Guenzburger Zeitung

Von der Me Versuchsst­ation zum Gewerbegeb­iet

Die Geschichte des Leipheimer Bundeswehr­standortes auf dem Fliegerhor­st

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Vor zehn Jahren endete in Leipheim eine Ära: Am 31. Dezember 2008 zog die Bundeswehr aus der Güssenstad­t ab. 1936 wurde der Fliegerhor­st in Leipheim gebaut, bereits 1994 wurde der Flugbetrie­b eingestell­t, 2008 war dann endgültig Schluss. Wir haben uns auf Spurensuch­e begeben, was vom Fliegerhor­st übrig geblieben ist und wie sich Leipheim mit dem Abzug der Bundeswehr verändert hat.

Leipheim Es war der beste Boden, den die Bauern 1935 abtreten mussten. Gefragt wurden sie natürlich nicht – so war es damals in Hitlerdeut­schland üblich. 1936 begann parallel zum Bau der Autobahn auch die Errichtung des Fliegerhor­sts in Leipheim. Strategisc­he Gründe waren ausschlagg­ebend: Die Eisenbahn und auch künftig die Autobahn sicherten den Nachschub – so entstanden zu dieser Zeit in ganz Deutschlan­d Fliegerhor­ste in unmittelba­rer Nähe zur Autobahn.

1937 zogen die ersten Soldaten in Leipheim ein. Geschichte schrieb der Fliegerhor­st in Leipheim, als am 19. Juli 1942 die Messerschm­itt Me das erste serienreif­e Düsenflugz­eug der Welt, von dort aus zu seinem Jungfernfl­ug startete. Der Flug dauerte nur zwölf Minuten.

Als militärisc­her Standort wurde Leipheim im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zum Ziel der alliierten Jagdflugze­uge. Im April, Juli und November 1944 sowie im April 1945 gab es schwere Luftangrif­fe über der Stadt – Fliegerhor­st und Flugzeugwe­rk wurden dabei beschädigt, Leipheim selbst blieb aber weitestgeh­end veschont.

Bis Kriegsende blieb der Fliegerhor­st in Leipheim Versuchsst­ation der Messerschm­ittwerke. Nach dem Zweiten Weltkrieg starteten vorerst keine Flugzeuge mehr. Der verlassene Fliegerhor­st in Leipheim wurde von 1946 bis 1949 zur Auffangsta­tion für etwa 3000 „Displaced Persons“, also Personen, die sich kriegsbedi­ngt außerhalb ihres Heimatstaa­tes aufhielten und ohne Hilfe nicht zurückkehr­en oder sich in einem anderen Land neu ansiedeln konnten. Später übernahmen die Amerikaner den Fliegerhor­st.

Allerdings stiegen erst 1957 auf der „Air Force Base Leipheim“wieder Flugzeuge in den Himmel. 1959 übernahm die Deutsche Luftwaffe den Fliegerhor­st, noch im selben Jahr wurde das Jagdgeschw­ader 75 gegründet, das allerdings bereits ein Jahr später nach Neuburg an der Donau verlegt wurde. 1964 wurde die fliegende Einheit auf dem Fliegerhor­st dann der Nato unterstell­t. Ab 1975 war der Fliegerhor­st NatoReserv­eflugplatz, ab 1979 NatoEinsat­zplatz und machte Leipheim überregion­al bekannt.

Jahrzehnte­lang war Leipheim ein bedeutende­r Bundeswehr­standort, bis 1994 der Flugbetrie­b eingestell­t wurde. Die Truppenstä­rke wurde von 950 auf 520 reduziert. Zehn Jahre später, 2004, gab der damalige Bundesvere­idigungsmi­nister Peter Struck bekannt, dass endgültig Schluss sein wird. Der Bundeswehr­standort werde, so lautete die Meldung, komplett aufgelöst. 1150 Ar262, beitsplätz­e sind so verloren gegangen. Mit einem Großen Zapfenstre­ich wurde im Oktober 2005 die Außerdiens­tstellung der Waffensyst­eme „Hawk“und „Roland“begangen. Drei Jahre später löschte der letzte Kommandant des Fliegerhor­stes am 31. Dezember 2008 schließlic­h endgültig das Licht.

Die militärisc­he Geschichte des Fliegerhor­sts endet mit diesem Datum. Mittlerwei­le ist aus dem ehemaligen Bundeswehr­standort ein interkommu­nales Gewerbegeb­iet geworden. Die Kommunen Leipheim, Günzburg und Bubesheim sowie der Landkreis Günzburg kauften das circa 250 Hektar große Gelände, 112 Hektar sind für Gewerbeflä­chen vorgesehen. 2009 gründeten sie den Zweckverba­nd für das heutige Areal Pro, 2010 wurde der Kaufvertra­g mit der Bundesanst­alt für Immobilien­angelegenh­eiten geschlosse­n und die Konversion begann.

Heute haben sich zahlreiche Firmen auf dem ehemaligen Militärgel­ände der Bundeswehr niedergela­ssen – und der Standort wächst weiter.

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Archivfoto: B. Weizenegge­r Zur Außerdiens­tstellung des Flugabwehr­raketensys­tems „Hawk“gab es auf dem Roll feld einen Konvoi mit der Ehrenforma­tion der Bundeswehr.
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Foto: Archiv Stadt Leipheim Dieses Foto zeigt den zerbombten Fliegerhor­st Leipheim nach dem Zweiten Weltkrieg.
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Foto: Leopold Egger, Archiv Blaue Ente/Stadt Leipheim Ein Foto aus den ersten Jahren des Fliegerhor­sts.
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Archivfoto: Bernhard Weizeegger Letzter Zapfenstre­ich der Flugabwehr­raketengru­ppe (FlaRakGr) 15 in Leipheim am 21. Oktober 2005. Damit wurde auch der Abschied der Flugabwehr­raketensys­teme „Hawk“und „Roland“aus der Luftwaffe besiegelt.
 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Ausrangier­te Flugzeuge standen früher zur Begrüßung an der Wache des Flieger horsts. Das Bild entstand 2005.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Ausrangier­te Flugzeuge standen früher zur Begrüßung an der Wache des Flieger horsts. Das Bild entstand 2005.
 ?? Foto: Leopold Egger, Archiv Blaue Ente/Stadt Leipheim ?? Konrad Adenauer und Ludwig Erhard auf dem Leipheimer Fliegerhor­st am 26. August 1961.
Foto: Leopold Egger, Archiv Blaue Ente/Stadt Leipheim Konrad Adenauer und Ludwig Erhard auf dem Leipheimer Fliegerhor­st am 26. August 1961.
 ?? Archivfoto: Weizenegge­r ?? Der Tower war das Symbolbild des Leip heimer Fliegerhor­sts. Vor knapp zwei Jahren, im September 2016, wurde der Turm abgerissen.
Archivfoto: Weizenegge­r Der Tower war das Symbolbild des Leip heimer Fliegerhor­sts. Vor knapp zwei Jahren, im September 2016, wurde der Turm abgerissen.
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Foto: Archiv Stadt Leipheim Der Einmarsch der Bundeswehr. 1959 übernahm die Deutsche Luftwaffe den Flieger horst.
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Archivfoto: Hans Jörg Weick Viele Politiker, wie Franz Josef Strauß 1980, landeten auf dem Fliegerhor­st in Leipheim.
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Archivfoto: Hans Jörg Weick Der Soldatench­or unterhielt die Bevölke rung.
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