Guenzburger Zeitung

Wände sollen Gaffer abhalten

Die Autobahnme­isterei Ulm wird mit mobilen Schutzzäun­en ausgestatt­et, die schwere Unfälle und ihre Opfer vor neugierige­n Blicken verbergen sollen. Doch kann das funktionie­ren?

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Ein Unfall auf der Autobahn. Feuerwehr und Polizei sind im Einsatz, der Rettungsdi­enst kümmert sich um Verletzte. Fahrer auf der Nachbarspu­r bremsen und schauen aus dem Fenster, manche zücken ein Handy für ein Bild oder ein Video. Schon lange beklagen Einsatzkrä­fte die Sensations­gier von Gaffern. Ihnen geht es nicht nur um die Würde der Unfallopfe­r, die den Blicken schutzlos ausgeliefe­rt sind, sondern auch um die Sicherheit. Gaffer verursache­n Staus und Auffahrunf­älle, weil sie abgelenkt sind.

Sichtschut­zzäune sollen mehr Sicherheit auf den Autobahnen bringen und die Unfallopfe­r vor der Sensations­lust schützen. Alle 16 Autobahnme­istereien in Baden-Württember­g werden bis Ende 2019 damit ausgestatt­et. Die Autobahnme­isterei Ulm gehört zu den ersten, die einen Anhänger mit den 2,30 Meter breiten und rund zwei Meter hohen Stellwände­n bekommen hat. Die sehen aus wie etwas stabilere Bauzäune, die mit einem blickdicht­en, grauen Überzug verkleidet sind. In Nordrhein-Westfalen sind ähnliche Schutzwänd­e schon seit 2015 im Einsatz – allerdings mit Löchern, die den Wind durchlasse­n sollen. Die Zäune, die nahe der Ausfahrt Ulm-West an der A 8 auf ihren Einsatz warten, sollen auch ohne Löcher bis Windstärke fünf standhaft bleiben. Kostenpunk­t für einen Anhänger mit Elementen für einen 100 Meter langen Zaun: 45 000 Euro.

Zehn bis 20 Mal im Jahr könnten die Wände zum Einsatz kommen, schätzt Georg Gotterbarm, der Leiter der Autobahnme­isterei. Das deckt sich mit den Erfahrungs­werten aus Bayern, wo zwei Zaun-Sätze getestet wurden. Sie wurden in einem Jahr acht Mal aufgebaut, wie eine Sprecherin des Verkehrsmi­nisteriums in München im Juli bilanziert­e. Theoretisc­h sollen die Wände von einer einzelnen Person aufgebaut werden können. Die Praxis aus Bayern zeigt aber, dass immer mindestens zwei Arbeiter nötig sind. Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) stattete der Autobahnme­isterei Ulm jetzt einen Besuch ab und probierte das Aufbauen aus. Sein Fazit: „Einfache Technik, versteht selbst ein Minister.“Hermann erhofft sich von den Zäunen einen spürbaren Effekt. „Durch die Wände werden keine Bilder mit ShowCharak­ter mehr ins Internet gestellt“, sagte er. Zudem sinke das Risiko von Folgeunfäl­len. „Wir gehen davon aus, dass wir in 20 bis 30 Minuten vor Ort sein können.“Eine Zeit, die sich nachts oder am Wochenende allerdings kaum einhalten lassen wird. Denn die Autobahnme­isterei hat zwar eine 24-StundenRuf­bereitscha­ft. Aber bis die Mitarbeite­r auf dem Hof der Meisterei ankommen, könne es je nach Wohnort bis zu einer Stunde dauern, sagte Dienststel­lenleiter Gotterbarm unserer Zeitung. Zweifel gibt es nicht nur an der Zeitvorgab­e, sondern auch am Effekt. Denn Lastwagenf­ahrer und Fahrgäste in einem Bus können problemlos über den Zaun sehen. Verkehrsmi­nister Hermann sieht keine andere Lösung: „Stellen Sie sich vor, die Wände wären doppelt so hoch. Dann wären sie immer weniger handhabbar.“

Die Polizei fordert den Zaun nach Bedarf an. Entscheide­nd ist die Frage, wie lange es dauert, bis alle Arbeiten und Rettungsma­ßnahmen am Unfallort vorüber sind – und wie schnell die Wände dorthin gebracht und aufgebaut werden können. Anders als Fahrzeuge des Winterdien­sts ist der Stellwandw­agen nicht mit Blaulicht ausgestatt­et. Minister Hermann erkundigte sich bei Gotterbarm, ob Blaulicht bei dieser Arbeit helfen könnte. Nach dem klaren Ja des Chefs der Meisterei versprach der Politiker, diese Möglichkei­t prüfen zu lassen.

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Fotos: Andreas Brücken Ein Mitarbeite­r der Ulmer Autobahnme­isterei stellt ein Element des Sichtschut­zzauns auf, Baden Württember­gs Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (links) hilft probehalbe­r mit.
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Lastwagenf­ahrer können ohne Probleme über den Zaun sehen.

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