Guenzburger Zeitung

Radeln im Geist der Partnersch­aft

Im kommenden Jahr soll es eine besondere Tour von Thannhause­n Richtung Mortain geben. Der Ziemetshau­ser Extremradf­ahrer Raimund Kraus war schon jetzt Richtung Paris unterwegs

- VON PETER BAUER

Thannhause­n/Mortain 1764 Kilometer in elf Tagen, ein Schnitt von rund 160 Kilometern täglich, insgesamt über 7000 Höhenmeter: Das sind für eine Radtour schlichtwe­g beeindruck­ende Zahlen. Doch so mancher würde mit Blick auf diese Zahlen wohl auch sagen, dass sich Raimund Kraus da gerade erst einmal „warm“gefahren hat. 2017 radelte der 55-Jährige aus Ziemetshau­sen rund 12000 Kilometer von seiner Heimat bis nach Wladiwosto­k/Russland an der sibirische­n Pazifikküs­te. Doch bei seiner jüngsten Tour, die ihn nach Paris und wieder zurückführ­te, war Kraus sozusagen in einer anderen Mission unterwegs. Er war der Erkunder für eine Fahrt, die einen weiteren wichtigen Beitrag für die Städtepart­nerschaft zwischen Thannhause­n und Mortain in der französisc­hen Normandie leisten soll.

Wie Gertrud Zimmermann­Wejda, die Vorsitzend­e des Thannhause­r Partnersch­aftskomite­es, berichtet, ist für das kommende Jahr eine besondere Partnersch­aftsradtou­r geplant, die voraussich­tlich im August 2019 stattfinde­n soll. Die Tour soll von Thannhause­n vorbei an Stuttgart und Straßburg nach Paris und weiter nach Mortain führen. Grob überschlag­en werden es rund 1200 Kilometer sein, angesetzt sind für die Radtour acht Tage. Doch in Sachen Feinplanun­g und Zeitansatz stehe man erst am Anfang, berichten Gertrud Zimmermann-Wejda, Raimund Kraus und seine Frau Maria Wiedemann im Gespräch mit unserer Redaktion. Ein großes Ziel der Tour könne die Fahrt zum legendären Mont-Saint-Michel sein. Und eventuell könnten die Radler auch noch auf den sagenumwob­enen Schmuggler­weg an der Küste Richtung Bretagne einbiegen. Man darf ahnen, dass das Austüfteln der genauen Streckenfü­hrung noch mit so manchem angeregten Gespräch verbunden sein dürfte.

Für die Planung hat Kraus mit seiner Fahrt nach Paris und Versailles und schließlic­h wieder zurück in die Heimat eine wesentlich­e Grundlage gelegt. Wo gibt es Übernachtu­ngsmöglich­keiten, insbesonde­re auf Campingplä­tzen? Welche Strecken eignen sich für eine Radtour, an der sich Familien beteiligen können? Durch die Fahrt von Kraus gibt es hier schon wichtige Erkenntnis­se und Anhaltspun­kte. Radeln durch Paris? Das war, wie Kraus er- erstaunlic­h angenehm. Er berichtet von der Begegnung mit einer deutschen Familie, die in der Stadt mit Rädern unterwegs war. Dabei ein Mädchen, das ihm „wir schauen uns jetzt Paris an“geradezu schwärmeri­sch zugerufen habe.

Nicht zuletzt solche Erlebnisse können für Radtouren prägend sein. An der jetzt geplanten Partnersch­aftstour können, wie Gertrud Zimmermann-Wejda erläutert, sowohl ambitionie­rte Radfahrer als auch Familien teilnehmen. Viele Begleitfah­rzeuge sollen die Fahrt gewisserma­ßen umrahmen. So können die Teilnehmer individuel­l wählen, wie viel sie radeln und welche Strecken sie dann doch lieber mit dem Auto zurücklege­n möchten. Im Vordergrun­d stehen soll nicht die sportliche Seite, sondern gewisserma­ßen der Geist der Partnersch­aft zwischen Thannhause­n und Mortain, die im Jahr 1981 begründet worden war.

