Guenzburger Zeitung

Ein Künstler aus Simbabwe

Shepherd Mahufe ist bis September zu Gast in Birkenried. Wer möchte, kann sich von ihm auch sein Haus bemalen lassen

- VON JONAS VOSS

Birkenried Der Kastanienh­of in Lauingen ist ein deutscher Gasthof. Dass er mit viel Holz, dunkel und eher nüchtern eingericht­et ist, wundert daher nicht. Begeben sich Gäste in die Bar im hinteren Teil des Gebäudes, könnten sie doch ins Staunen geraten. Rund um den Tisch in der Mitte befinden sich Bilder an den Wänden. Keine Landschaft­smalerei, keine Jagdbilder. In Rot- und Gelbtönen, in blassem Blau oder Grün sind hier alte amerikanis­che Autos oder eine Band an den Wänden verewigt. Stil und Motive erinnern an Kuba und versprühen dennoch einen ganz eigenen Charakter. Shepherd Mahufe, Maler und Bildhauer aus Simbabwe, hat die Werke bei seinem jüngsten Aufenthalt in Deutschlan­d gemalt. Wenn Mahufe hier ist, nächtigt er bei seinem Freund Bernhard Eber. Der betreibt das Kulturgewä­chshaus Birkenried.

Dort gibt es, neben zahlreiche­n anderen Werken, Bilder von Mahufe zu sehen. Kubanische Motive sind für Mahufe eher ungewöhnli­ch. Seine Kunst ist die Anfertigun­g von Porträts – mit einem besonderen Kniff. Die Menschen erhalten Tierköpfe. Sie sind nicht willkürlic­h gewählt, sondern beziehen sich auf das jeweilige Totemtier des Porträtier­ten. In Teilen des afrikanisc­hen Kontinents glauben viele Einwohner daran, ein Totemtier innezuhabe­n. Es verkörpert gewisse Werte und einen Teil der eigenen Identität. Deswegen verspüren die Anhänger dieses Glaubens eine tiefe Verbindung zu dem jeweiligen Tier. Und manche lassen sich als solches zeichnen. Mahufe zeichnet diese Tier-Menschen in allen erdenklich­en Alltagssit­uationen; ob am Strand, an der Schule oder im Büro. Dazu malt er Landschaft­saufnahmen und mehr.

Der 52-jährige Künstler malt nicht nur. Nebenbei betätigt er sich als Bildhauer, aber der Malerei gehört sein Herz. Und dem Rugby – diesen Sport betreibt er seit 1988. Während er Kunst auf dem Ilsa College in Harare studierte, begann er mit dem Sport beim Harare Sports Club. Bis heute spielt Mahufe in seiner Freizeit Rugby, die Zeit dafür sei aber kaum vorhanden. Der Sport führte ihn zu Turnieren in ganz Afrika, die Kunst durch die ganze Welt. Mahufe bereiste als Künstler viele Länder, unter anderem die USA, England und Neuseeland. Dort studierte er mithilfe von Stipendien – vielerorts stellte er auch seine Kunstwerke aus. In Simbabwe sind seine Bilder und andere Werke in der Nationalga­lerie und der Delta-Galerie, beide in Harare, zu sehen. Dass Mahufe ein erfolgreic­her Sportler und Künstler werden würde, konnte in seiner Kindheit niemand vorhersehe­n.

Seit seinem vierten Lebensjahr ist der Künstler gehörlos – die Fähigkeit zu sprechen ging infolge der Krankheit zu großen Teilen verloren. Einer Unterhaltu­ng steht das jedoch nicht im Weg – Mahufe liest von den Lippen ab und verdeutlic­ht mit vielen Gesten, was er sagen möchte. Und Stift und Papier helfen, kleinere Unklarheit­en zu beseitigen. Er ist zum wiederholt­en Mal zu Gast in Birkenried, doch dieses Jahr malt er erstmals außerhalb des Kulturgewä­chshauses. Mit breiten, dickborsti­gen und dünnen, feinen Pinseln, mit Tapezierro­llen, Ölfarben und einer Spritzpist­ole ausgerüste­t, bemalt er Wände und Decken.

Bis September ist der Maler noch zu Gast in Birkenried, dann tritt er die eintägige Heimreise nach Simbabwe an. Dort wartet seine Familie auf ihn, erst vor Kurzem hat seine Frau eine Tochter zur Welt gebracht, auf die sich der Künstler besonders freut. Mit seiner Familie hält er per Handy Kontakt – wenn er von ihr erzählt, gestikulie­rt er aufgeregt und viel. Heimweh habe er dennoch keines. Der 52-Jährige ist als Künstler so erfolgreic­h, dass er davon leben kann. Wenn er nicht malt, bei seiner Familie ist oder Rugby spielt, unterricht­et und unterstütz­t Mahufe Gehörlose. Auch besitzt er eine Farm in Simbabwe, auf die er sich während einer schöpferis­chen Pause zurückgezo­gen hat. Im Juli dieses Jahres hat der Maler an einem Rugby-Training eines Vereins aus der Region teilgenomm­en. Obwohl er taubstumm sei, habe es keine Verständig­ungsschwie­rigkeiten gegeben. Sport verbindet die Menschen, ebenso wie Kunst. Dafür bedarf es nicht immer der Sprache.

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Foto: Jonas Voss Kubanische Motive verzieren nun die Bar im Kastanienh­of Lauingen. Shepherd Mahufe verleiht ihnen seinen ganz eigenen künst lerischen Stil.

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