Für die Fahrgäste geht’s 25 Meter hoch in den Himmel
Zum ersten Mal seit 20 Jahren ist die Schaustellerfamilie mit „Freestyle“wieder in Günzburg zu Gast. Warum sie hier zufrieden ist, wie das Leben für sie aussieht und warum man das Karussell immer im Blick haben muss
Günzburg 25 Meter hoch in den weiß-blauen Himmel schickt der „Freestyle“auf dem Günzburger Volksfest seine Fahrgäste. Am Bedienpult im klimatisierten Kassenwagen, vor sich die bunten Chips, die im Tausch gegen Euros die begehrte Eintrittskarte für das Fahrvergnügen sind, sitzt Margarete Agtsch. Ihr gehört zusammen mit Ehemann Johann der „Freestyle“.
Er ist ein Hochfahr-Karussell ohne Überkopf-Fahrten und damit für die ganze Familie geeignet. Das passt zu den Agtschs, die als Münchner Schausteller-Familie bereits in der dritten Generation auf den Festplätzen Deutschlands unterwegs sind. Eine feste Bleibe haben sie in München, doch von Frühjahr bis Herbst leben sie im Wohnwagen, dort sind Wohnzimmer und Schlafzimmer immer dabei. In Günzburg sind mit der Tochter und der Enkelin gleich drei Generationen am Ort.
Die Saison begann an Ostern in Speyer, nach dem Günzburger Volksfest fährt der „Freestyle“ins Saarland, anschließend noch auf das Oktoberfest. Die Herbsttour führt schließlich bis nach Schleswig-Holstein. Dann ist es November und die Saison zu Ende. Für die Schausteller-Kinder ist Günzburg ein toller Ort. Die Stadt mit dem Legoland, dem sie mit ihren Mamas einen Besuch abstatten, und Ferienzeit!
Die neunjährige Enkelin von Margarete Agtsch besucht den Sommer über rund 30 Schulen. „Unsere Kinder sind freier und anschlussfreudiger. Im nächsten Jahr kommen sie meistens auch wieder zu den Kindern in die Klasse, die sie schon kennen.“Von einem Internat hält die Oma, ein Zirkuskind der Familie Stey, nicht so viel. Margarete Agtsch sagt: „Das Mutterherz sagte da bei meinen zwei Kindern ganz klar Nein.“Sind mehrere schul- pflichtige Schaustellerkinder an einem Platz, gibt es auch die Möglichkeit, dass ein Schaustellerbereitschaftslehrer den Unterricht in einem eigens dafür hergerichteten Klassenzimmer-Wohnwagen übernehmen kann. Während des Gesprächs bedient Margarete Agtsch hoch konzentriert das Steuerpult des „Freestyles“. „Ich habe immer im Blick, wer alles eingestiegen ist, dementsprechend gestalte ich die Fahrt“, erklärt sie. Schließlich soll jeder mit leuchtenden Augen das Fahrgeschäft verlassen. Plötzlich anhalten geht da nicht. „Jedes Fahrzeug hat einen Bremsweg, auch ein Karussell.“
Eine der ältesten Stammkunden ist eine 78-jährige Dame, die jedes Jahr auf dem Oktoberfest „Freestyle“fährt. Dank der manuellen Steuerung können auch Fahrbegeisterte mit Handicap einsteigen, dann geht es eben nicht ganz so hoch hinaus. Mit dem Günzburger Volksfest ist Margarete Agtsch „sehr zufrieden“. Man fährt hier gerne. Und ein dickes Lob gibt es für die Stadt, den Festplatz und speziell für den Standort direkt am Zelt – ein Vorteil, der nicht zu unterschätzen sei. 24 Personen ab acht Jahren können im „Freestyle“mitfahren, dessen bunte Lichter dank der LED-Technik Energie sparen.
Wer genau hinschaut, entdeckt die zwei Mittelbauwagen, auf denen alles montiert ist. Zusätzliche Packwagen sind nicht nötig. „Zum Aufbauen brauchen wir zwei Tage, wenn es pressiert, reichen auch eineinhalb Tage.“Das ist die Zeit, in der man mit den anderen Kollegen auf dem Platz abends zusammensitzt. Auch Geburtstage werden dann gemeinsam gefeiert. „Zusammenhalt ist da. Aber es sind natürlich nicht immer die gleichen Familien auf den Plätzen.“
Die erwachsenen Kinder von Margarete und Johann Agtsch sind als Schausteller mit eigenen Fahrgeschäften unterwegs. Wird das Geschäft schwieriger? Diese Frage beantwortet Margarete Agtsch mit einem klaren Ja. „Alles steigt, aber die Einnahmen leider nicht.“Doch Jammern kommt für die sympathische Vollblut-Schaustellerin, die vor gut 20 Jahren schon einmal in Günzburg
„Ich habe im Blick, wer einsteigt. Entsprechend gestalte ich die Fahrt.“Schaustellerin Margarete Agtsch
„Ein neues Fahrgeschäft wird immer am ersten Tag auf dem Platz getauft.“Schaustellerin Margarete Agtsch
war und von der hübschen Altstadt begeistert ist, nicht in Frage.
Den „Freestyle“hat die Familie Agtsch seit 1999. Damals wurde er ganz traditionell von einem Pfarrer geweiht, die Urkunde hängt immer noch im Kassenwagen. „Ein neues Fahrgeschäft wird immer am ersten Tag auf dem ersten Platz getauft“, verrät Margarete Agtsch. Der Schaustellerpfarrer übernimmt auch Hochzeiten, Taufe, Erstkommunion oder Konfirmation. Von Zeit zu Zeit nimmt Margarete Agtsch selbst im „Freestyle“Platz und genießt das luftige Gefühl, im 120-GradSchaukelwinkel in den Himmel zu fliegen. Noch bis Sonntagabend ist die Familie Agtsch und ihr „Freestyle“in Günzburg am Auweg, dann wird zusammengepackt. Programm am Freitag Heute um 14 Uhr sind der Seniorennachmittag und das Behindertentreffen. Die musikalische Gestaltung übernimmt die Musikkapel le Reisensburg. Um 18.30 Uhr spielt dann die Partyband Herz Ass.