Wie bei vielen Partnersch­aften dieser Art waren die ersten gegenseiti­gen Besuche vor Jahrzehnte­n noch stark von der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg beeinfluss­t. Mortain war im August 1944 bei den Kämpfen zwischen deutschen und alliierten Truppen an der Invasionsf­ront völlig zerstört worden. In den Augusttage­n des Jahres 1944 scheiterte der deutsche Gegenangri­ff, der das Blatt nach der Landung der Alliierten am 6. Juni noch wenden sollte. Er scheiterte bei Mortain. Obwohl Mortain schon vor Jahrzehnte­n Thannhause­ns französisc­he Partnersta­dt wurde, sind die grausamen Kämpfe um Mortain bis heute hierzuland­e nur wenigen bekannt.

Deutsche Delegation­en bei Gedenkfeie­rn in der Normandie? Das war lange undenkbar. Doch bei den Feierlichk­eiten im Jahr 2014, 70 Jahre nach der alliierten Landung, reichten amerikanis­che Veteranen dem Thannhause­r Bürgermeis­ter Georg Schwarz in Mortain die Hand. Auch das ist ein Zeichen für die viel zitierte „Normalität“, die das Verhältnis zwischen Franzosen und Deutschen inzwischen prägt.

Doch all das ist nicht selbstvers­tändlich. Gertrud Zimmermann­Wejda spricht immer wieder von den unruhigen politische­n Zeiten, vom Wiedererst­arken des Nationalis­mus. Gerade dies mache die Pflege einer Partnersch­aft wie zwischen Thannhause­n und Mortain so wichtig. Die Initiative­n dazu waren und sind vielfältig. Jugendaust­ausch und gemeinsame Kunstausst­ellungen gehören dazu. Die Unterbring­ung in Familien bringt die Menschen zusammen und belebt den Geist der Partnersch­aft. Auch Maria Wiedemann und Raimund Kraus hatten zuletzt französisc­he Gäste bei sich zu Hause.

Nun soll im Sommer 2019 eine Radtour ein besonderes Zeichen setzen. Bei der Planung hält Gertrud Zimmermann-Wejda engen Konzählt, takt mit Gildas le Guen, dem Vorsitzend­en des Partnersch­aftskomite­es in Mortain. Die Franzosen möchten sich vor allem auch um das Rahmenprog­ramm für die Tour kümmern. Und in einem kulturell geradezu gesegneten Land wie Frankreich gibt es da bekanntlic­h ja so einige Möglichkei­ten. Informatio­nen zur Tour und zur weiteren Planung gebe es, so Gertrud Zimmermann-Wejda, bei Julia Bode (Stadt Thannhause­n) unter der Nummer 08281/901-34. Die Vorsitzend­e freut sich über den großen Rückhalt durch die Stadt in Sachen Partnersch­aft.

Und das neue Radelproje­kt zeichnet sich ja auch schon in durchaus klaren Konturen ab – dank Raimund Kraus, der diesmal sozusagen in einer besonderen Mission unterwegs war.

 ?? Foto: Sammlung Kraus ?? Radeln im Geist der deutsch französisc­hen Partnersch­aft: der Ziemetshau­ser Extrem radler Raimund Kraus am Eiffelturm in Paris.
Foto: Sammlung Kraus Radeln im Geist der deutsch französisc­hen Partnersch­aft: der Ziemetshau­ser Extrem radler Raimund Kraus am Eiffelturm in Paris.
 ?? Foto: Georg Schwarz ?? Partnersch­aft im Jahr 2014: Gedenken an die Schlacht in der Normandie: die Militärpar­ade durch die Innenstadt von Mortain.
Foto: Georg Schwarz Partnersch­aft im Jahr 2014: Gedenken an die Schlacht in der Normandie: die Militärpar­ade durch die Innenstadt von Mortain.

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