Wirecard zieht wohl in den Dax ein
Der Zahlungsdienstleister aus Aschheim bei München ist derart gewachsen, dass er zum Kandidaten für die erste Börsen-Liga wird. Jetzt schraubt man die Gewinnerwartung hoch
Frankfurt Was ist nur los mit Deutschlands Großbanken? Magere Ergebnisse, vor sich hin dümpelnde Aktienkurse und jetzt womöglich noch der Abstieg der Commerzbank aus der ersten deutschen Börsen-Liga. Wenn nicht noch ein Wunder passiert, wird der Dax-Dino bei der nächsten regulären Überprüfung des Deutschen Aktienindex am 5. September durch den aufstrebenden Zahlungsabwickler Wirecard ersetzt. Zugleich muss die Deutsche Bank um ihren Platz im EurozonenLeitindex EuroStoxx 50 bangen.
Deutschlands Banken seien nach der jüngsten Finanzkrise zu lange mit sich selbst beschäftigt gewesen, meint Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, der die Branche seit Jahren im Blick hat. „Die Aufarbeitung der Krise hat viel Zeit, Kraft und Geld gekostet. Beim Thema Digitalisierung haben die Banken zehn Jahre verschlafen.“Junge Finanzfirmen stießen in die Lücke – wie Wirecard.
Die 1999 gegründete Wirecard AG versteht sich heute als „eines der weltweit führenden Unternehmen für elektronische Zahlungstransak- tionen“. Nach einem starken zweiten Quartal schraubte das Unternehmen aus dem Münchner Vorort Aschheim erneut seine Ziele nach oben. Schon am Vormittag schnellte der Börsenwert von Wirecard auf knapp 22 Milliarden Euro in die Höhe. Aktuell ist die Firma an der Börse damit nicht nur mehr wert als die Commerzbank, sondern überflügelt auch die Deutsche Bank.
Wirecard verdient sein Geld mit Dienstleistungen rund um die Abwicklung von Zahlungen im Internet, aber auch auf sonstigen elektronischen Wegen. Das sorgt bei Börsianern für Wachstumsfantasien, Vorstandschef und Großaktionär Braun sieht noch enormes Potenzial. Weltweit würden noch immer 80 bis 85 Prozent aller Zahlungen bar abgewickelt – Wirecard will möglichst viel davon in elektronische Kanäle leiten. Dazu arbeitet das Unternehmen mit Händlern und anderen Finanzund Technologiekonzernen zusammen, unter anderem mit Visa, Mastercard, Google und Apple.
Das Unternehmen kauft stetig neue Firmen dazu, im vergangenen Jahr waren es insbesondere Geschäfte in Nordamerika und Asien. Vom Wachstum im ersten Halbjahr kam beim Umsatz gut die Hälfte aus eigener Kraft, der Rest durch Zukäufe. In Schwellenländern setzt Wirecard darauf, dass mobile und elektronische Zahlungslösungen auch wegen teils nur rudimentär vorhandener Finanzsektoren in manchen Ländern besonders stark wachsen.
Wirecard setzt sich nach einem starken zweiten Quartal jetzt wie gesagt höhere Ziele. Dabei strebt das Management des Dax-Kandidaten rund um Vorstandschef Markus Braun nicht nur im laufenden Jahr mehr Gewinn an, sondern auch mehr Geschäft in den kommenden Jahren.
Wirecard verdient bei jeder Zahlung mit
„Wir verzeichnen ein starkes organisches Wachstum, nicht zuletzt aufgrund des sich beschleunigenden weltweiten Trends zur Digitalisierung von Zahlungsprozessen“, sagte Braun jetzt in Aschheim. „Die Digitalisierung steht in vielen Branchen erst ganz am Anfang.“
Im laufenden Jahr rechnet das Unternehmen nun mit einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 530 bis 560 Millionen Euro. Seit der letzten Erhöhung im April standen 520 bis 545 Millionen Euro im Plan. Im ersten Halbjahr konnte das TecDaxSchwergewicht die abgewickelten Zahlungen um fast die Hälfte auf 56,2 Milliarden Euro steigern. Wirecard verdient über Gebühren mit.