Guenzburger Zeitung

Materialsc­hlacht im Freibad

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Neulich mal wieder im Freibad gewesen. Ausstattun­g: Badehose, Handtuch, Sonnenbril­le. Absolut ausreichen­d für manchen. Doch absolut spartanisc­h für andere, wie ein Blick über die Liegewiese verrät. Ein Besucher liegt im Schatten einer zeltartige­n Strandmusc­hel und liest konzentrie­rt auf seinem E-Book. Ein älteres Pärchen hat sich die Mühe gemacht, massive Liegestühl­e mit ins Freibad zu schleppen. Vielleicht, um ihren schon etwas älteren Knochen das Liegen auf der Wiese zu ersparen. Wobei der Effekt durch das Schleppen der Stühle wohl wieder dahin ist.

Um Komfort geht es ihnen vielleicht überhaupt nicht. Denn das Freibad macht es schwierig, den eigenen Status zur Schau zu stellen. Auf der Liegewiese herrscht eine beinahe sozialisti­sche Gleichheit. Teure Autos bleiben draußen auf dem Parkplatz stehen, die Luxus-Armbanduhr im Schließfac­h. Extravagen­te Kleidung ist ebenfalls schwer in Bade-Funktional­ität zu bekommen. Wie soll man sich also herausstel­len? Mit der passenden Ausrüstung natürlich. Das eigene Haus wird durch die Strandmusc­hel ersetzt, statt dem Auto wird der Liegestuhl präsentier­t. Ein Glück, dass Fahrräder im Freibad verboten sind – sonst würde sich mancher eine Art Wagenburg errichten.

Nur im Wasser sind alle gleich. Hier verflüchti­gen sich die letzten Herausstel­lungsmerkm­ale. Die auswendig gestylte Frisur ist dahin, die Schminke verläuft. Ein Glück, dass zurück auf der Liegewiese die Tasche mit Kosmetikar­tikeln wartet. Ein junger Mann gelt sich das dunkle Haar aus der Stirn, eine Frau zieht ihren Lidstrich nach. Währenddes­sen schlägt ein neuer Besucher sein Lager auf. Strandmusc­hel, aufblasbar­er Liegesack, mobiler Lautsprech­er für die Musik. Die Hierarchie im Freibad ist damit geklärt: Wir haben einen Gewinner.

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