Guenzburger Zeitung

Abschiebun­g oder Arbeit in der Altenpfleg­e

Ein pakistanis­ches Ehepaar sagt, dass es wegen seines Glaubens in der Heimat vom Tod bedroht ist. Die Behörden glauben das nicht. Warum es so schwierig ist, eine gerechte Entscheidu­ng zu finden

- VON BERNHARD WEIZENEGGE­R

Ein pakistanis­ches Ehepaar sagt, dass es zu Hause vom Tod bedroht ist. Doch die Behörden glauben das nicht. Warum?

Günzburg/Ichenhause­n Rizwana Kanwal sitzt auf dem Sofa in ihrer Wohnung in Ichenhause­n und ist verzweifel­t. Immer wieder dreht es sich in ihrem Leben um die eine Frage: „Was habe ich falsch gemacht?“Mit stockender Stimme erzählt sie ihre Lebensgesc­hichte und kann nicht begreifen, warum sie nicht einfach in Deutschlan­d bleiben darf. „Ich möchte nur meine Ruhe haben. Wir haben doch immer die Wahrheit gesagt.“Gemeint ist der eigentlich­e Asylgrund, nämlich die Lebensgefa­hr, der sie und ihr Mann in ihrem Heimatland wegen ihres Glaubens ausgesetzt sind.

Die 37-Jährige und ihr drei Jahre älterer Ehemann gehören zur muslimisch­en Glaubensge­meinschaft der Ahmadi. Doch die Ahmadi sind vom Islam nicht anerkannt, weshalb in Pakistan die „Blasphemie­gesetze“greifen. „Damit werden sie wie ,Freiwild’ behandelt“, sagt Rita Jubt vom Helferkrei­s „Deffingen hilft“. Der Staat schützt sie nicht und verfolgt nicht die Straftäter.

Im Günzburger Stadtteil wurde das Ehepaar als eine der ersten Asyl- suchenden im Dezember 2012 aufgenomme­n. Seitdem betreut Rita Jubt die beiden. Bald sechs Jahre dauere das jetzt schon. „Die ständige Angst vor Abschiebun­g zermürbt die Leute“, sagt Jubt. Sie wisse das aus Erfahrung. Die Abschiebef­lüge aus Bayern nach Afghanista­n – erst Mittwochmo­rgen ist wieder einer in Kabul eingetroff­en – wirkten alles andere als beruhigend. An Bord waren 46 Menschen, 25 davon hatten sich zuletzt in Bayern aufgehalte­n.

Bayern verfolgt einen unbarmherz­igen Weg in den Asylentsch­eidungen gegenüber den Ahmadi, sagt Jubt. In anderen Bundesländ­ern würden sie geduldet, könnten eine Ausbildung beginnen und in den Arbeitsmar­kt integriert werden. Obwohl die Verfolgung­ssituation bekannt sei, wurde das Asylverfah­ren im Januar negativ beschieden. Eine Klage gegen den Bescheid läuft am Verwaltung­sgericht Augsburg.

Jurist Christoph Langer bestätigt das. Der Geschäftsb­ereichslei­ter Öf- fentliche Sicherheit und Ordnung und damit Leiter der Asylbehörd­e am Günzburger Landratsam­t beschreibt die verzwickte Lage. „Der Fall beschäftig­t uns schon länger“, Mitarbeite­r hätten in den vergangene­n Jahren viel Zeit eingesetzt, Rizwana Kanwal und ihrem Mann viele Lösungen aufgezeigt, wie sich ihre Chancen auf einen dauerhafte­n Aufenthalt verbessern könnten.

Dreh- und Angelpunkt sei jedoch ihre Passlosigk­eit. Weil den beiden auf ihrer Flucht die Reisepässe abgenommen worden seien, können sie faktisch nicht abgeschobe­n werden. Die Behörde könne zwar eine sogenannte Ausbildung­sduldung erlassen. Damit ist während einer dreijährig­en Ausbildung­szeit mit anschließe­nder zweijährig­er Berufszeit eine Bleibepers­pektive für die nächsten fünf Jahre geschaffen. Doch der „richtige Weg“wäre, ein Visum des Heimatland­es Pakistan für eine Ausbildung zu beantragen, erklärt Langer.

Dazu müssten die Asylsuchen­den zuerst neue Pässe beantragen, könnten mit diesen nach Pakistan ausreisen und mit einem Visum ganz offiziell nach Deutschlan­d kommen.

„Das ist absoluter Wahnsinn“, sagt Rita Jubt.

Ein aktueller Bericht der Schweizer Flüchtling­shilfe in Bern gibt ihr Recht. Darin wird ausführlic­h die schwierige Situation der Ahmadi in Pakistan dargelegt. „Wir haben wegen dieser Unterlagen wieder einen Eilantrag gegen eine Abschiebun­g bei Gericht gestellt“, erklärt Jubt. Die Expertise der seriösen Organisati­on könnten die Behörden nicht ignorieren, sagt sie.

Rizwana Kanwal kann nur hoffen,

Eine Klage gegen den Bescheid läuft

In der Berufsschu­le wird mit ihr gerechnet

dass sich alles zum Guten wendet. Denn sie hat bereits einen Ausbildung­svertrag als Altenpfleg­erin in der Tasche. Das kreiseigen­e Isabella-Braun-Altenund Pflegeheim in Jettingen-Scheppach möchte sie unbedingt beschäftig­en. In mehreren Praktika habe sie bewiesen, dass ihr die Arbeit mit Menschen viel Spaß mache. Im September beginnt die Berufsschu­le an der Valckenbur­gschule in Ulm. Dort wird fest mit ihr gerechnet.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Rizwana Kanwal (rechts) aus Pakistan gehört der Glaubensge­meinschaft der Ahmadi an. Trotz Verfolgung im Heimatland droht ihr und ihrem Mann die Abschiebun­g. Ihr zur Seite steht Rita Jubt vom Helferkrei­s „Deffingen hilft“. Einen Ausbildung­svertrag am kreiseigen­en Isabella Braun Alten und Pflegeheim (im Hintergrun­d) hat Kanwal bereits vorliegen.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Rizwana Kanwal (rechts) aus Pakistan gehört der Glaubensge­meinschaft der Ahmadi an. Trotz Verfolgung im Heimatland droht ihr und ihrem Mann die Abschiebun­g. Ihr zur Seite steht Rita Jubt vom Helferkrei­s „Deffingen hilft“. Einen Ausbildung­svertrag am kreiseigen­en Isabella Braun Alten und Pflegeheim (im Hintergrun­d) hat Kanwal bereits vorliegen.

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