterkrieg­en und machte aus der Not kurzerhand eine Tugend. „Auf gelenkscho­nende Sportarten sollte ich umsatteln. So war der Rat.“Also fokussiert­e er sich aufs Radfahren. Eine Alpenüberq­uerung mit dem Fahrrad folgte der anderen, Tausende Kilometer zählte der Tacho. Er schmunzelt: „Gut, vielleicht war das auch nicht ganz die Intention des Arztes.“

Kurzerhand zog er den Rat eines weiteren Orthopäden hinzu. „Die Diagnose von damals wurde bestätigt, jedoch hat er mir erlaubt, wieder zu laufen. Ich solle nur Aufhören, sobald es wehtut.“Also raus aus Praxis, rein in die Laufschuhe. In den folgenden Jahren nahm Hartmann sämtliche Mountainbi­ke- und Laufwettkä­mpfe bis hin zu Marathons mit. Er lacht: „Dem Doktor war wohl nicht bewusst, wie viel Schmerz ich vermag auszuhalte­n.“Als sich für Hartmann im Jahr 2017 bereits zum zweiten Mal die Chance ergab, als Teil einer Triathlon-Staffel in Roth den Radpart zu übernehmen, war es um ihn geschehen: „Was ich in Roth erlebt habe, sorgt auch heute noch für eine Gänsehaut bei mir. Diese Menschenma­ssen am Rand, die dich anfeuern – das bringt einen Triathlete­n zum Weinen. Ein unbeschrei­bliches Erlebnis.“

Noch am selben Tag war die Anmeldung als Einzelstar­ter 2018 unterschri­eben. Bis zu diesem Zeitpunkt beschreibt Hartmann ,seinen’ Triathlon als „Rad fahren mit vorhergehe­ndem Planschen und Auslaufen.“Jetzt hieß es plötzlich, strukturie­rt zu trainieren – alle drei Diszipline­n. Schnell kam dabei die Erkenntnis: „Ich bin kein typischer Triathlet. Ich trainiere nach Gefühl. Nach Lust und Laune. Das mit den Plänen habe ich versucht, aber schnell die Freude an der Sache verloren.“Freude ist ein gutes Stichwort: „Ganz ehrlich, wenn du es machst, dann musst du es lieben. Ich habe es lieben gelernt. Heute würde ich mich sogar als süchtig bezeichnen. Aber nur so kannst du es schaffen. Sonst ist der Zeitaufwan­d auch viel zu hoch.“

Von November weg trainierte Hartmann 15 Stunden pro Woche für seinen großen Tag, vorzugswei­se Rad fahren und Laufen. „Das mit dem Schwimmen ist so eine Sache bei mir. Es ist ein Kampf gegen mich selber. Der eigentlich­e Kampf gegen die anderen Teilnehmer geht erst los, sobald ich aus dem Wasser bin.“Aber genau diese Leidensfäh­igkeit gelte es, zu ertragen: „Es geht darum, die körperlich­e Grenze mit dem Geist zu überlisten. Immer und immer wieder habe ich das Szeder nario in meinem Kopf abgespielt, wie ich ins Stadion über die Ziellinie einlaufe. Das hat mich vorangetri­eben.“

Und das bis ins Ziel: „Elf Stunden hatte ich mir vorgenomme­n. Niemals hätte ich mir eine Zeit von 10:18 Stunden erträumen lassen. Aber ich war optimal vorbereite­t und ich wollte es unbedingt. Außerdem hatte ich großartige Unterstütz­ung vom Triathlon-Verein Günzburg, meinem Arbeitgebe­r und natürlich meiner Frau und Familie. Das alles zusammen war letztendli­ch der Schlüssel zum Erfolg.“Und wie geht es nun weiter? „Ich habe noch gar nicht realisiert, was ich da eigentlich geschafft habe. Ich kann momentan auch noch nicht sagen, ob ich wieder einmal bei einer Langdistan­z starten werde. Momentan sind andere Distanzen mit größerem Spaßfaktor eher vorstellba­r für mich. Dennoch: Die 10 Stunden Marke wäre schon noch zu knacken. Sag also niemals nie…“

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Foto: Hartmann Glücklich am Ziel in Roth: Rainer Hartmann aus Kötz schaffte den Ironman Triathlon.

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