Ein besonderes Krumbacher Gastspiel in stürmischen Zeiten
Wolfgang Bosbach spricht im vollen Stadtsaal über die Rasanz der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. Warum jetzt Bildung so wichtig ist
Krumbach Ein Lächeln. Dann dieser Satz, der spüren lässt, auf welch eine geradezu dramatisch schnelle Weise sich unser Leben verändert hat. Ob denn früher jemand zum Festnetztelefon gegangen sei, ohne dass dieses geklingelt hätte, fragt Wolfgang Bosbach. Gelächter im prall gefüllten Stadtsaal. Dann zücken viele im Publikum ihr Handy, um den Mann oben auf der Bühne zu fotografieren. Es ist Wolfgang Bosbach. Der CDU-Politiker hat hohe politische Ämter bekleidet, er war Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestags, aber nie in der allerersten „politischen Reihe“. Und er hat sich aus der Tagespolitik zurückgezogen, gehört seit 2017 nicht mehr dem Bundestag an. Doch sein Wort hat Gewicht, in den Talkshows und in vielen Sälen der Republik, die meist voll sind, wenn er kommt. So wie an diesem Abend, als er auf Einladung der CSU im Krumbacher Stadtsaal spricht.
„Er ist echt“oder „er verbiegt sich nicht“: Solche oder ähnliche Kommentare waren im Vorfeld des Bosbach-Auftritts immer wieder in Krumbach zu hören. Bosbach hält im Stadtsaal keinen Vortrag, in einer gewissen Weise erzählt er einfach die Dinge. Nicht selten sprunghaft und die Themen wechselnd wie etwa vom Festnetztelefon zum neuen Flughafen in Oman.
Die langen, starren Mikrofone am Rednerpult schiebt er gleich anfangs mit einer entschlossenen Handbewegung beiseite. Bosbach ist kein Mann, der am Pult einfach steht, er braucht Raum für seine Gestik, auch für seinen lockeren, warmen Ton in der Sprache, der durch seinen rheinischen Akzent auf eine angenehme Weise verstärkt wird. Und er braucht Luft für seinen Humor, dessen Wirkung ihm offensichtlich auch selbst sehr bewusst ist. Ein CDU-ler bei der CSU – das sei ja etwa so, wie wenn ein Ministrant zum Papst eingeladen wird, sagt er lächelnd mit einem Augenzwinkern. Und dann sei er an diesem Abend auch noch das erste Mal in Krumbach.
Der 66-Jährige aus BergischGladbach im Stadtsaal – über eine Stunde spricht er frei, ohne Blick auf irgendein Manuskript. „Deutschland in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung – worauf es jetzt ankommt“– das ist sein Thema. Ein weiter Spagat. Bosbach erinnert sich an seine Kindheit, seine Mutter, ihr Leben, gezeichnet durch Krieg und Bombennächte. Er spricht über Festnetztelefone und Telefonzellen. Darüber, dass es in Deutschland heute bei 81 Millionen Einwohnern etwa 110 Millionen Handyverträge gebe. Und die Menschen 88 bis 120 Mal täglich auf ihr Handy sehen würden. In zwei Dritteln der Fälle ohne jeden Grund. Auch das sei prägend für eine gesellschaftliche Veränderung in einer Rasanz, wie sie die Menschheit bislang noch nie erlebt habe.
Bosbach erinnert daran, wie wichtig in so einer Zeit Orientierung bleibe. Daran, dass der Stolz auf sein eigenes Land nicht mit Nationalismus gleichzusetzen sei. Aber „wer sein Land liebt, der tut auch mehr für sein Land.“Er spricht über die großen deutschen Erfolge wie die friedliche Revolution in der DDR und die Neugestaltung in Ostdeutschland. Über die anhaltende wirtschaftliche Stärke Deutschlands und seine politisch-gesellschaftliche Stabilität, das hohe Ansehen Deutschlands in der Welt.
Damit kommt Bosbach auch bei der umstrittenen Flüchtlingsthematik an. Da hat er bekanntlich ähnlich wie bei der Griechenlandpolitik ganz andere Akzente gesetzt als Kanzlerin Angela Merkel. Die Flüchtlinge im September 2015 ins Land zu lassen, das sei richtig gewesen, um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden. Aber dann sei es darum gegangen, wieder Grenzkontrollen zu etablieren, die diesen Namen verdienen.
„Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt“, betont Bosbach. Die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime sei rechtstreu, aber er verweist auch auf das Potenzial an Gefährdern wie etwa 11 000 Salafisten. Bosbach warnt aber auch vor einem Zerfall Europas in eigensinnige Nationalstaaten, es bestehe die Gefahr, dass Europa in der Welt marginalisiert werde.
Worauf es jetzt ankommt? Bosbach nennt unter anderem auch mit Blick auf die weitere Entwicklung Deutschlands in der Welt immer wieder das Stichwort Bildung. „Wer nichts im Boden hat, muss es in der Birne haben.“
Er lobt in diesem Zusammenhang die bayerische Vorreiterrolle in Sachen Bildung, aber auch bei der inneren Sicherheit. Großer Beifall im vollen Stadtsaal, in den die CSULandtagsabgeordneten Alfred Sauter und Hans Reichhart mit sichtbarer Zufriedenheit blicken. Als Bosbach in den Saal kam, war draußen ein kräftiges Gewitter aufgezogen. Aber „Sturm und Regen“, dass passe ja irgendwie auch zu Wolfgang Bosbach, der kein Blatt vor den Mund nehme und tue, was er sage, meint Alfred Sauter. Bei Bosbachs Krumbacher Gastspiel wird am Ende deutlich, dass derzeit nicht nur das Wetter stürmisch ist.